Archivbild von Koalitionsverhandlungen 2018: Aiwanger und Söder
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Schwarz-orange Rechenspiele: Postenpoker in Bayern

CSU und Freie Wähler machen Tempo: Schon am Donnerstag wollen sie zu Sondierungsgesprächen zusammenkommen – streiten aber vorab schon über Posten. Wem stehen wie viele Ministerien zu? Welche Möglichkeiten hat Markus Söder?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es ist keine besonders komplizierte Rechnung – doch Hubert Aiwanger und Markus Söder kommen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Für die Freien Wähler steht fest, dass sie nach ihren Zugewinnen in einer neuen schwarz-orangen Staatsregierung Anspruch auf einen weiteren Ministerposten hätten. Die CSU betont, dem Koalitionspartner stehe kein weiterer Kabinettsposten zu. Obwohl die Personalfragen erst "ganz am Ende" der Koalitionsverhandlungen stehen sollen, überlagert der öffentliche Disput schon die Sondierungen, die am Donnerstag beginnen sollen.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hatte schon vor der Wahl durchblicken lassen, dass er sich ein viertes Ministerium für seine Partei wünschen würde. Bisher stellen die Freien Wähler den Wirtschafts- (Hubert Aiwanger), den Umwelt- (Thorsten Glauber) und den Kultusminister (Michael Piazolo). Nachdem die Partei bei der Landtagswahl deutlich auf 15,8 Prozent zugelegt hat, während die CSU mit 37,0 Prozent ein leichtes Minus verbuchte, sieht Aiwanger definitiv Grund für größere Ansprüche.

Wie ist das Kräfteverhältnis?

Vergleicht man die Größe der beiden Landtagsfraktionen von CSU und Freien Wählern, so haben sich die Kräfteverhältnisse etwas geändert. Nach der Landtagswahl 2018 war die CSU-Fraktion 3,1 Mal so groß wie die der Freien Wähler, im neuen Landtag wird sie 2,3 Mal so stark sein.

Für Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl ist klar, dass sich diese Verschiebung auch auf das künftige Kabinett auswirken muss. Seine Partei werde daher auf ein viertes Ministerium bestehen und "es auch bekommen". Aiwanger betonte: "Es zählt am Ende das Ergebnis und die Faktenlage ist klar. Auf dieser Basis wird verhandelt."

Die CSU weist den Koalitionspartner in die Schranken. Kaum war Klaus Holetschek am Dienstag zum neuen CSU-Fraktionsvorsitzenden gewählt, kritisierte er das Auftreten der Freien Wähler als "nicht gerade vertrauensbildend". Er betonte: "37 Prozent für die CSU ist eine klare Ansage." Und CSU-Chef Söder spielte die Stimmenzuwächse des Juniorpartners herunter. "Die Stimmen mehr sind nicht die entscheidende Frage", sagte er. Das Plus der Freien Wähler will er als eine "Solidaritätsadresse" wegen der Flugblatt-Affäre verstanden wissen. "Es ist nicht hinterlegt mit einer gewissen inhaltlichen Erwartungsrichtung." Aiwanger dagegen hatte der CSU schon am Montag vorgeworfen, das FW-Ergebnis herunterrechnen zu wollen. "Wir sind der Wahlsieger dieser Landtagswahl in dieser Bayern-Koalition."

Eine Frage der Rechnung

Im bisherigen schwarz-orangen Kabinett stellt die CSU neben dem Ministerpräsidenten elf Minister. Somit stehen zwölf Christsozialen drei Freie Wähler gegenüber - ein Verhältnis von 4:1. Abgemildert wurde dies etwas durch zwei Staatssekretärsposten für die FW, während die CSU nur einen hat. Dem aktuellen Kräfteverhältnis zwischen beiden Parteien im Landtag aber entspricht das aus Sicht der Freien Wähler überhaupt nicht mehr.

Die CSU zählt anders. "Rechnerisch gesehen ist es übrigens so, dass den Freien Wählern kein weiterer Kabinettsposten zusteht", sagte Söder am Montag. Mit fünf Kabinettsposten habe der Partner 2018 "deutlich mehr" bekommen: "Wir waren freundlich. Und diese Freundlichkeit bleibt in Realität umgegossen jetzt." Anders als beispielsweise im Bund hätten in Bayern auch Staatssekretäre "Kabinettsrang", erläuterte der Ministerpräsident. Nach dieser Rechnung stehen 13 CSUlern fünf Freie Wähler gegenüber. Macht ein Verhältnis von 2,6:1. Zählt man den Ministerpräsidenten nicht mit, beträgt die Relation sogar bei 2,4:1

FW-Generalsekretärin beschwichtigt

Das liegt recht nah am neuen Kräfteverhältnis von 2,3 :1. Allerdings ist ein Staatssekretär in der politischen Machtlogik nicht gleichzusetzen mit einem Minister. Laut Bayerischer Verfassung führt ein Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbstständig – ist also Chef seines Hauses. Ein Staatssekretär ist an die Weisungen des Ministers gebunden, dem er zugewiesen ist.

