Zu sehen ist der Angeklagte auf einer Anklagebank des Münchner Landgerichts.
Bildrechte: BR/Alisa Schröter

Heute ist er 70 und Rentner - ähnlich wie der Mann, den der Angeklagte vor rund 45 Jahren erschlagen haben soll.

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Nach 45 Jahren: Prozessauftakt in Münchner Cold Case

1978 wurde ein Mann mit zertrümmertem Schädel tot in seiner Badewanne aufgefunden. Mehr als 45 Jahre nach der Tatnacht steht ein Brite deswegen vor dem Münchner Landgericht. Da Mord nicht verjährt, könnte der Fall nun doch noch aufgeklärt werden.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Es muss ein schockierendes Bild gewesen sein, das sich den Polizeibeamten und dem Schlüsseldienst an jenem Dienstag vor rund 45 Jahren geboten hat: Als sie die Tür zur Wohnung eines Münchner Rentners aufsperren, finden sie den älteren Mann tot in der Badewanne liegend, mit eingeschlagenem Schädel. Drei Plastikschüsseln sollen den verwundeten Kopf bedeckt haben, darüber liegt laut Zeugenaussagen ein in Blut getränktes Stück Stoff. Der Täter konnte nie ermittelt werden – zumindest bislang.

Erneute Datenbankabfrage führt nach 45 Jahren zu neuer Spur

Die Fingerspuren, die die Behörden damals am Tatort gesichert hatten, haben bei einer britischen Datenbank nun einen Treffer ergeben. Der Mann, dessen Fingerabdrücke mit den Spuren vom Tatort übereinstimmen, ist heute 70 Jahre alt und selbst Rentner. Zum Tatzeitpunkt 1978 war er 25 Jahre alt.

Nun muss er sich wegen Mord aus Habgier vor dem Münchner Landgericht verantworten: Die Haare des Angeklagten sind mittlerweile grau, die Sneaker makellos weiß; ruhig sitzt er auf der Anklagebank und lässt sich von der Übersetzerin auf Englisch nacherzählen, was ihm vorgeworfen wird:

Täter zieht Opfer einen Ring vom Finger, bevor er flüchtet

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft München I soll das Opfer den Angeklagten am Abend des 30. Dezember 1978 zu sich in seine Münchner Wohnung eingeladen haben – in der Hoffnung, dass er mit dem jungen Mann später Sex haben würde. Die beiden sollen gemeinsam zu Abend gegessen und später noch zu einem Erwachsenenkino in der Bayerstraße in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs gegangen sein.

Als sie zurück in die Wohnung im Münchner Stadtteil Giesing zurückkehrten, ließ der Pensionär laut Anklageschrift gerade Wasser in der Badewanne ein, als sein junger Besucher ihn mit einem metallenen Mörserstößel mehrmals auf den Hinterkopf geschlagen haben soll. Der angegriffene Mann fiel in die Badewanne, wo ihn der Angeklagte weiter malträtiert haben soll. Daraufhin soll der mutmaßliche Täter die Wohnung nach Wertgegenständen abgesucht haben. Mit rund 1.000 D-Mark und einem Herrenmünzring, den der Angeklagte dem schwer verletzten Rentner noch vom Finger zog, soll der Mann schließlich aus der Wohnung geflüchtet sein. Zuvor soll er wohl mehrere Plastikschüsseln über den Kopf des Opfers gestülpt haben – nach Ansicht der Staatsanwaltschaft, um sich den zertrümmerten Schädel nicht weiter ansehen zu müssen. Den Herrenmünzring soll der Angeklagte später vor eine Baracke in der Nähe des Hauptbahnhofs geworfen haben, um von sich als möglichem Täter abzulenken.

Als der Rentner mehrere Tage telefonisch nicht erreichbar war und auch nicht wie ausgemacht zu einer Messe erschien, machten sich seine Verwandten Sorgen und schalteten die Polizei ein.

Mordfall beschäftigt die Behörden – heute wie damals

Am ersten Prozesstag war Helmut Eigner, Leiter der Mordkommission 2 im Mordkommissariat 11, als Zeuge geladen. Er hatte den Fall 2018 von Kollegen übernommen und nach eigener Aussage die Aufarbeitung des Falls über eine europaweite Datenbankabfrage ins Rollen gebracht. Als die Suche zu einem Treffer führte, habe er eine Reihe weiterer Ermittlungen angestellt, erzählte der Beamte vor Gericht, unter anderem ein Gutachten der Rechtsmedizin zum Tathergang, ein erneuter Besuch der Wohnung in München-Giesing sowie ein Wettergutachten von der damaligen Tatnacht. Bereits kurz nach der Tat vor rund 45 Jahren habe die Polizei schon in alle Richtungen ermittelt, erzählte der Polizeibeamte und zum Beispiel Reinigungsfirmen befragt, ob bei ihnen blutige Kleidung abgegeben wurde.

Mit dem Ergebnis nach der Datenbankabfrage könnte der Mordfall nun doch noch aufgeklärt werden. Denn Mord verjährt nicht und kann auch viele Jahre nach der Tat noch vor Gericht verhandelt werden. Für den Prozess sind insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil könnte Anfang April fallen.

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