Halsschmuck "Camay", 2005. Camay-Seife (Hotelgröße), verchromtes Silber, Baumwollkordel. 4,0 x 3,7 x 1,2 cm.
Bildrechte: Die Neue Sammlung – The Design Museum

Seife wird Schmuck: Sigurd Bronger: Halsschmuck "Camay", 2005. Camay-Seife (Hotelgröße), verchromtes Silber, Baumwollkordel. 4,0 x 3,7 x 1,2 cm.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Kein Schmuck, Trag-Objekte: Sigurd Bronger in München

Gallensteine der Mutter, Schuhsohlen, Eier: Es gibt kaum etwas, was der norwegische Künstler Sigurd Bronger nicht zum Schmuck erheben würde. Die Pinakothek der Moderne in München zeigt nun seine "Trag-Objekte", die oft ein subtiler Witz auszeichnet.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Wunderkammer - das ist das Erste, was man in dieser Ausstellung denkt, wenngleich die lichtdurchflutete zweite Etage der Rotunde direkt unter dem Glasdach der Pinakothek der Moderne natürlich nichts gemein hat mit einer holzvertäfelten, dunklen Barock-Kammer. Es sind die Objekte, die die Assoziation auslösen.

Objekte tragbar machen

Das Gehäuse einer rotbraun marmorierten Nautilus-Schnecke, ein Hühnerei, ein Abflusssieb, kleine Propeller, Schraubzwingen, Zimtstangen und Naturschwämme mögen so wunderlich nicht sein. Doch sie sind allesamt von metallenen Konstruktionen umgeben oder gehalten: komplizierte Aufhängungen und Broschuren aus Silber, vergoldetem Messing, Edelstahl oder Chrome. Sigurd Bronger ist der Feinmechaniker unter den zeitgenössischen Schmuckkünstlern. Es geht ihm ums Machen, um Handwerk, Technik und Mechanik. Und das alles nur, um ein Objekt irgendwie tragbar zu machen. Auf diese Weise kann alles zu Schmuck werden.

Naturprodukte und Alltagsgegenstände

Zeitgenössische Schmuckkunst oder auch einfach nur Objekte kann man das nennen. Trotzdem verhandelt der Norweger in seiner Kunst typische Schmuck-Themen. Manchmal sieht es fast so aus, als mache er sich auch ein bisschen lustig darüber. Ist der Gallenstein seiner Mutter unter einer Mini-Glashaube nicht eine Anspielung auf die Themen Erinnerung und Identität, die im Schmuck eine so wichtige Rolle spielen?

Egal ob Naturprodukt oder Alltagsgegenstand: durch die auffallenden Tragekonstruktionen lenkt Bronger den Blick auf die Dinge. Eine schwarze Hämatit-Perle in einem Mini Schraubstock, ein geschliffener Diamant in den Klammern einer schwarzen Eisenzange: das erregt Aufmerksamkeit. Am Ende geht es immer um das Fassen, das Einfassen der Dinge. Nur, dass dieses Ding bei Sigurd Bronger eben auch mal Kamel-Dung oder ein Stück Seife sein kann.

Nichts für die Gartenarbeit

Durch die metallenen Tragekonstruktionen bekommen die Dinge eine neue Funktion. Sie werden zu Schmuck. Nichts für die Gartenarbeit vielleicht, aber im Fernsehsessel könnte es schon gehen. Das große Gänseei, das mit dünnen Silberdrähten und winzigen Eisenfedern wie ein Heißluftballon über einem Fingerring zu schweben scheint zum Beispiel. Ein anderes Ei ist zwischen spitze Nadeln geklemmt, wuschelige rote Filz-Unterlagen lugen hervor. Selten kommen sich Zärtlichkeit und Technik so nah. Eier waren übrigens das erste Naturprodukt, das Sigurd Bronger in seinen Arbeiten benutzt hat.

Verspieltheit und Humor

Aus handwerklicher Sicht sind Brongers Arbeiten zum Niederknien. Alte Goldschmiedeschule sozusagen. Manche Konstruktionen macht er dutzendfach, bis eine seinen Qualitätsansprüchen genügt. Gerade mal sieben bis zehn Stücke pro Jahr verlassen auf diese Weise sein Atelier, jedes ein kleines Meisterwerk. Doch jeden Ansatz von Anbietungsmodus bricht der Künstler durch Witz, Spiel, Überraschung und krasse Kontraste sofort wieder. Auf eine schräg aufgeschnittene Papprolle einer leeren Toilettenpapierrolle, auf einer edlen, Ansteck-Konstruktion aus Silber, ein riesiger Kaktusstachel, der praktisch genauso aussieht wie die Anstecknadel der Broschüre.

Bronger lenkt den Blick auf die Schönheit der einfachen Dinge, auf Hotelseife, Verpackungen und Tischtennisbälle. Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne ist eine Ausstellung zum Rätseln und Schmunzeln, aber vor allem zum Staunen. Wunderkammer halt.

Die Pinakothek der Moderne in München widmet dem ungewöhnlichen Künstler Sigurd Bronger gerade eine Ausstellung.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Die Pinakothek der Moderne in München widmet dem ungewöhnlichen Künstler Sigurd Bronger gerade eine Ausstellung.

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.