Anwohnerin in ihrem Schlafzimmer, das sie nun mit einer Elektroheizung wärmt
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Anwohnerin in ihrem Schlafzimmer, das sie nun mit einer Elektroheizung wärmt

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Bauer stellt Anwohnern die Heizung ab - mitten in der Kältewelle

Ein Landwirt mit einer Biogasanlage, der mit seiner Abwärme die Anwohner versorgt – eigentlich eine nachhaltige Lösung für den Rieder Ortsteil Holzburg. Doch dann kappt der Bauer die Versorgung. In der Kältewelle stehen Anwohner ohne Heizung da.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Jutta Kistler steht in ihrem Badezimmer und zeigt, was sie anhat: Ein T-Shirt, darüber einen dünnen Pullover, dann einen dicken Pullover und zum Schluss noch eine wattierte Weste. Anders wäre es ihr zu kalt im Haus, nachdem ihre Heizung abgestellt worden ist. Auch Warmwasser habe sie nicht mehr, das Schlafzimmer heizt sie notdürftig mit einem Radiator: "Anders halte ich es nicht aus bei der Kälte. Heute Früh hatten wir draußen minus 15 Grad." Seit Tagen könne sie nicht mehr schlafen.

Jutta Kistler ist nicht die einzige Betroffene. Fast der ganze Rieder Ortsteil Holzburg (Landkreis Aichach-Friedberg) wurde von einem ansässigen Landwirt vom Netz genommen. Dabei waren vor Jahren noch alle so stolz auf das örtliche Heiz-Modell: Ein ansässiger Bauer, der die Abwärme seiner Biogasanlage bereitstellt. Und die Anwohner, die Versorgungs-Kanäle graben lassen, um ihre Häuser mit der Abwärme zu beheizen. Und zwar auf eigene Kosten, wie die Anwohner berichten. Elf Haushalte insgesamt.

Anwohner werfen Landwirt "Knebelvertrag" vor

Gegründet wurde der Heiz-Verbund als GbR, also als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Doch dann – so schildern es die Anwohner – habe der Landwirt plötzlich eine GmbH gegründet und von den Anwohnern verlangt, deswegen einen neuen Vertrag zu unterzeichnen. "Darin waren die Kosten für uns aber viermal so hoch wie vorher", sagt Anwohner Tony Huber.

Ursprünglich war es ein Deal zwischen Landwirt und Anwohnern: Der Bauer stelle die Abwärme seiner Biogasanlage kostenlos zur Verfügung - und erhalte dafür staatliche Subventionen, so berichten es zumindest die Anwohner. Die Bewohner hätten dafür ihrerseits auf eigene Kosten die Leitungen verlegt und die Pumpe der Anlage bezahlt. Auch die Stromkosten für die Pumpe würden sie übernehmen, sagen die Anwohner. Um dem Landwirt steuerliche Nachteile auszugleichen, würden sie ihm zusätzlich 2 Cent pro Kilowattstunde bezahlen.

Dieses Geschäftsmodell sei vertraglich bis 2029 festgeschrieben, so die Anwohner. Deshalb verweigern die Anwohner die Unterschrift unter dem neuen GmbH-Vertrag. Von einem "Knebelvertrag" spricht ein Anwohner: "Immer wieder ist uns angedroht worden, dass er uns die Heizung abdreht, wenn wir seine Bedingungen nicht akzeptieren." Und die lauten laut den Betroffenen so: 8 Cent pro Kilowattstunde statt wie bisher 2 Cent, eine garantierte Abnahmemenge und eine "Maisklausel", hinter der die Betroffenen weitere Kosten befürchten. "Natürlich ist das auf den ersten Blick billig", sagt Toy Huber. "Aber da vergleicht man Äpfel mit Birnen. Denn wir haben die Infrastruktur auf eigene Kosten bereitgestellt und zahlen ja auch den Strom für die Pumpe."

Anwohner reichen Eil-Antrag zu spät ein

Deshalb ziehen die Anwohner mit einem Eil-Antrag vor Gericht, um sicherzustellen, dass sie weiter beliefert werden. Zunächst sieht es danach aus, dass sich der Streit klären lässt. Beide Seiten beschließen vor Gericht, bis November einen neuen Vertrag auszuhandeln. Doch die Verhandlungen scheitern. Nun reichen die Anwohner eine formelle Klage ein, um gerichtlich klären zu lassen, welcher Vertrag nun Gültigkeit hat: Der ursprüngliche Vertrag der GbR – oder der vom Bauer neu vorgelegte Vertrag der GmbH.

Mittlerweile hat der Landwirt jedoch Ernst gemacht, und den Bewohnern die Heizung tatsächlich abgedreht. Das Problem aus Sicht der Anwohner: Der Gerichtstermin ist erst im März 2024 – also nach dem Winter. Und ein nochmaliger Eil-Antrag der Anwohner wird vom Gericht zurückgewiesen, weil die Anwohner zu lange damit gewartet haben. Das heißt: Sollte der Bauer nicht einlenken, werden die Haushalte den ganzen Winter über nicht mehr mit Wärme beliefert.

Not-Heizung kostet Familie 2.000 Euro im Monat

Einige Holzburger haben noch eine alte Heizung im Keller, die sie nun reaktivieren. Andere haben weniger Glück, zum Beispiel Sabine Herter. Die Mutter von zwei Kindern hat jetzt im Keller eine Not-Heizung stehen. "Für den Strom zahlen wir 1.200 Euro pro Monat. Und obendrauf kommen nochmal 800 Euro Miete für die Heizung."

Der Landwirt will sich nicht zu dem Streit äußern. Mehrfach fragt ihn BR24 wegen eines Gesprächs an, um seine Sicht der Dinge zu erfahren. Die Landwirt-Familie bestätigt lediglich, dass die Wärmezufuhr zu den Häusern des Dorfs unterbrochen wurde. Der Bauer verweist auf ein laufendes Gerichtsverfahren. Sein Handeln sei rechtens. Erst nach der Veröffentlichung dieses Artikels lässt der Landwirt über seinen Anwalt mitteilen, dass der Preis lediglich von 2 Cent auf 5 Cent pro Kilowattstunde erhöht werden soll.

Einer Anwohnerin kommen die Tränen

Beate Entian, die in dem Ortsteil eine Pferdezucht betreibt und ebenfalls eine Betroffene ist, hat nach ihren Angaben zuletzt mit dem Bauern und seiner Familie gesprochen: "Mit keinem war zu reden. Die Aussage war: 'Wir freuen uns darauf, endlich abschalten zu können.' Das fand ich eine schlimme und unmenschliche Aussage." Dann bricht die Stimme der Frau, ihr kommen die Tränen.

Derweil läuft die Biogasanlage weiter, sagt Entian. Die Abwärme, die dort produziert wird, fließt jedoch nicht mehr in das Heizungsnetz der betroffenen Anwohner. Stattdessen werde mit der Abwärme nun Holz getrocknet, sagen die Anwohner.

(Anm. d. Red: In einer früheren Version dieses Textes waren Details des Geschäftsmodells noch nicht erwähnt. Diese wurden nochmals abgeklärt und sind nun ebenfalls Bestandteil des Artikels.)

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