Eine junge Frau hält eine Europaflagge.
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Rücken junge Menschen wirklich immer weiter nach rechts? Eine Studie die das besagt, steht in der Kritik.

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Kritik an Jugendstudie: Sind junge Menschen wirklich so rechts?

Junge Menschen rücken immer weiter nach rechts. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie, die jetzt viel zitiert wird. Nun gibt es Kritik an der Methodik. Eine Einordnung vom BR24-Datenteam.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ein Jugendforscher sieht bei der jungen Generation in Deutschland einen "deutlichen Rechtsruck". Über seine Studie "Jugend in Deutschland 2024" haben zahlreiche Medien berichtet, auch der Bayerische Rundfunk.

Die meistzitierten Ergebnisse:

  • 22 Prozent der befragten 14- bis 29-Jährigen haben auf die Frage "Wenn kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre: Welche Partei würdest du wählen (Zweitstimme)?" mit "AfD" geantwortet.
  • Das sind 13 Prozentpunkte mehr als noch 2022.
  • Deutlich mehr sind außerdem über eine "Zunahme von Flüchtlingsströmen" besorgt. Der Anteil stieg von 22 Prozent 2022 auf 41 Prozent 2024.

Soweit Aussagen aus der Studie. Nun regt sich Kritik an der Methodik, nicht nur in den sozialen Netzwerken.

Zunächst aber die Hintergründe: 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren wurden zwischen Januar und Februar 2024 online befragt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich bereit erklärt, wiederholt und für Geld an Online-Studien des Marktforschungsinstituts Bilendi teilzunehmen. Die Befragten waren Teil eines sogenannten Online-Access-Panels. Für die Jugendstudie wurden sie gezielt nach bestimmten Kriterien von Bilendi ausgewählt. Dazu gleich mehr.

Wie repräsentativ sind die Ergebnisse?

Die rund 2.000 Personen müssen die gesamte Bevölkerung zwischen 14 und 29 Jahren widerspiegeln. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat den Autor der Studie beraten, wie eine Stichprobe nach Altersgruppen, Geschlecht, Schulbildung und Regionen verteilt sein müsste. Der Autor der Studie, Diplomvolkswirt Simon Schnetzer bestätigt, dass die Befragten nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Bildungshintergrund der Eltern, Migrationshintergrund/Staatsbürgerschaft entsprechend der Gesamtbevölkerung ausgewählt wurden.

Rechtsruck? Der Vergleich hinkt

Um eine zeitliche Entwicklung zu analysieren, führen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sogenannte Panelstudien durch. Dabei werden in regelmäßigen Abständen immer wieder dieselben Personen befragt. Bei der Jugendstudie handelt es sich allerdings um eine sogenannte Trendstudie. Das heißt: 2022 haben andere Personen die Fragen beantwortet als in den Jahren 2023 und 2024.

"Ein zeitlicher Vergleich der Ergebnisse ist dann nicht möglich", erklärt Jasmin Riedl, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München. "Um die Ergebnisse methodisch sauber vergleichen zu können, müsste man nach der Wahlentscheidung oder Wahlpräferenz auf derselben Ebene fragen – das heißt: 'Wen haben Sie bei der letzten Bundestagswahl gewählt und wen würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?'."

Diese Frage können natürlich nur diejenigen beantworten, die bereits an einer Wahl teilgenommen haben. Erstwählerinnen und -wähler sind somit außen vor. "Es ist aber auch wichtig, sich solche Personen anzusehen, die noch nicht wahlberechtigt sind", sagt Jasmin Riedl.

Online-Rekrutierung kostengünstig, aber mit Nachteilen

Um diese jungen Menschen zu erreichen, eigne sich ein Online-Access-Panel gut. Zudem seien Online-Befragungen deutlich einfacher und kostengünstiger als Telefoninterviews, bei denen Menschen zufällig ausgewählt werden oder Feldbefragungen an Schulen. "Wir müssen aber auch die Einschränkungen diskutieren", sagt Riedl. Voll selbstrekrutierende Access-Panels wie das von Bilendi haben den Nachteil, dass dort nur Leute sind, die aus einer eigenen Motivation heraus an den Befragungen teilnehmen. Anhänger einer bestimmten Partei können sich ohne weiteres absprechen und so die Zustimmung für ihren Favoriten "künstlich" in die Höhe treiben.

Auch Forsa-Geschäftsführung kritisiert die Ergebnisse

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa weist in seinem Newsletter auf dieses Manko hin: AfD-Anhänger seien in den meisten selbstrekrutierten Online-Panels "deutlich" überrepräsentiert. Das führe zu unverhältnismäßig hohen Präferenzwerten in bestimmten Altersgruppen.

