Mitarbeiter von BMW arbeiten im Stammwerk in der Produktion an der Karosserie von verschiedenen Modellen des Autoherstellers.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Vor allem die Industrie müsste produktiver werden, weil dort die meiste Wertschöpfung stattfindet, sagen Ökonomen.

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Rekord bei Arbeitsstunden: Arbeiten wir zu viel?

2023 haben Arbeitnehmer in Deutschland so viele Stunden gearbeitet wie noch nie. Die Wirtschaft ist dadurch aber nicht gewachsen. Mehr Arbeitsstunden bedeuten nämlich nicht mehr Wohlstand.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

55 Milliarden Stunden haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2023 gearbeitet. Damit wird in Deutschland so viel gearbeitet wie noch nie – gemessen in Stunden. Das zeigt eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Doch trotz der vielen Arbeit: Die Wirtschaft ist in Deutschland nicht gewachsen. Denn die Zahl der Arbeitsstunden sagt kaum etwas über den Wohlstand eines Landes aus.

Arme Länder, viele Arbeitsstunden

Wenn es nur um die Arbeitszeit ginge, wäre Griechenland eines der reichsten Länder in Europa, weil es mit 41 Wochenstunden die Liste mit den meisten Arbeitsstunden anführt.

Es folgen Bulgarien, Polen, Rumänien, die ebenfalls zu den ärmeren Ländern zählen, wo Arbeitskräfte abwandern, um woanders mehr zu verdienen.

Reiche Länder, wenig Arbeitsstunden

Am wenigsten betrug die Wochenarbeitszeit 2022 mit 31,3 Stunden in den Niederlanden. Das wohlhabende Land weist laut Destatis die höchste Teilzeitquote in der EU auf. Die Niederlande scheinen bei Vier-Tage-Woche und anderen Arbeitszeitmodellen ein Vorreiter zu sein. So zeichnet sich der niederländische Arbeitsmarkt auch durch eine gute Work-Life-Balance aus, eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Eine geringere Arbeitszeit als Deutschland mit 34,7 Wochenstunden gibt es in der EU sonst nur noch in Dänemark, das zu den reichsten Ländern zählt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 37 Wochenstunden.

Qualität der Beschäftigung wichtiger als Quantität der Arbeitszeit

In Deutschland fehlt es an Produktivität, um mit der Mehrarbeit auch die Leistung zu steigern. Das zeigt das Dashboard Deutschland des Statistischen Bundesamts. Vor allem die Industrie müsste produktiver werden, weil dort die meiste Wertschöpfung stattfindet, darin sind sich Ökonomen einig.

Doch schon heute fehlen dafür viele Fachkräfte. Dabei lässt sich echter Mehrwert nur durch qualitativ hochwertige Arbeit und gute Ausbildung schaffen. Das gilt für jeden einzelnen Beschäftigten, wie für Deutschland insgesamt. In den nächsten Jahren, wenn die Zahl der Beschäftigten altersbedingt zurückgeht, wird die Qualität der Arbeit noch stärker in den Vordergrund rücken.

Mehr Teilzeit kann mehr Beschäftigung bringen

In Deutschland ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen seit der Wiedervereinigung um 16 Prozent auf 73 Prozent gestiegen. Das geschah vor allem über Teilzeitarbeit und vor allem in Westdeutschland, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Rückblick von 1991 bis 2022 berichtet. Darin spiegele sich der gesellschaftliche Wandel vom Einverdiener- und Zweiverdienerhaushalt wider. "Das Gesamtarbeitsvolumen ist vor allem gestiegen, weil immer mehr Frauen erwerbstätig sind", schreibt Mattis Beckmannshagen in der DIW-Studie.

Die DIW-Analyse zeigt aber auch, dass Frauen immer noch deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit aufwenden als Männer. Bei der Erwerbsarbeit leisteten Frauen inzwischen etwa 33 Wochenstunden, mit steigender Tendenz.

Männer sind dagegen im Schnitt mit 40 Stunden in Vollzeit beschäftigt und arbeiten damit weniger als noch vor einigen Jahren. Zugleich holten die Männer bei der Sorge- und Hausarbeit nur langsam auf: "Wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt, wird es aber insbesondere bei der Kinderbetreuung noch Jahrzehnte dauern, bis Männer und Frauen gleich viel Zeit dafür aufwenden", heißt es beim DIW.

Generation Z diskutiert über ein Arbeitsleben ohne Vollzeitjobs

Die größte Zufriedenheit zeigte sich im Sozial-ökonomischen Panel (SOEP) bei sogenannten Silver Workern, die nach dem 66. Geburtstag weitermachten. Wer Spaß am Job hat und eine robuste Gesundheit, lässt die Regelaltersgrenze anscheinend mühelos hinter sich. Das gilt für Frauen wie für Männer. Ganz anders sieht es offenbar für Teile der Generation Z aus, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurde und fast ihr gesamtes Arbeitsleben noch vor sich hat.

So sagte Grüne-Jugend-Chefin Katharina Stolla im ZDF, die 40-Stunden-Woche sei "unfeministisch". Wie andere Vertreterinnen und Vertreter ihrer Generation befürchtet Stolla, dass ein Arbeitsleben in Vollzeit zur sozialen Verarmung führen kann, zu Stress-Symptomen wie Burnout und einer schlechten Work-Live-Balance. Gleichzeitig ist der Arbeitsmarkt auf die Qualifikation der Generation Z angewiesen. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg hält flexible Arbeitszeitmodelle und eine gute Kinderbetreuung für die Lösung.

Dieser Artikel ist erstmals am 20.04.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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