Führende Taliban-Mitglieder in Kabul
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Führende Taliban-Mitglieder in Kabul

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Ausreise der Ortskräfte: Deutschland will mit Taliban verhandeln

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan fürchten die einstigen Ortskräfte der Bundeswehr um ihr Leben. Nun will die Bundesregierung mit den Taliban über ihre Ausreise verhandeln. Die neuen Machthaber verkündeten derweil eine Amnestie.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Bundesregierung will sich in Gesprächen mit Taliban-Vertretern um Ausreisemöglichkeiten für einheimische Ortskräfte in Afghanistan bemühen. Der deutsche Botschafter in Kabul, Markus Potzel, sei in die katarische Hauptstadt Doha gereist, wo US-Vertreter mit Taliban-Repräsentanten im Gespräch sind, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Abend in Berlin.

Der Diplomat wolle in seinen Gesprächen in Doha darauf hinwirken, "dass auch Ortskräfte sich an den Flughafen begeben können und auch ausgeflogen werden können", sagte Maas. Bislang können nach seinen Angaben nur ausländische Staatsbürger die Taliban-Kontrollposten auf dem Weg zum Flughafen der Hauptstadt Kabul passieren, afghanische Bürger würden zurückgewiesen.

Weitere 180 Menschen sollen aus Kabul ausgeflogen werden

Maas sagte, die Luftwaffe wolle noch im Laufe der Nacht zum Mittwoch zusätzlich zu den 132 bereits aus Kabul ausgeflogenen Menschen 180 weitere außer Landes bringen. Sie sollten von der Luftwaffe in die usbekische Hauptstadt Taschkent gebracht werden, von wo aus sie in Lufthansa-Flugzeugen die Weiterreise nach Deutschland antreten könnten.

  • Zum Artikel: Zweite Bundeswehr-Maschine fliegt 125 Menschen aus Kabul aus

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte bei dem gemeinsamen Presseauftritt mit Maas, die ersten beiden deutschen Evakuierungsflüge hätten Bürger aus insgesamt 15 Nationen von Kabul nach Taschkent gebracht. Die Luftbrücke solle "so lange wie möglich" aufrecht erhalten werden. "So lange es möglich ist, fliegen wir Menschen aus Kabul heraus", sagte Kramp-Karrenbauer. Dies gelte für deutsche Staatsbürger, einheimische Ortskräfte, besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sowie für Menschen aus anderen Ländern.

Bundeswehr-Hauptmann hat wenig Hoffnung für Ortskräfte

Bundeswehr-Hauptmann Marcus Grotian hat indes wenig Hoffnungen, dass noch Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland geholt werden können. "Wenn wir hier noch überhaupt jemanden retten, dann haben wir viel Glück", sagte Grotian vom Patenschafts-Netzwerk Afghanische Ortskräfte in Berlin. Die Taliban hätten den Flughafen in Kabul umzingelt. "Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde erreichen uns unzählige Nachrichten", sagte Grotian. Diese Hilferufe werde er nie vergessen.

Taliban verkünden Amnestie

Zwei Tage nach der Machtübernahme in Afghanistan zeigte sich die Taliban-Führung demonstrativ um Normalität bemüht. Bei einer Pressekonferenz in Kabul garantierte sie eine weitreichende Amnestie für Regierungsmitarbeiter, afghanische Soldaten sowie Ortskräfte der internationalen Truppen. Die Taliban wollten keine Rache, sagte der Sprecher der radikal-islamischen Gruppe, Sabihullah Mudschahid. Zudem könnten internationale Hilfsorganisationen ihre Arbeit in Afghanistan fortsetzen.

  • Zum Artikel: Allgäuer Hilfsorganisation Humedica bleibt aktiv in Afghanistan

Mit Blick auf die Rechte von Frauen sagte Mudschahid, sie würden innerhalb des Rahmens der Scharia geachtet. Frauen dürften weiter studieren, arbeiten und am öffentlichen Leben teilnehmen, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Angst vor Schreckensherrschaft

Wie verlässlich die Versprechen sind, ist unklar. Zuletzt hatten sich Berichte über Menschenrechtsverbrechen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten gehäuft. Am Flughafen von Kabul versammelten sich seit Sonntag Tausende verzweifelte Menschen, um außer Landes zu fliehen.

Die Machtübernahme der Taliban schürt bei vielen Afghanen die Furcht, dass die Islamisten eine ähnliche Schreckensherrschaft errichten könnten wie zwischen 1996 und 2001. Damals folgten die Taliban einer extrem rigiden Auslegung der Scharia, des islamischen Rechts. Frauen durften keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, Mädchenschulen wurden geschlossen. Die Strafen bei Gesetzesverstößen waren oft grausam. Dieben wurde die Hand abgehackt. Frauen, die des Ehebruchs bezichtigt wurden, wurden zu Tode gesteinigt.

Im Video: Machtübernahme durch die Taliban - die aktuelle Lage in Afghanistan im BR24live

Konflikt in Afghanistan
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