Die Bandmitglieder von Hope stehen auf einer Treppe.
Bildrechte: Joe Dilworth

Die Bandmitglieder von "Hope" standen als Vorgruppe von Depeche Mode auf der Bühne. Ihr neues Album heißt "Navel".

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Tröstlicher Realismus: Das Album "Navel" von Hope

Hope ist zwar nicht die bekannteste Band der Welt, aber sie hat einen ziemlichen Ruf. Beth Gibbons von Portishead hat sich als Fan geoutet. Und Depeche Mode haben Hope im Sommer mit auf ihre Stadiontour genommen – das neue Album "Navel" inklusive.

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Entdeckt werden – das ist so eine romantische Vorstellung. Manchmal erfüllt sie sich, manchmal nicht. Mit der Reife kommt dann die Resignation. Besser der Realismus, der nüchterne. Muss man eben selbst ran. Das hat sich wohl Phillip Staffa gedacht, der Gitarrist von Hope, als er vor Monaten in Mitte an einem Poster vorbeiradelte: Depeche Mode in Berlin. Dort den Supportact spielen, das wäre was! Also hat sich seine Band beworben – und wurde genommen. Nicht für Berlin, für die ganze Sommertour. Budapest, Prag, Warschau, Krakau, Tallinn oder Oslo – Stadion für Stadion für Stadion für Stadion.

"Wir waren uns extrem unsicher: Wie funktioniert sowas Reduziertes, Konzentriertes im Stadion? Und das hat total funktioniert, das hat mich extrem glücklich gemacht", erzählte Staffa dem Deutschlandfunk. Recht hat er. Nicht selbstverständlich, dass das funktioniert hat. Stadionrock ist das nicht. Credo: Weniger ist besser.

Eine Stimme, die den Herzschlag der Songs aufnimmt

Die Farben der Songs sind gedeckt, die Haltung nachdenklich. Herbst statt Hitze. Da wird nichts erlebt, sondern Erlebtes erzählt. Die Gefühle sind betrachtbar geworden. Wie Glaskugeln, die man vorsichtig in die Hand nimmt, um sie sich genauer anzusehen. Nüchternheit als Programm. Stichwort: Soberness – zentraler Begriff im Aufmacher-Song "Klavierskizze". Selbstberauschung ist hier nirgends.

Das habe auch mit der Zeit zu tun, sagt Sängerin und Texterin Christine Börsch-Supan. Sieben Jahre hat es gedauert, bis Hope ihr zweites Album vorgelegt hat. "Das war eine wirklich lange Zeit, in der sich auch persönlich sehr viel verändert hat und viele Dinge zur Ruhe gekommen sind. Und das hat uns sehr interessiert, auch musikalisch."

Dass das funktioniert, hat viel mit der Stimme von Christine Börsch-Supan zu tun, die es schafft, den Herzschlag, den Puls der Songs aufzunehmen – und die trotzdem distanziert bleibt, wie ein Hoverboard über den Klangflächen schwebt. "Untied" – dieser Songtitel könnte auch das musikalische Konzept dieses Albums beschreibt: die offene Verbindung. Losgelöst und trotzdem da. So wie Erinnerungen, verarbeitete, versteht sich.

"Navel" verspricht Trost

"Shame" ist das Schlüsselstück auf "Navel", der Nabel der Nabelschau. Der Song, mit dem die Albumidee konkret wurde. Und ein sehr persönlicher. Christine Börsch-Supan erzählt darin von ihrer Essstörung. Aber das tut sie so vieldeutig, dass die Scham zum Gefäß wird, in das jeder Hörer, jede Hörerin reingeben kann, was er oder sie will. Sicher ist: Hier ist es gut aufgehoben.

"Navel" verspricht vielleicht nicht Ausbruch und Befreiung. Hoffnung verspricht es schon. Mit der Reife kommt eben nicht immer die Resignation. Sondern auch der Realismus. Und der klang selten so tröstlich wie auf diesem Album.

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