Ein verwüsteter Strand, drei erschrockene und verzweifelte Menschen: Strandurlaubsapokalypse: Svetlana Belesova, Katharina Bach, Bernardo Arias Porras in "Asche" von Elfriede Jelinek an den Münchner Kammerspielen
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Strandurlaubsapokalypse: Svetlana Belesova, Katharina Bach, Bernardo Arias Porras in "Asche" von Elfriede Jelinek an den Münchner Kammerspielen

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Pathos und Nachdenklichkeit: Elfriede Jelineks "Asche"

In "Asche" von Elfriede Jelinek geht es um den "Abschied von der Erde": Am Freitag wurde ihr jüngstes Theaterstück an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Ein Abgesang auf das eigene Leben ebenso wie auf unseren bedrohten Planeten.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Eine postapokalyptische Landschaft: Mittig ein pechschwarzer Felsbrocken, wie ein riesiges Stück Kohle, aus dem ein paar verkokelte Halme sprießen. Darüber drei Satelliten-Arme: Weltraumschrott. Und hinten ein Rundhorizont, der zu Musik wie aus dem Soundtrack eines Blockbusters bespielt wird, die mit Tönen Weltuntergangsstimmung malt, und der bedrohliche Videobilder zeigt: kreisende Krähen, Kriegsbilder, Feuersbrünste, Müllberge.

Klanggewitter trifft Überspanntheit

Zur Müllkippe wird zwischendurch auch die Bühne. Wie Sommerurlauber an einem verdreckten Strand bauen die Schauspielerinnen und Schauspieler Campingtische, Klappstühle und Sonnenschirme zwischen Plastikabfällen auf, wobei es schon mal zu Slapstickeinlagen kommt, die aber nicht zünden. Elfriede Jelinek hat ja durchaus einen Hang zum Kalauer. Regisseur Falk Richter unternimmt einen halbherzigen Versuch, dem mit Klamauk zu begegnen. Geht leider schief. Jelinek kann Komik und Katastrophe. Falk Richter nur Letzteres.

Elfriede Jelinek imaginiert eine Welt, die durch Kriege und Klimakollaps in Schutt und Asche liegt und kokettiert damit, dass es dazu keiner seherischen Begabung bedarf. Falk Richter dagegen gibt den Endzeitpropheten, der mit Pathos und Emphase tönt: weh Euch, das Ende ist nah! Das liegt neben Klanggewittern und Krisenbewegtbildteppich auch am Ensemble, in dem Hyperneurotiker den Ton angeben: Bernardo Arias Porras und Katharina Bach bringen eine Überspanntheit ins Spiel, die zwar perfekt zur Gesamtanlage des Abends passt, ihm aber gerade deshalb nicht guttut, weil sie alles nur noch dicker, dramatischer, donnernder macht.

Jelinek Alter-Ego mit Urne in der Hand

Wohltuend die seltenen Momente, in denen die Aufführung zwischen all dem Toben und Getöse zur Ruhe kommt. Was immer dann der Fall ist, wenn es nicht um das Ende der Erde, sondern um die Endlichkeit der Autorin geht. Um den Tod ihres Ehemanns, der vor gut anderthalb Jahren verstorben ist. Und um die eigene, zunehmende Hinfälligkeit.

Wie alle Stücke von Elfriede Jelinek ist auch dieses ein Textflächengespinst, in dem sie selbst aus jeder Zeile spricht. Doch da, wo es besonders persönlich wird, übernimmt Ulrike Willenbacher als Autorinnen-Ich und trägt dabei schon mal eine Urne mit der Asche des verblichenen Schriftstellerinnengemahls auf der Bühne spazieren.

Willenbacher ist übrigens Kammerspiele-Rückkehrerin. Vor über 20 Jahren gehörte sie dort dem Ensemble von Dieter Dorn an. Eine Zeit, aus der sie als immer mal leicht manieriert in Erinnerung geblieben ist. Hier aber ist sie ganz Nachdenklichkeit, leise Trauer und sanft staunenden Selbstironie. Mithin alles, was Richters Rambo-Regie sonst weitestgehend vermissen lässt.

Im Video: Digitale Einführung der Münchner Kammerspiele - Asche

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