Forsa selbst befragte zwischen Januar und April 4.570 junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren. Die Befragung ergab, dass im Vergleich zur Trendstudie wesentlich weniger junge Menschen der AfD ihre Stimme geben würden, nämlich nur 14 Prozent. Mehr Stimmen erhielten bei Forsa die Grünen und die CDU/CSU (jeweils 21 Prozent). Personen unter 18 Jahren wurden nicht befragt.

Wählen die jungen Menschen dennoch rechter?

Bei den letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen 2023 entschieden sich nach Angaben von Infratest dimap immerhin 16 beziehungsweise 18 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die AfD – in Bayern neun, in Hessen acht Prozentpunkte mehr als noch 2018. Stärkste Kraft waren 2023 die CSU beziehungsweise CDU.

"Jüngere Menschen haben eher die Bereitschaft, nicht die politische Mitte zu wählen", erklärt die Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl. Als Gegenpol bleibe dann nur noch die AfD. Hinzu komme die Zukunftsangst, die auch die jungen Menschen präge. "Das kann die Angst vor zu viel Veränderung, aber auch einfach die Angst vor zu wenig Geld sein. Die Parteien rechts außen koppeln diese Angst mit der Migration. Sie sagen zum Beispiel: 'Wenn es weniger Migration gibt, gibt es mehr Wohnungen.'" In der Studie von Simon Schnetzer gaben 41 Prozent der Befragten an, sich Sorgen um die – wie es in der Studie heißt – "Zunahme von Flüchtlingsströmen" zu machen.

Eurobarometer: 15- bis 24-Jährige schätzen sich eher links ein

Das Eurobarometer ist ein vom Europäischen Parlament und anderen EU-Institutionen und -Agenturen eingesetztes Meinungsforschungsinstrument. Im Zeitraum Februar bis März 2024 wurden 180 Personen zwischen 15 und 24 Jahren befragt. Zwar gab es keine Frage zu den Zukunftssorgen. Allerdings sollten die Jugendlichen anhand einer Themenliste auswählen, was davon während des EU-Wahlkampfs vorrangig diskutiert werden sollten. Die meisten, jeweils 14 Prozent, hielten die Themen "Maßnahmen gegen den Klimawandel" und "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" für am wichtigsten. Zehn Prozent waren es beim Thema "Migration und Asyl".

Außerdem sollten sie sich selbst auf einer Skala von links (1) bis rechts (10) einordnen. Das ist eine etwas andere Herangehensweise als bei der Trendstudie. Beide Studien lassen sich daher nicht direkt vergleichen. Dennoch zeichnet die EU-Studie ein anderes Bild: Im Schnitt verorteten sich die jungen Menschen bei 4,5 – also leicht links der Mitte. Damit schätzten sie sich linker ein als der Rest der Bevölkerung.

Manche Menschen tendierten in der Selbsteinschätzung mehr in Richtung Mitte, erklärt Jasmin Riedl. "Nichtsdestotrotz: Wenn man sich die Grafiken anschaut, sieht man, dass er bei den jungen Menschen zumindest ein bisschen nach links verschoben ist." Am weitesten rechts verorteten sich im Schnitt die 45- bis 54-Jährigen.

Der Autor der Studie, Simon Schnetzer, erforscht nach eigenen Angaben seit 2010 die Lebens- und Arbeitswelten junger Menschen. Die politische Einstellung sei dabei nur einer von vielen Aspekten. Die Sonntagsfrage ("Wie würden Sie abstimmen, wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären?") war nur eine von 90 Fragen und über 400 Antwortmöglichkeiten in der Jugendstudie. Der Autor schreibt auf Anfrage: "Es ist allerdings ein Aspekt, der für die Zukunft der Gesellschaft besondere Bedeutung hat und von Medien gerne aufgegriffen wird." Auch Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl hält die Untersuchung der politischen Einstellungen junger Menschen für sehr relevant.

Fazit:

  • Ein Vergleich der Studienergebnisse mit den Ergebnissen der Vorjahre ist methodisch nicht korrekt, weil immer andere Personen befragt wurden.
  • AfD-Anhänger sind laut dem Meinungsforschungsinstitut Forsa in den meisten selbstrekrutierten Online-Panels - die Studie von Schnetzer ist eine solche - "deutlich" überrepräsentiert.
  • Beim Thema Migration zeichnet eine EU-Umfrage unter 15- bis 24-Jährigen ein anderes Bild als die Trendstudie. Als Themen, die im EU-Parlament vorrangig diskutiert werden sollten, nannten die meisten "Maßnahmen gegen den Klimawandel" und "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" (jeweils14 Prozent) an erster Stelle. Zehn Prozent waren es beim Thema "Migration und Asyl".
  • Dennoch gibt die Jugendstudie einen Einblick in die Lebensrealität der jungen Menschen. Insgesamt wurden den Menschen 90 Fragen mit über 400 Antwortmöglichkeiten gestellt.

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