Hört man sich bei den Freien Wählern um, wird schnell klar, dass sie Söders Rechnung nicht überzeugt. Die bayerische FW-Generalsekretärin Susann Enders mag am Dienstag aber kein Öl ins Feuer gießen: "Ich werde mich zu Personalien und Ministerien nicht äußern", teilt sie auf BR24-Anfrage mit. "Es ist sinnvoller, einen schnellen gemeinsamen Weg zu finden, anstatt weiter anzustacheln."

Beide Seiten wollen sich einigen

Trotz der Muskelspiele nach der Wahl auf beiden Seiten gehen politische Beobachter davon aus, dass es zu einer Einigung kommen wird. Und auch Spitzenvertreter von CSU und Freien Wählern verbreiten Zuversicht.

Denn: Die Freien Wähler wollen weiterhin regieren – das geht aktuell nur mit der CSU. Die CSU wiederum hat sich schon vor Monaten festgelegt, Schwarz-Orange fortzusetzen. Schwarz-Grün schloss Söder in fast jeder Rede aus. Auch ein Bündnis mit der SPD will er nicht – und es hätte obendrein nur eine hauchdünne Mehrheit und wäre so sehr wackelig.

Maximale Zahl ausgeschöpft

Welche Möglichkeiten hat Söder also, um den Freien Wählern entgegenzukommen? Die einfachste Lösung – nämlich zusätzliche Kabinettsposten – scheidet aus. Die Staatsregierung besteht laut Bayerischer Verfassung aus dem Ministerpräsidenten und maximal 17 Staatsministern und Staatssekretären. Diese Zahl hat Söder schon voll ausgeschöpft.

Mehrere seiner bisherigen CSU-Minister sind für Söder auch für das neue Kabinett gesetzt – zum Beispiel Joachim Herrmann (Inneres), Albert Füracker (Finanzen), Michaela Kaniber (Landwirtschaft) und Florian Herrmann (Staatskanzleiminister). Immerhin ein Ministerposten wird frei, weil Klaus Holetschek aus dem Gesundheitsministerium an die Spitze der CSU-Fraktion wechselt.

Spielraum hat Söder bei den Ressortzuschnitten: "Der Ministerpräsident bestimmt die Zahl und die Abgrenzung der Geschäftsbereiche (Staatsministerien)", steht in der Verfassung dazu. Um ein weiteres Ministerium zu schaffen, müsste Söder allerdings einen Kabinettsposten freischaufeln. Zum Beispiel, indem er einen Staatssekretär aus einem Ministerium abzieht oder die Europaangelegenheiten wieder vom Staatskanzleichef miterledigen lässt, statt von einer Europaministerin.

Minister ist nicht gleich Minister

Eine Rolle in Koalitionsverhandlungen dürfte auch spielen, dass Ministerien als unterschiedlich wichtig bewertet werden. Ressorts wie Wirtschaft, Inneres und Finanzen haben ein anderes Gewicht als das von Söder neu geschaffene Digitalministerium. Sein Vorgänger Horst Seehofer wertete im letzten reinen CSU-Kabinett einzelne Minister auf, indem er sie zu "Superministern" mit besonders großen Geschäftsbereich machte. Aiwanger unterschied schon 2018 bei seinen Forderungen zwischen "kleinen" und "großen" Ministerien. Ähnlich äußerte er sich nun am Mittwoch: Bei den Ministern komme es auf den Zuschnitt der Häuser an, es gebe "gewichtigere und weniger gewichtige".

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte am Montag zwar im BR-Interview: "Ein Anspruch auf ein weiteres Ministerium ist durch das Ergebnis nicht ableitbar." Rechnet man aber nur mit den Ministerposten, können die Freien Wähler durchaus mindestens einen weiteren beanspruchen. Söder plus zehn CSU-Minister gegenüber vier FW-Kollegen wäre ein Verhältnis von 2,75:1 - rechnet man den Ministerpräsidenten nicht mit, von 2,5:1. Für Aiwanger ist allerdings klar, dass der Ministerpräsident bei der Berechnung nicht vergessen werden darf - zumal dieser für sich weitreichende Befugnisse beanspruche.

Es ist davon auszugehen, dass die Freien Wähler in den Koalitionsgesprächen selbstbewusster auftreten werden. Zum einen wissen sie, dass Söder – anders als 2018 - mit keiner anderen Partei sondieren will. Zum anderen zählen sie zu den großen Gewinnern der Landtagswahl. Man darf gespannt sein, welche Kompromisslösung Söder aus dem Hut zaubert.

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