Innenstadt von Würzburg
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Anpassen ans veränderte Klima: Unterfranken in der Krise

Unterfranken gehört zu den trockensten Gegenden Deutschlands. Aktuell fehlt ein ganzes Jahr Regen. Die Regierung ruft zum Wassersparen auf. Der Klimawandel ist hier längst da – die Menschen versuchen sich jetzt anzupassen, zum Beispiel in Würzburg.

Über dieses Thema berichtet: Die BR24 Reportage am .

Der Marktplatz in Würzburg: Jeder Quadratmeter versiegelt, eingerahmt von mehrstöckigen Gebäuden. Schon am Vormittag ist es hier so heiß und windstill, dass die Bänke rings um den Platz meist leer bleiben. Im Stadtkern sind die Temperaturen bis zu sieben Grad höher als im Umland.

Grüne Fassaden könnten Würzburgs Hitze deutlich abmildern

Durch die Kessellage und die enge Bebauung wird der Marktplatz zum Glutofen. "Die Stadt hat so harte, versiegelte Oberflächen, dass es nirgends einen Ort gibt, der sich nicht erhitzen kann. Selbst in der Nacht kann sich die Stadt nicht herunterkühlen", erklärt Biologin Leoni Mack. Sie forscht zur Wirkung von Fassadengrün an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim.

Efeu, Wilder Wein und Blauregen, dicht wuchernd, an Drahtkonstruktionen – damit könnte die Temperatur an den Hauswänden deutlich sinken, das Klima in der Innenstadt sich verbessern. Doch grüne Fassaden oder Dächer sieht man in Würzburg kaum. Dabei könnte es hier schon bald im Schnitt fünf Grad wärmer sein als noch vor einigen Jahrzehnten, schätzt Klimatologe Heiko Paeth von der Uni Würzburg.

Hält der Klimabürgermeister, was er verspricht?

"Klimabürgermeister" Martin Heilig hatte sich zu seinem Amtsbeginn vor drei Jahren auf die Fahne geschrieben, Neubauten und Sanierungen mit Grünflächen und Solarmodulen auszustatten. Heute sagt er, dass sein Umweltreferat das "konsequent durchgezogen" habe, 80 Prozent seien es, schätzt er. Das Programm "stadtlich grün" soll zudem die Bürgerinnen und Bürger in den Prozess zur klimaangepassten Stadt einbeziehen: Wer einen Baum pflanzt, entsiegelt oder begrünt, bekommt bis zu 50 Prozent bezuschusst.

Die 100.000 Euro, die im Würzburger Haushalt pro Jahr vorgesehen sind, waren zuletzt immer ausgeschöpft. Bemerkbar im Großen und Ganzen machen sich solche Einzelbegrünungen allerdings nicht.

Stadtbäume leiden extrem unter Trockenstress

Zwar hat Heilig seit seinem Amtsantritt jährlich 15.000 Bäume gepflanzt – wie versprochen, allerdings sind gleichzeitig seit 2018 mehr als 5.000 Bäume im Stadtgebiet abgestorben und mussten gefällt werden. Und das, obwohl das Gartenamt im Sommer teilweise Extraschichten fährt: 135.000 Liter werden täglich vergossen.

Mit dem Pflanzen kommt Martin Heilig kaum hinterher, sagt er – auch, weil die Abstimmung mit allen Betroffenen immer wieder dazu führt, dass Bäume nicht gepflanzt werden.

Was wiegt mehr: Gesellschaft oder Einzelinteresse?

"Wenn es mit allen abgesprochen ist, kommt vielleicht der Ladenbesitzer und sagt: Bei mir jetzt nicht", erzählt der Klimabürgermeister. "Da muss ich sagen: Doch, weil Würzburg davon im Ganzen profitiert. Wenn wir jeden fragen, kommen wir nicht weiter."

Dem pflichtet Biologin Leoni Mack bei: "Hier geht es nicht darum, ob ich es schön finde, ob ich um einen Baum herumlaufen muss und der mir im Weg steht." Wir seien mittlerweile an einem Punkt, wo man nicht alle Bedürfnisse immer berücksichtigen könne. "Es geht darum, dass unsere Städte in Zukunft noch lebenswert und lebensfähig sind."

Wissenschaft warnt davor, Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben

Klimatologe Heiko Paeth fordert mehr politischen Willen, sich nicht im Klein-Klein der Parteipolitik zu verzetteln. Denn ohne unmittelbare Klimaschutzmaßnahmen steuere Würzburg auf 50 Hitzetage pro Jahr zu. Also 50 Tage, an denen es 30 Grad oder wärmer ist.

"Wir waren beim Klimaschutz schon mal weiter. Aber dann passiert wieder irgendetwas und andere Dinge werden auf einmal kurzfristig besonders wichtig", so Paeth. Das sei die Bankenkrise 2008 gewesen, dann Corona, jetzt der Ukrainekrieg. "Weil wir als Menschen die Tendenz haben, nur in ruhigen Momenten langfristig zu denken und Probleme zu erkennen."

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