Bayern 2 - Gesundheitsgespräch


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Leitliniengerechte Therapie Die Behandlung des Hörsturzes

In sogenannten Leitlinien wird von medizinischen Fachgesellschaften eine entsprechende Behandlung für Erkrankungen festgelegt oder empfohlen. Die Therapie des Hörsturzes ist vorgeschlagen in der "Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie".

Von: Sabine März-Lerch

Stand: 28.04.2020

Hörsturz und Tinnitus | Bild: picture-alliance/dpa

In der "Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie"ist definiert, dass der Hörsturz kein Notfall ist, der sofort therapiert werden müsste.

"Hinsichtlich der Diagnostik und des Behandlungsbeginns sowie der Art der Therapie müssen das Ausmaß der Hörverlustes, Begleitsymptome, etwaige Vorschäden und der subjektive Leidensdruck individuell berücksichtigt werden."

(aus der Leitlinie)

Sie wird von einer ärztlichen Kommission erarbeitet, der auch Prof. Markus Suckfüll angehört. Das Zeitfenster, in dem sich ein Hörsturz erholt, beträgt 6 Wochen. Nach 6 Wochen wird sich der Zustand nicht mehr von alleine bessern. Was ist dann zu tun?

"Das Problem ist, dass wir uns - in Ermangelung der Kenntnis von Ursachen - natürlich auch schwer tun zu behandeln."

Prof. Markus Suckfüll

Nachdem man lange Zeit schon annimmt, dass es sich beim Hörsturz auch um eine Durchblutungsstörung handeln könnte, galt als mögliche Behandlung z.B. eine Blutverdünnungstherapie. Aber, so der Experte:

"Diese Vorstellung der Durchblutungsstörung ist durchaus auch noch eine nach wie vor gängige Erklärung. Die Frage ist nur, ob man durch die Blutverdünnung tatsächlich diesen Hörsturz oder diese vermeintliche Durchblutungsstörung korrekt behandelt. Aber wenn man keinen richtigen Hinweis auf eine Wirksamkeit hat, allerdings doch - wie in diesem Fall - mit erheblichen Nebenwirkungen rechnen muss, dann kann man das Medikament eigentlich nicht einsetzen."

Prof. Markus Suckfüll

Stattdessen empfehlen die Leitlinien eine entzündungshemmende Cortison-Therapie.

Ursache unbekannt - Therapie nur als Empfehlung

Auch zur Cortison-Therapie gibt es keine gesicherten Studien und so auch keine wirkliche Vorgabe, wie man behandeln soll, so der Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Krankenhaus Martha-Maria in München:

"Aber da hat man die Hoffnung, dass das Cortison in der Akutphase hilfreich ist. Es spricht schon vieles dafür."

Prof. Markus Suckfüll

Eine Möglichkeit ist, das Cortison mit einer Spritze hochdosiert und systemisch, also über das Blut, zu geben. Ein neuere Methode geht gezielter vor:

"Normalerweis gibt man das Cortison soz. dem ganzen Menschen, aber so ein Innenohr ist nur 3 Millimeter groß, d.h. die restlichen 80 kg Mensch kriegen das Cortison umsonst. Deshalb gibt es ein neueres Modell: Man macht ein kleines Löchlein in das Trommelfell und gibt einen Tropfen Cortison hinters Trommelfell. Von da aus wandert das in das Innenohr hinein und damit hat man im Innenohr eine hohe Konzentration Cortison und im Rest ganz wenig. So können wir das Cortison dort hinbringen, wo es gebraucht wird, und die Nebenwirkungen klein halten."

Prof. Markus Suckfüll

Alles in allem aber muss man die Behandlung, so der Experte, relativ offenlassen und individuell reagieren:

"Wenn es durch den Hörsturz zu einer kompletten Ertaubung gekommen ist, dann würde man natürlich - auch, wenn's nicht gesichert ist - alles machen, was irgendwie Aussicht auf Erfolg verspricht. Wenn es sich aber, sagen wir mal um einen sehr geringen Hörverlust, handelt - vielleicht bei einem jungen Menschen und vielleicht im Tieftonbereich, und da wissen wir, dass sich das zu 90 Prozent und mehr erholt -, dann kann man auch durchaus überlegen, ob man gar nichts macht."

Prof. Markus Suckfüll

Man weiß heute, dass sich eine langsam zunehmende Schwerhörigkeit auch in Schüben darstellen kann. Und diese werden dann bisweilen fälschlich als sich wiederholender Hörsturz interpretiert.

"Man nimmt aber an, dass der klassische Hörsturz ein einmaliges Geschehen ist und nicht wiederkehrt."

Prof. Markus Suckfüll

Zwei Drittel der Betroffenen erholen sich komplett von ihrem Hörsturz, ein Drittel behält eine Hörminderung und/oder ein Ohrgeräusch, einen Tinnitus. Diesen Tinnitus beschreiben viele Betroffene als Pfeifen, Quietschen, Klingeln, Sirren.


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