Wohnwagen im Hochwasser, aufgenommen am 20.10.2023
Bildrechte: picture alliance/dpa | Frank Molter

Überflutungen an der Ostsee: Das Wasser aus der Schlei überschwemmt einen Campingplatz.

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Sturmflut an der Ostsee – der Tag danach

Mehr als 1.500 Einsätze allein in Schleswig-Holstein: Die schwere Sturmflut hat das nördlichste Bundesland schwer getroffen. Auf Fehmarn kam eine 33 Jahre alte Frau ums Leben, als ein Baum auf ihr Auto krachte.

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Eine solche Flut hat die deutsche Ostseeküste lange nicht erlebt. Eine 33-jährige Frau aus Schleswig-Holstein ist im Sturm ums Leben gekommen, als ein Baum auf ihr Auto stürzte. Laut Polizeiangaben ereignete sich das Unglück auf der Insel Fehmarn. Vor allem in Schleswig-Holstein sorgte die Sturmflut für große Schäden. Die Küste Mecklenburg-Vorpommerns kam mit niedrigeren Wasserständen glimpflicher davon.

Der Leiter des Stabes Katastrophenschutz im Innenministerium von Schleswig-Holstein rechnet mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. "Mit dem ersten Tageslicht wird man auch die Schäden erstmal konkreter erkennen", sagte Ralf Kirchhoff der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zum Samstag. Kirchhoff geht davon aus, dass die Schäden an Hochwasserschutzanlagen oder Gebäuden zum Teil erheblich sein werden.

Großaufgebot von Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei und THW

Bis zum frühen Morgen zählten die Feuerwehren in Schleswig-Holstein mindestens 1.500 Einsätze. Auch Rettungsdienste, Polizei und Technisches Hilfswerk (THW) waren mit einem Großaufgebot von Kräften im Einsatz. An bedrohten Deichen wurden Sandsäcke aufgestapelt. Nach Angaben des Kreisfeuerwehrverbands Rendsburg-Eckernförde waren allein in diesem Kreis rund 450 Feuerwehrleute im Einsatz.

In Eckernförde und Lübeck unterstützten etwa 150 Frauen und Männer des THW die Arbeiten. Auch in Damp (Kreis Rendsburg-Eckernförde) beteiligte sich das THW an den Sicherungsmaßnahmen. Dort ging es unter anderem um die Sicherung einer Rehaklinik.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther dankte den mehr als 2.000 Einsatzkräften. "Wir sind wirklich allen extrem dankbar, die in diesen Stunden geholfen haben", sagte der CDU-Politiker. "Schleswig-Holstein hat zusammengestanden angesichts dieser schrecklichen Flutkatastrophe."

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich beeindruckt von der Solidarität der Menschen in der Region. "Was die Menschen an der Ostseeküste und speziell ganz im Norden in den letzten Tagen erleben mussten, ist furchtbar", sagte der Bundestagsabgeordnete aus Flensburg. "Die Natur hat getobt und gezeigt, wie unbändig ihre Kräfte sind. Meine Gedanken sind bei den vielen vom Hochwasser betroffenen Menschen." Auch Habeck dankte allen Einsatzkräften.

Jahrhunderthochwasser in Flensburg

In Flensburg war der Wasserstand nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) auf 2,27 Meter über dem Normalwert gestiegen. Teile des Hafengebiets waren überflutet. Es war ein Jahrhunderthochwasser für die Fördestadt. 1904 wurden dort 2,23 Meter gemessen. Aus Sicherheitsgründen schalteten die Stadtwerke den Strom in den betroffenen Bereichen ab. Etwa 250 Kräfte waren im Einsatz.

Am Morgen sanken die Wasserstände mit dem Abflauen des Sturms überall deutlich. Der Oberbürgermeister von Flensburg, Fabian Geyer, sprach von einem "extremen Hochwasser".

Katastrophenalarm am Freitagabend

Im Kreis Rendsburg-Eckernförde war am Freitagabend Katastrophenalarm ausgelöst worden. In der Altstadt von Eckernförde gab es freiwillige Evakuierungen, wie eine Sprecherin des Innenministeriums sagte. Ein Schulzentrum diente als Notquartier.

