Eine Straße in einem noch nicht fertiggestellten Neubaugebiet in Allersberg.
Bildrechte: BR/Frank Schirmer

Eine Straße in diesem Neubaugebiet in Allersberg ist nach Wilhelm-Burkhardt benannt. Der frühere Bürgermeister war einige Wochen bei der SA.

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Bürgermeister in SA: Streit in Allersberg um Burkhardt-Straße

Wilhelm Burkhardt war einst Bürgermeister von Allersberg. Vor gut zwei Jahren wurde eine Straße nach ihm benannt. Seit bekannt wurde, dass Burkhardt im Dritten Reich Mitglied der SA war, streitet die Marktgemeinde erbittert über eine Umbenennung.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Kann eine Straße nach einem ehemaligen Bürgermeister benannt werden, der im Dritten Reich Mitglied der SA war? Darüber ist im Markt Allersberg im Landkreis Roth ein Streit im vollen Gange. Bürger hatten beantragt, die Straße ohne weitere Prüfung umzubenennen. Andere halten Wilhelm Burkhardt für einen, der anpackte, als die Not groß war. Nun hat der Marktgemeinderat entschieden, den umstrittenen Namen beizubehalten.

Demnach bleibt es bei der Wilhelm-Burkhardt-Straße in einem Neubaugebiet. Der Bürgerantrag wurde von der Gemeinderats-Mehrheit aus Allersberger Bürger Forum (ABF) und Freien Wählern abgelehnt. Vor einer Entscheidung soll die Biografie des früheren Kurzzeit-Bürgermeisters – er war nur sechs Monate im Amt – ausführlich beleuchtet werden. Ein Historiker soll untersuchen, ob Wilhelm Burkhardt aus Überzeugung in der SA war, oder, wie man sich im Ort erzählt, um seine Schreibmaschinen besser zu verkaufen.

Allersberg streitet um Nazi-Vergangenheit

Es geht um den Umgang mit der Nazi-Vergangenheit in Allersberg. Aus jedem Ort in Deutschland könnten solche und ähnliche Geschichten erzählt werden. Wer unterstützte damals die Gewalt gegen Andersdenkende? Wer waren die Anführer, wer hielt sich zurück? Wer bekam die Möbel, die Häuser, die Firmen derer, die abgeholt, inhaftiert oder ermordet wurden? Und wer machte nach dem Krieg mit wem wieder gemeinsame Sache?

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In vielen Gemeinden wird bis heute kaum darüber gesprochen. Nach dem Krieg war eine offene Diskussion zu heikel, denn man musste weiter miteinander leben. Auch wenn sich die Machtverhältnisse umgedreht hatten und das Ausmaß der Nazi-Verbrechen immer offenbarer wurde.

Straßennamen im Neubaugebiet: SA-Vergangenheit nicht bekannt

In ihrem Neubaugebiet an der Lampersdorfer Straße will die Marktgemeinde Allersberg Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte würdigen. So wurde etwa eine der Straßen nach Allersbergs erster weiblicher SPD-Stadträtin Susanne Schulenburg benannt. Und eine andere eben nach Wilhelm Burkhardt. Die amerikanischen Besatzer hatten ihm nach dem Krieg den Bürgermeister-Posten angetragen.

Dass Burkhardt zeitweise Mitglied in der gewaltbereiten Nazi-Organisation SA war, sei zum Zeitpunkt der Straßenbenennung nicht bekannt gewesen, erklärt Allersbergs Bürgermeister Daniel Horndasch (parteilos) – vor drei Wochen erst wurde er mit 67 Prozent der Wählerstimmen in seinem Amt bestätigt. Für Horndasch ist die Auseinandersetzung um die Wilhelm-Burkhardt-Straße ein guter Anlass, die Geschichte genauer anzuschauen.

Historiker soll klären: War Burghardt ein Nazi?

In den letzten Kriegstagen waren viele Häuser in Allersberg zerstört worden. "Wilhelm Burkhardt hat den Menschen in der schwersten Stunde geholfen“, sagt sein Enkel Aris Maul, der für das Allersberger Bürger Forum (ABF) im Marktgemeinderat sitzt. "Mit diesen Erzählungen bin ich aufgewachsen." Wilhelm Burkhardt habe alles Menschenmögliche getan, um Not zu lindern, habe sich um Lebensmittel, Unterkunft und Baumaterialien gekümmert.

Im Herbst 2022 beschloss der Allersberger Marktgemeinderat, einen Historiker zu beauftragen. Er soll Antworten geben: Welche der damals handelnden Personen müssten genauer beleuchtet werden? Wie sind entlastende Zeugenaussagen vor der "Spruchkammer" zu bewerten? Die sogenannten "Spruchkammern" prüften nach Kriegsende, wer Mitglied in NS-Organisationen war und wer zu den Überzeugungstätern gehörte.

Historiker ist noch nicht beauftragt

Die Untersuchung über Allersbergs Nazi-Vergangenheit könnte ein dickes Brett werden. Und es stellt sich die Frage, ob die Marktgemeinde das Thema wirklich mit Nachdruck verfolgt. Noch immer ist kein Historiker beauftragt worden. "Wir sind noch mit den Vorarbeiten beschäftigt“, erklärte dazu Bürgermeister Horndasch. Die Stadtarchivarin sei dabei, Personen zu ermitteln, die untersucht werden sollten. Derzeit frage man sich, ob man diese Informationen aus Datenschutzgründen überhaupt veröffentlichen darf, so Horndasch.

Die Opposition aus Grünen, CSU und SPD hingegen ist klar gegen eine Wilhelm-Burkhardt-Straße. Im Marktgemeinderat brachten die drei Parteien die Expertise eines Studenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in die Diskussion ein. In der noch nicht abgeschlossenen Bachelorarbeit kommt Gregory Bey zu dem Schluss, es spräche viel gegen eine Wilhelm-Burkhardt-Straße, aber wenig dafür.

Streit um Gutachten im Gemeinderat

Dies kommt bei Vertretern der Marktgemeinde nicht gut an. Eine 13-seitige Zusammenfassung dieser Arbeit wird von ihnen regelrecht zerrissen. Der Text sei kein Gutachten, es handle sich nur um Recherchen für eine Bachelorarbeit, meint etwa zweite Bürgermeister Rainer Just (FW). Der Autor sei kein Historiker, sondern lediglich ein Student.

Bürgermeister Horndasch weist darauf hin, dass Burkhardts Leistungen der Grund dafür seien, eine Straße nach ihm zu benennen und spricht Gregory Bey die Expertise ab. Marktgemeinderätin Tanja Josche (Grüne) hält dagegen: "Eine Abwertung der Arbeit ist völlig fehl am Platz". Bey sei die Person, die sich am intensivsten mit dem Sachverhalt beschäftigt habe.

Bürgerantrag auf Umbenennung abgelehnt

Die Ablehnung des Bürgerantrags hält Josche für "beschämend". Die Straßenbenennung vor zweieinhalb Jahren sei ein Fehler gewesen, den man rückgängig machen sollte. "Wir hätten die Chance gehabt, das Thema abzuräumen", meint auch Thomas Schönfeld (CSU). Nun wird die Straße im Allersberger Neubaugebiet weiter den Namen eines ehemaligen SA-Mitglieds tragen – und der Streit in dem Ort vermutlich weitergehen.

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