Besucher betrachtet in der Ausstellung "Frauen" in der Pinakothek der Moderne in München das Gemälde "Madame Soler" (1903) von Pablo Picasso (Archivbild).
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2012 war das Gemälde "Madame Soler" (1903) von Pablo Picasso in der Ausstellung "Frauen" in der Pinakothek der Moderne in München zu sehen.

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NS-Raubkunst: Ausschuss lehnt verbindlichen Kommissions-Anruf ab

Der Kunstausschuss des Landtags unterstützt die Forderung der Grünen an die Staatsregierung, verpflichtend eine Expertenkommission in NS-Raubkunst-Streitfällen anzurufen, nicht. Auch die Prüfung im prominenten Picasso-Fall lehnt er ab.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Die Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler haben im Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst den Antrag der Grünen auf eine obligatorische Anrufung der sogenannten Limbach-Kommission in Streitfällen um NS-Raubkunst abgelehnt. Die Expertenkommission wurde 2003 in Absprache von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden gegründet, um in Streitfällen den Hintergrund eines Kunstwerks zu prüfen und eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.

Die bayerische Staatsregierung hat die Kommission in NS-Beutekunst-Fällen bereits hinzugezogen. Die Grünen wollten sie aber nun, gemeinsam mit dem Ausschuss, zu einer Selbstverpflichtung auffordern, künftig bei allen NS-Beutekunst-Streits die Kommission einzuschalten. Die Grünen-Abgeordnete Sanne Kurz sagte: "Die generelle Verpflichtung wäre ein ganz wichtiges Signal an die Opfergruppen der NS-Diktatur, dass wir als Land Bayern ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen: Wir reden mit euch, wir steigen in die Mediationsverfahren ein und wir nehmen unsere historischen Verantwortung hier an."

Widerstand von CSU und Freien Wählern

Die Parlamentarier von CSU und Freien Wähler stellten sich im Ausschuss dagegen. Sie forderten stattdessen vom Bund die Schaffung "einer verlässlichen gesetzlichen Grundlage" - allen voran Winfried Bausback (CSU). "Das Mediationsverfahren ist ein Verfahren, das davon lebt, dass beide Seiten einen Fall unterbreiten, weil sie Schlichtungsmöglichkeiten sehen", sagte er. "Die Mediation jetzt zu einem für den Freistaat verpflichtenden Instrument zu machen, widerspricht dem Verfahren und auch dem Zweck dieses Instruments."

Tatsächlich müssen bislang beide Parteien einer Anrufung zustimmen, damit die Kommission tätig werden kann. "Ich finde es beschämend, wenn sich ein Staat auf Paragrafen zurückzieht", so Sanne Kurz von den Grünen.

Die Regierungsfraktionen sehen den Bund in der Pflicht, ein einheitliches Restitutionsgesetz auf den Weg zu bringen. Kurz kritisiert diesen Verweis auf die Bundesebene: Ein Restitutionsgesetz sei auch aus Sicht der Grünen notwendig, aber das ersetze nicht das Mediationsverfahren. Da es in Deutschland bisher keine rechtlichen Möglichkeiten gibt, verjährte Restitutionsansprüche von Kunstobjekten geltend zu machen, seien die Nachkommen auf den guten Willen der heutigen Besitzer angewiesen, heißt es im Grünen-Antrag.

Ausschuss lehnt Einschaltung der Kommission in Picasso-Fall ab

Den Grünen ging es bei ihrem Antrag konkret um den prominenten NS-Raubkunst-Fall des Picasso-Gemäldes "Madame Soler". Seit mehr als 13 Jahren kämpfen die Nachkommen des jüdischen Sammlers um die Rückgabe des Werks, das sich derzeit im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlung befindet. Die Erben hatten sich zuletzt mit einer Petition direkt an den Landtag gewandt, um die Regierung dazu aufzufordern, das Gemälde der Kommission zur Prüfung vorzulegen. Die Staatsregierung weigert sich seit Jahren, in diesem Fall die Kommission anzurufen. Sogar Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hatte sich bereits eingeschaltet und ein Einlenken Bayerns gefordert.

Bausback hält eine Prüfung für unnötig, da ein von der Staatsgemälde-Galerie beauftragtes Gutachten ergeben hat, dass es sich dabei nicht um NS-Raubkunst handele. Die Grünen wollten das Thema nun kommende Woche im Petitionsausschuss nochmals auf die Tagesordnung setzen.

Bundesregierung hat sich zur Anrufung der Kommission verpflichtet

Auf Bundesebene gibt es eine Selbstverpflichtung wie die, die die Grünen von der bayerischen Regierung fordern, bereits: 2018 hat die Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklärung der mit den USA zu den Washingtoner Prinzipien festgelegt, dass Museen und andere Kulturgut bewahrende Einrichtungen, die von der Bundesregierung gefördert werden, auf Ersuchen des Anspruchstellers einer Mediation durch die Kommission zustimmen müssen.

Landtag billigt Rückgabe von Kandinsky an Erben

Parallel zum Kunstausschuss ist am selben Tag ein anderer aktueller und prominenter Fall, bei dem die Grünen die Rückgabe eines Gemäldes gefordert hatten, zugunsten der Nachkommen ausgegangen: Das als NS-Beutekunst eingestufte Gemälde "Das bunte Leben" von Wassily Kandinsky kann den Erben der ehemaligen jüdischen Eigentümer zurückgegeben werden. Der Haushaltsausschuss des Landtags billigte in seiner nicht öffentlichen Sitzung am heutigen Mittwoch die Rückgabe des Bildes und folgte damit der Empfehlung der Beratenden Kommission. Das Gemälde wurde 1972 von der Bayerischen Landesbank erworben, die es der Städtischen Galerie im Lenbachhaus als Leihgabe zur Verfügung stellte.

Grüne: "Geht um Zigtausende geraubte Objekte"

Allein in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung befinden sich 144 Werke mit bedenklicher Herkunft, wie aus einem Bericht der Staatsregierung auf einen Antrag der Grünen hervorgeht. Es ginge aber nicht nur um die 144 Werke, die die Staatsgemäldesammlung schon geprüft habe, sondern: "Es geht um Zigtausende geraubte Objekte, verlorene Objekte", so Kurz. Sie glaubt, dass eine Stärkung der Limbach-Kommission künftig auch wegweisend für den Umgang mit kolonialer Raubkunst sein könnte.

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