Aus der Aula einer Schule führen Treppen nach oben.
Bildrechte: Alexander Bernhard

Die mehrstöckige, gestufte Aula der Realschule Vilsbiburg mit Galerien und Oberlichtern erinnert an die berühmten Bauten des béton brut.

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Abriss oder Umbau: Was passiert mit maroden Schulen in Bayern?

Viele Schulen in Bayern müssen dringend saniert werden. Die Frage ist jedes Mal dieselbe: Umbau oder Abriss? Eine Veranstaltung in Landshut hat versucht, neue Perspektiven zu eröffnen - am Beispiel der Realschule in Vilsbiburg.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Die Veranstaltung "Umbau statt Abriss - Perspektiven für Bayerns Schulen" in Landshut wollte ein Zeichen setzen gegen den geplanten Abriss der 1969 eröffneten Realschule Vilsbiburg. Zur Eröffnung spielte Hans Well einen eigens für den Abend geschrieben Song wider Bausünden und Stadtplanungspannen. Im Hintergrund auf der großen Leinwand des Landshuter Salzstadels wurden Fotos der bedrohten brutalistischen Bildungsstätte gezeigt, einer faszinierenden Kathedrale der Pädagogik, deren mehrstöckige, gestufte Aula mit Galerien und Oberlichtern durchaus an die berühmten Bauten des béton brut erinnert, an jene Sichtbeton-Kirchen, die legendäre Baumeister wie Le Corbusier oder Gottfried Böhm in den 1950er- und 60er-Jahren schufen.

Aula liegt demokratischer Grundgedanke zugrunde

Entworfen hatte die Realschule Vilsbiburg der Regensburger Architekt Josef Winkler als junger Mann, zusammen mit einem Kollegen. Inzwischen ist er 87 Jahre alt und war Ehrengast des Abends, den der BDA Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, Kreisverband Regensburg-Niederbayern-Oberpfalz, zur Rettung der Schule veranstaltete. Es sei "wunderbar, dass sich die Menschen so einsetzen und sehen, dass da so eine Qualität vorhanden ist, die unbedingt erhalten werden soll", sagt Winkler. Denn dieser Aula liege der demokratische Gedanke zugrunde, "dass die Kinder sich treffen können. Da ist eine große Freiheit drin, in der Schule. Das ist ein ganz besonderer Lebensraum".

Landkreis favorisiert Abriss und Neubau

Über die Jahrzehnte war Winklers Schule ohne seine Beteiligung immer wieder erweitert und teilsaniert worden. Jetzt schien es an der Zeit, sich grundsätzlich zu entscheiden: umfassende Generalsanierung oder Abriss und Neubau. Der Landkreis samt Landrat favorisiert das Letztere. Ein öffentliches Vergabeverfahren fand statt, das den Neubau voranbrachte. Ein Entwurf entstand, der Abriss rückt näher, doch jetzt formiert sich zunehmend Widerstand. Immer mehr Architektinnen und Architekten, Berufsverbände, Denkmal- und Heimatpfleger sowie prominente Einzelpersonen wie Gerhard Polt oder Hans Well protestieren.

Es gibt eine Petition gegen den Abriss, die bisher von über 3.000 Menschen unterzeichnet wurde. Ein Kulturdenkmal soll gerettet werden, das für eine innovative demokratische Baukunst steht, für qualitativ hochwertiges Gestalten und ein nach wie vor beeindruckendes Raumgefühl. Um große Architektur zu erleben, muss man nicht nach Frankreich reisen zu den Gebäuden von Le Corbusier, nein, man kann auch nach Vilsbiburg fahren. Als junger Mann sei Josef Winkler überall hingefahren, "wo der Le Corbusier da neue Sachen gebaut hat".

Der Vorwurf an die Behörden: In Zeiten, in denen wegen des Klimawandels das Bauen im Bestand zunehmend an Bedeutung gewinnt, der Nachhaltigkeit und des ungeheuren CO2-Ausstoßes beim Neubau wegen, sei man nicht bereit, um- oder noch mal neu nachzudenken.

Das Gebäude als demokratischer Begegnungsraum

Viele Schulen in Bayern stehen vor ähnlichen Problemen. Sie müssen dringend saniert werden – und die Frage ist jedes Mal dieselbe: Umbau oder Abriss? Im Lauf der Veranstaltung wurden exemplarisch drei vergleichbare bayerische Bildungsstätten vorgestellt, die bei laufendem Betrieb vorbildlich generalsaniert wurden: das Gymnasium in Neustadt an der Waldnaab, die Martini Schule in Freystadt und das Gymnasium in Dinkelsbühl. Das war jeweils nicht nur günstiger, sondern auch, was den Energieaufwand betraf, vernünftiger – und architektonische Skulpturen konnten als rare Zeitdokumente erhalten werden.

Dass es auch im Fall Vilsbiburg Sinn machen würde, doch noch eine alternative Lösung zu finden, wurde spätestens klar, als Architekt Josef Winkler am Ende seine Eröffnungsrede von 1969 für die Realschule wiederholte. Das Gebäude als demokratischer, inspirierender Begegnungsraum. Ein erhebender Moment!

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