Mensch mit kurzen Haaren in Regenbogenfarben.
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Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen hat sich "Queer WUG" gegründet, eine Jugendgruppe als "Safe Space" für Jugendliche.

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"Safe Space" für queere Jugendliche auf dem Land

Queer und diskriminiert: Mit dieser Erfahrung kämpfen auch Jugendliche. Queere Gruppen könnten helfen, doch auf dem Land gibt es sie kaum. In Weißenburg-Gunzenhausen hat sich jetzt "Queer WUG" gegründet – die Gruppe will ein "Safe Space" sein.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist die erste queere Jugendgruppe im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, einer ländlichen Region in Mittelfranken: "Queer WUG" heißt sie, gegründet von Marvin Hofer und Robin Hafner. Sie wollen Jugendlichen einen "Safe Space", also einen geschützten Raum, bieten, um sich zu LGBTQ-Themen auszutauschen und Erfahrungen zu verarbeiten. "Ich habe das Gefühl, wir queeren Leute brauchen einfach andere queere Leute, damit wir glücklich werden können", sagt der 19 Jahre alte Marvin.

Denn bislang gab es für junge Menschen, die schwul, lesbisch, bi, trans, inter oder pan sind, einfach keinen Raum in der Region, in dem sie sich austauschen konnten. Die nächstgelegenen Gruppen treffen sich in Nürnberg. Für Jugendliche sei das – ohne Führerschein und bei wenig öffentlichem Nahverkehr – allerdings schwer zu erreichen.

"Alleingelassen": Queer auf dem Land

Seit Juni treffen sich Marvin und Robin mit anderen Jugendlichen aus der Region, um über ihre Erlebnisse zu sprechen, Filme zu schauen oder einfach füreinander da zu sein. Denn in ländlichen Gebieten seien queere Menschen oft weniger sichtbar. "Vielleicht haben auf dem Land auch viele eher Bedenken oder Angst davor, sich zu outen. Ich glaube, das ist in der Stadt doch ein stärker akzeptiertes Thema, als im ländlich geprägten Raum", vermutet Robin Hafner.

Dem stimmt Marvin Hofer zu: "Es gibt halt kaum queere Leute auf dem Land. In der Stadt ist es so: Du siehst gleichgeschlechtliche Paare durch die Stadt laufen. Auf dem Land hast du sowas nicht. Da fühlst du dich als queerer Mensch irgendwie alleine – oder alleingelassen."

Zwei Männer gehen spazieren.
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Marvin Hofer (links) und Robin Hafner haben "Queer WUG" gegründet.

Queere Beratungsstelle: Großer Bedarf

Diese Schilderungen würden viele Jugendliche auf dem Land kennen, bestätigt Theresa Aures, Psychologin von "Queerbeet", der ersten offiziellen queeren Beratungsstelle eines Sozialverbands in ganz Oberfranken. "Wenn sich eine Person outet, dann hat das unter Umständen Auswirkungen auf ein ganzes Dorf. Weil jeder jeden kennt. In München interessiert das nicht mal die Nachbarn. Hier ist das anders", berichtet Aures.

Der Bedarf an Beratung, sich jemandem anzuvertrauen und gesehen zu werden, ist groß. Die Beratungsstelle im Landkreis Wunsiedel ist gerade mal zwei Wochen geöffnet - und Aures wurde bereits mit Anfragen überhäuft.

Jugendliche leiden oft unter der Situation

Für viele ist es nicht leicht, öffentlich zu zeigen, dass sie schwul, lesbisch, bi, pan, inter oder trans sind. Das habe Auswirkungen auf das ganze Leben und die gesamte Identität der Jugendlichen – gerade in der Schule, so Aures. Speziell unter der Situation würden Jugendliche häufig leiden. "Es ist Hilflosigkeit im Umgang mit dem Thema. Wie machen wir das mit den Toiletten? Welchen Namen schreibe ich bei Schulaufgaben obendrauf?", berichtet die Psychologin.

Queere Gruppen und Beratung können helfen

Gerade in der Schule erleben viele queere Jugendliche Anfeindungen und Mobbing. So auch Marvin von "Queer WUG". Er wurde schon in der Grundschule gemobbt. "Weil ich einfach anders war. Die anderen haben das nicht verstanden und haben deswegen gedacht, dass ich komisch bin", erzählt der 19-Jährige.

So wie Marvin gehe es vielen Jugendlichen, die nicht hetero seien, berichten die Verantwortlichen der Jugendinitiative bei "Fliederlich e. V.", einem queeren Zentrum in Nürnberg. Jugendgruppen wie "Queer WUG" könnten dann helfen. "Dass sie halt auch mal den ganzen Stress oder die ganzen Ängste, von wegen 'Oh Gott, wie ist es, wenn ich mich dann oute in der Schule oder bei meinen Eltern?', vergessen. Dass sie sich keine Sorgen darum machen müssen, sondern hier einfach wirklich sein können, wie sie sind, ohne diesen Druck zu spüren", sagt Seli Kanis von Fliederlich.

Mitgründer: "Um einfach queer zu sein"

Bei Fliederlich haben sich auch Marvin und Robin kennengelernt und beschlossen "Queer WUG" zu gründen. Damit es auch für Jugendliche auf dem Land einen "Safe Space" gibt, an dem sie sein können, wie sie sind. Hier muss sich niemand outen, sagt der 24-jährige Robin. "Man kommt einfach her. Das finden viele ganz angenehm: Einfach da zu sein. Einfach queer zu sein, wie sie möchten". Überhaupt sollte sich niemand mehr outen müssen, finden die beiden jungen Männer. Jeder und jede sollte einfach lieben können, wen er oder sie eben liebt.

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