Impfung in Wiesbaden (Symbolbild)
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Kompromissvorschlag für Impfpflicht ab 60 stößt auf Kritik

Im Streit um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht haben zwei Abgeordnetengruppen eine Einigung erzielt. Demnach soll die Nachweispflicht vorerst für Menschen ab 60 Jahren gelten. Die Union spricht von einem "verkorksten" Vorschlag.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

In das Ringen um die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland ist mit einem neuen Kompromissvorschlag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren Bewegung gekommen. Kurz vor der Abstimmung im Bundestag an diesem Donnerstag verständigten sich die beiden Abgeordnetengruppen, die jeweils eigene Entwürfe für eine Impfpflicht eingebracht haben, auf diesen gemeinsamen Vorschlag.

"Impfnachweispflicht für alle Menschen ab 60"

Die konkurrierenden Abgeordnetengruppen erklärten zu ihrer Verständigung: "Uns eint das Ziel einer guten Vorsorge durch eine möglichst hohe Grundimmunität aller Erwachsenen für den Herbst, denn so können wir eine Überforderung des Gesundheitssystems verhindern."

An erster Stelle stünden Beratung und Überzeugung bisher ungeimpfter Menschen. Zugleich solle "eine Impfnachweispflicht für alle Menschen ab dem Alter von 60 Jahren" festgelegt werden, also der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe für schwere Corona-Verläufe. Diese Pflicht muss demnach ab Oktober erfüllt sein - sie kann aber im Juni per Bundestagsbeschluss ausgesetzt werden, falls bis dahin die Impfrate ausreichend gesteigert werden konnte.

Im Herbst soll der Bundestag vor dem Hintergrund der dann vorherrschenden Erkenntnisse und potenzieller Virusvarianten entscheiden, "ob zusätzlich die Aktivierung der Impfnachweispflicht für Altersgruppen ab 18 Jahren greifen soll".

Scholz und Lauterbach wollten Impfpflicht ab 18

Konkret handelt es sich um die Gruppe um SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese und den Grünen-Gesundheitsexperten Janosch Dahmen, die zunächst eine Impfpflicht ab 18 Jahren angestrebt hatte. Sie legte am Montag schon einen Kompromissvorschlag für eine Pflicht ab 50 mit Option auf eine Ausweitung auf alle Erwachsenen vor. Die zweite Gruppe um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann hatte eine Beratungspflicht vorgeschlagen und dann eine mögliche Impfpflicht ab 50 Jahren.

Die Initiative, die ursprünglich eine Impfpflicht ab 18 erreichen wollte, wurde bisher von 237 Abgeordneten unterstützt. Darunter sind auch Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD). Die Gruppe für eine Impfpflicht ab 50 unterstützten zunächst 45 Parlamentarier. Lauterbach schrieb am Abend auf Twitter, der Kompromissvorschlag habe eine hohe Wahrscheinlichkeit, die Impfpflicht am Donnerstag durchzusetzen.

Chancen auf eine Mehrheit könnten steigen

Die Chancen auf eine parlamentarische Mehrheit könnten mit dem neuen Vorschlag tatsächlich steigen. Die Ampel vereint 416 der insgesamt 736 Stimmen im Parlament auf sich. Nicht alle von ihnen sind aber für eine Impfpflicht. Aus den Reihen der FDP stammt ein Antrag, der sich gegen die Impfpflicht ausspricht. Die Abgeordneten, die hinter dem neuen Kompromissmodell stehen, riefen auch deshalb die Union zur Unterstützung auf: "Wir setzen auf die Verantwortung der Union, sich diesem Vorschlag anzuschließen. Unser Vorschlag sieht dieselbe Altersgrenze vor, wie der Antrag der Union und schließt auch den Vorschlag der Union für ein Impfregister ein."

Merz spricht von "verkorkstem Kompromiss"

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wies den Kompromissvorschlag jedoch zurück. Er sprach von "verkorksten Kompromissen, die die Koalition machen muss, weil sie sich untereinander nicht einig ist". Den von seiner Fraktion vorgelegten Antrag, der vorerst nur den Aufbau eines Impfregisters vorsieht, "halten wir nach wie vor für den richtigen", betonte er. "Wir haben von diesem Kompromiss nach unserer gestrigen Fraktionssitzung im Detail erfahren", monierte Merz zudem. Hier zeige sich, "wie zur Zeit regiert wird".

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), kritisierte ebenfalls die Kurzfristigkeit des neuen Vorschlags. Der "Bild"-Zeitung sagte er, kurz vor Torschluss kämen aus den Reihen der Ampel immer neue Vorschläge. "Seriös ist das nicht", sagte der CDU-Politiker. Sinnvoller wäre, "wenn sie sich unserem Konzept anschließen", so Frei.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Sepp Müller (CDU), sagte Bundesgesundheitsminister Lauterbach verhandele bei der Impfpflicht wie auf einem Basar: "Lauterbach setzt durch sein konfuses Agieren die Gesundheit der Menschen aufs Spiel."

Streit um Reihenfolge im Bundestag

Vor der Entscheidung in der Sache muss der Bundestag aber erst noch die Reihenfolge bei der Abstimmung über die vorliegenden Initiativen festlegen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, die SPD wolle zuerst über den Antrag einer Abgeordnetengruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki und einen AfD-Antrag abstimmen, die jeweils eine Impfpflicht ablehnen - sowie um einen Antrag der Union für den Aufbau eines Impfregisters.

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte deutlich, dass zuerst über diese Anträge abgestimmt werden solle. Damit würde über den nun verbleibenden einzigen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht zum Schluss abgestimmt - dies könnte die Chancen erhöhen, dass manche Abgeordnete letztlich dafür stimmen, nachdem eigentlich von ihnen bevorzugte Initiativen zuvor keine Mehrheit bekommen haben.

Union warnt vor "Manipulation"

Von der Union kamen scharfe Proteste gegen ein solches Verfahren. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte, er wolle die Koalition ausdrücklich davor warnen, in der Reihenfolge der Abstimmungen "eine Manipulation vorzunehmen". Fraktionsgeschäftsführer Frei sagte, es gebe in der Geschäftsordnung keine abschließenden Regelungen für solche Abstimmungen. Zur parlamentarischen Tradition gehöre aber, dass zunächst über den weitestgehenden Antrag abgestimmt werde. Dies wäre jener für eine Impfpflicht.

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