Auch in weiteren Orten wie Brodersby brachten Hilfskräfte Bewohner in Sicherheit. Bereits am Freitagmittag hatte der Katastrophenstab des Innenministeriums in Kiel seine Arbeit aufgenommen.

Dauerbelastung durch Wasser, mehrere Dämme brechen

Große Probleme gab es nach Angaben der Sprecherin des Innenministeriums in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Schleswig-Flensburg sowie in den Städten Flensburg und Kiel. In Ostholstein wurden mehrere Strandwälle von den Fluten durchbrochen und Deiche beschädigt.

In Maasholm an der Schlei brach ein Deich. In Schleswig wurde der Hafen überflutet, der Strom wurde abgestellt. Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei und Technisches Hilfswerk (THW) waren mit einem Großaufgebot von Kräften im Einsatz. An bedrohten Deichen wurden Sandsäcke aufgestapelt.

Campingplätze und Feriendorf vorsorglich evakuiert

In Schleswig wurde der Hafen überflutet, der Strom wurde abgestellt. Ein großes Problem für die Katastrophenschutzanlagen sei die Dauerbelastung durch das Wasser, sagte die Sprecherin des Katastrophenstabs.

Bei Heringsdorf im Kreis Ostholstein erreichte das Hochwasser fast die Krone des Deichs, weshalb mehrere Campingplätze und eine Ferienhausanlage evakuiert wurden. Das sagte ein Campingplatzbesitzer der Deutschen Presse-Agentur.

Wasserstände am Morgen deutlich gesunken

Mit dem Abflauen des Oststurms in der zweiten Nachthälfte und am Morgen sanken die Wasserstände an der Ostseeküste deutlich. In Flensburg lag der Stand nach Daten der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung um 7.20 Uhr am Samstag noch 1,42 Meter über dem Normalwert, in Eckernförde noch 1,41 Meter.

Der Bahnverkehr, der am Freitagabend auf mehreren Regionalstrecken in Schleswig-Holstein eingestellt worden war, lief am Samstag wieder an. Einschränkungen gab es noch beim Schiffsverkehr zu den Nordseeinseln und -halligen. Der Sturm hatte das Wasser aus dem Wattenmeer gedrängt und für extremes Niedrigwasser gesorgt. Der Fährverkehr zwischen Deutschland und Dänemark lief wieder an.

Sturmfluten entstehen, weil starker Wind das Wasser auf die Küste zuschiebt. Ursache dafür sind diesmal starke Luftdruckunterschiede zwischen einem Tief über Westeuropa und einem ausgeprägten Hoch über Skandinavien, so der Deutsche Wetterdienst (DWD).

Unwetter auch in Großbritannien und Skandinavien

Auch in Schweden, Dänemark, Norwegen und Großbritannien hat es bereits Überflutungen gegeben. In Schottland sind bislang zwei Menschen gestorben: Eine 57-jährige Frau wurde in einem Fluss gerissen und ertrank. Eine 56-Jährige prallte mit ihrem Auto gegen einen umgestürzten Baum und erlag ihren Verletzungen. In der zentralenglischen Grafschaft Shropshire wurde ein Mann um die 60 von Wassermassen mitgerissen und starb.

Hunderte Briten waren in ihren Häusern von Hochwasser eingeschlossen, und das Unwetter sorgte für massive Verkehrsbehinderungen. In Dänemark waren etwa 200 Haushalte am Freitagnachmittag vom Stromnetz abgeschnitten.

In Norwegen hatten tausende Menschen zeitweise keinen Strom. Der Nachrichtenagentur NTB zufolge waren am Samstagmorgen rund 21.000 Leute betroffen. Den Rettungskräften seien unter anderem umgestürzte Bäume gemeldet worden, es sei zu Problemen auf Straßen und Zugstrecken gekommen.

Ein Feuerwehrauto pflügt in Flensburg durch die Wassermassen der Sturmflut.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Frank Molter
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Sturmflut an der Ostseeküste

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war von einem männlichen Todesopfer auf der Insel Fehmarn die Rede. Die Nachrichtenagentur dpa hat ihre Angaben dazu präzisiert, woraufhin wir die entsprechende Stelle korrigiert haben.

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