Er schreibt Falschparker auf und bittet sogar die Polizei, ihr Nummernschild zu säubern. Nach der Dokumentation über den Penny Supermarkt an der Reeperbahn, die während der Corona Pandemie zum Kult geworden ist, haben die Filmemacher von Spiegel TV einen neuen viralen Hit geschaffen: den Anzeigenhauptmeister. Ein Kamerateam begleitet den 18-jährigen Niclas Matthei dabei, wie er am Wochenende auf seinem Fahrrad durch die Gemeinden des Landes fährt und dabei Falschparker und andere Verkehrssünder mit einer App der Behörden meldet, ohne dabei selbst professioneller Ordnungshüter zu sein oder Geld dafür zu bekommen.

In kürzester Zeit hat das Video auf Youtube mehrere Millionen Klicks erzeugt und ist seither auch sonst im Internet omnipräsent. Unzählige Memes und Tweets, die sich in vier Kategorien einteilen lassen:

Aber im Hype um den 18-Jährigen aus Gräfenhainichen tun sich auch Abgründe auf.

Der Anzeigenhauptmeister wird zum Meme

Der Hype: Gerade mal 17 Minuten lang ist die Dokumentation, in der man den Anzeigenhauptmeister kennen lernt und doch bieten die wenigen Szenen voller falschparkender Autos, sich wehrenden Rechtsanwälte und abgelaufener TÜV-Plaketten einiges an Meme-Potential. So könnte man sich den Anzeigenhauptmeister als die nächste große deutsche Hoffnung für die Tour de France vorstellen. Oder als die Inspiration für ein möglichst abschreckendes Kostüm. Er wird sogar gleichzeitig als einer der Granden der deutschen Politik und einer alternativen Popkultur eingeordnet.

Die Werbung entdeckt den Anzeigenhauptmeister

Die Vermarktung: Eigentlich ein logischer Schluss, dass noch mehr Menschen und Institutionen auf den Hype aufspringen wollen. Den Anfang macht der Rapper Finch, der nach einer kleinen Interaktion mit dem Anzeigenhauptmeister erst einen großen Disstrack ankündigt, dann aber eher einen halbgaren Ballermann-Song abliefert. Die Polizei, die dem Anzeigenhauptmeister zugewandt sein sollte, springt da auf andere Weise auf den Hype-Zug auf. In einer Insta-Story hat die Polizei Lüneburg dem Original einen Oberkommissar zugewiesen.

Es bleibt wohl nur eine Frage der Zeit, bis die großen Unternehmen nachziehen. Eine Anzeigenhauptmeister-Tiefkühlpizza mit möglichst akkurat angerichteter Salami? Die nächste Autowerbung mit möglichst korrekter Einparkhilfe, geprüft vom Anzeigenhauptmeister? Die Deutsche Bahn - sonst für Verspätung bekannt - war hier am schnellsten: Die DB sieht den Anzeigenhauptmeister für einen Kämpfer für ihrer Sache an.

Die Gründe für die vielen Memes sind dabei schnell gefunden: Er macht etwas, das sonst niemand macht, mit einem Thema, bei dem jede*r mitreden kann und offensichtlich auch will.

Warum der Anzeigenhauptmeister mehr Liebe verdient hat

Die Empörung: Als letzten Baustein fehlt dann nur noch die Reibung – und die erzeugt beim Anzeigenhauptmeister sehr viel Hitze. Denn die Reaktionen bleiben keineswegs auf der Straße. Geradezu sehnsüchtig wurden die Live-Reaktionen der großen Streamer*innen à la Montana Black erwartet, welche dem jungen Mann aus Sachsen alles andere als Sympathie entgegen gebracht haben. Aber auch auf Twitter (jetzt X) zeigt sich große Wut über die Aktionen von Niklas Matthei.

Das Symbol: In den Reaktionen und Kommentaren auf das Video, aber auch auf gewisse Memes wird deutlich: Für Manche scheint der Anzeigenhauptmeister das reine Bösen zu sein. Wer andere anschwärzt, so scheint es, ist schlimmer als die Person, die tatsächlich den Fehler begangen hat.

Dabei sollten wir viel eher darüber nachdenken, wie sehr uns der Anzeigenhauptmeister helfen kann. Wen sollen wir sonst rufen, wenn ein übergroßer SUV mal wieder die Einfahrt blockiert? Auf X wird er dabei schon fleißig angefragt!

Denn eigentlich hat der Anzeigenhauptmeister viel mehr Liebe verdient, alleine schon um dem ganzen Hass im Netz entgegenzuwirken. Selbst wenn die Anzeigen des Niklas Matthei oft nicht zum erwünschten monetären Erfolg führen, wie eine Anfrage an den Bürgermeister seiner Heimatstadt ergeben hat, so kann man ihn zumindest als Symbol betrachten. Ein Symbol, das Deutschland vielleicht nicht will, aber ein Symbol, das Deutschland verdient hat.