Bundeskanzler Olaf Scholz (re.) mit Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner
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Bundeskanzler Olaf Scholz (re.) mit Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner

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Heizungsgesetz: Ampel schrammt an Koalitionskrise vorbei

Das ging gerade nochmal gut für die Ampel: Nach monatelangem Streit einigten sich die Regierungsfraktionen auf "Leitplanken". Doch der Konflikt war so heftig, dass die Koalition zeitweise auf eine echte Krise zusteuerte. Eine Analyse.

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Als alles vorbei ist, besteigt Olaf Scholz einen Dampfer auf dem Wannsee. Ein Ausflugsziel tief im Berliner Westen, weit weg vom aufgeregten Regierungsviertel. Der wirtschaftsfreundliche Flügel der SPD hat zur traditionellen Spargelfahrt geladen - und der Kanzler ist am Dienstagabend der Stargast an Bord. Sollte er sich im Laufe des Tages Sorgen um den Fortbestand der Ampel gemacht haben, lässt es sich Scholz nicht anmerken. Er räumt zwar ein, dass es beim Heizungsgesetz nicht rund gelaufen ist, "aber heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt".

Heizungsstreit wird zur Belastungsprobe für die Ampel

Hinter dem Kanzler und seinen Regierungspartnern liegen aufreibende Stunden. Von vornherein hat sich abgezeichnet, dass dieser Juni-Dienstag zur Belastungsprobe für SPD, Grüne und FDP werden könnte. Und so fragen sich am Morgen viele in Berlin: Schaffen es die Fraktionen, beim geplanten Heizungsgesetz doch noch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen? Oder vertagt sich die Ampel erneut?

Verhandlungen ziehen sich hin

Dass am Morgen einer der Koalitionspartner ein Hintergrundgespräch mit Journalisten verschiebt, lässt die Hauptstadtpresse aufhorchen. Offenbar wird immer noch verhandelt - in der Hoffnung, den Entwurf für die Reform des Gebäudeenergiegesetzes, wie die Pläne im Beamtendeutsch heißen, doch noch in dieser Woche auf die Tagesordnung des Bundestags zu setzen.

FDP tritt auf die Bremse

In den Mittagstunden sieht es zunächst danach aus, dass daraus nichts wird. "Das Wichtigste ist, dass es ein gutes Gebäudeenergiegesetz gibt", lässt FDP-Fraktionschef Christian Dürr die wartenden Reporter im Reichstagsgebäude wissen. Wann es im Parlament beraten wird, sei "zweitrangig". Vorher müssen die Pläne zum Heizungsaustausch aus seiner Sicht "fundamental" geändert werden.

Heizungsgesetz im politischen Niemandsland

Eine schnelle Einigung scheint damit vom Tisch. Damit aber wäre ein Schwebezustand verlängert worden, der in der parlamentarischen Demokratie ungewöhnlich ist. Denn einen Kabinettsbeschluss zum geplanten Heizungsaustausch gibt es ja schon. Trotzdem hängt das Gesetz zu diesem Zeitpunkt irgendwo zwischen Regierung und Parlament fest.

Umfragewerte setzen Ampel unter Druck

Eine verfahrene Situation, zumal sich der Streit schon seit Monaten hinzieht. Der Dauerkonflikt wird als ein Grund dafür angeführt, dass die Zustimmungswerte für die Ampel-Regierung Umfragen zufolge im Sinkflug sind. Und dann sind da noch die anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Zumindest SPD und Grüne haben kein Interesse daran, dass die Aufregung um das Heizungsgesetz bis zum Herbst anhält. Sie wollen es deshalb noch vor der Sommerpause in den Bundestag einbringen.

Scholz, Habeck und Lindner greifen ein

So groß ist der Druck, dass sich am Dienstagnachmittag im Bundestag ein äußerst seltener Vorgang beobachten lässt: Kanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner tauchen auf der Fraktionsebene auf - also dort, wo die Sitzungssäle der Parlamentsfraktionen sind. Manche sprechen von einem Showdown. Denn damit ist klar: Das Heizungsgesetz ist jetzt Chefsache - und die Chefs wollen nicht dabei zuschauen, wie die Ampel in den Abgrund schlittert.

Verhandlungspoker mit hohem Einsatz

Tatsächlich hätte ein nochmaliges Scheitern der Verhandlungen die Frage aufgeworfen, wie handlungsfähig diese Koalition noch ist. Dass sich nun die drei wichtigsten Regierungsvertreter einschalten, ist also dem Ernst der Lage geschuldet. Und ihr Einsatz ist hoch: Wären auch Scholz, Habeck und Lindner nicht zum Ziel gekommen, hätte ihre Autorität in der Koalition großen Schaden genommen.

Hausbesitzer sollen mehr Zeit für Heizungstausch bekommen

Bis zum späten Nachmittag dringt nichts nach außen. Dann macht die Nachricht die Runde, dass die Spitzen der Ampel-Fraktionen ein gemeinsames Statement abgeben. Diese verkünden dann eine Einigung in letzter Minute: Das Gesetz soll kommen, wenn auch in wichtigen Punkten verändert. Im Kern geht es darum, dass Hausbesitzer mehr Zeit für den Umstieg auf klimafreundliches Heizen bekommen.

FDP und Grüne ringen um Deutungshoheit

Von "Leitplanken" für das weitere Verfahren sprechen die Koalitionspartner. Doch das Papier, auf das sie sich geeinigt haben, hat lediglich zwei Seiten. Und kaum ist die Einigung verkündet, beginnt der Kampf um die Deutungshoheit. Die FDP nimmt für sich in Anspruch, die Pläne aus dem Grünen-geführten Wirtschaftsministerium vom "Kopf auf die Füße" gestellt zu haben. Die Liberalen wollen also dafür gesorgt haben, dass das Gesetz überhaupt umzusetzen ist. Aus Sicht der Grünen aber ist der Kern des Vorhabens unverändert: Sie sehen in der Einigung ein klares Signal für mehr Klimaschutz.

Eine Koalitionskrise haben die Ampel-Partner fürs Erste abgewendet. Doch der Konflikt hat Spuren hinterlassen. Und die Frage bleibt, ob es dem Regierungsbündnis gelingt, im selbst auferlegten Tempo ein Gesetz aus einem Guss auszuformulieren. Die Uhr tickt: In drei Wochen beginnt die parlamentarische Sommerpause.

Im Audio: Die Ampel hat den Streit um das Heizungsgesetz beendet

Johannes Vogel (FDP)
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Johannes Vogel (FDP)

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