Maya Götz
Begeisterung bei den Kindern, Besorgnis bei den
Eltern
Forschungsergebnisse aus Deutschland
spiegeln einen weltweiten Trend: Die Kinder haben Spaß mit
den "Teletubbies", die Erwachsenen ihre Probleme mit diesem
neuen Programmformat.
Die "Teletubbies" werden weltweit
von Kindern geliebt, von den Erwachsenen mit wohlwollendem Erstaunen
oder auch deutlich ablehnender Haltung betrachtet. In der Bundesrepublik
Deutschland waren die "Teletubbies" spätestens seit
ihrem Sendestart am 29.3.1999 Teil der öffentlichen Diskussion,
und kaum eine deutsche Zeitung verpaßte es, einen kritischen
Beitrag zu dieser Serie zu veröffentlichen. Die monatlichen
GfK-Daten des Kinderkanals ARD/ZDF weisen der Serie Spitzenquoten
nach und bescheren dem Sender tagsüber die Marktführerschaft.
Nicht zuletzt die zeitweise leergefegten "Teletubby"-Regale
in den Kaufhäusern sind Beweis für den überraschend
großen Erfolg, der - zumindest in diesem Ausmaß - nicht
nur für ExpertInnen ein Rätsel ist. Was begeistert Kinder
ausgerechnet an dieser Serie? Wie nutzen sie eine Sendung, die so
redundant und wenig inhaltsreich ist? Wie schätzen Eltern die
"Teletubbies"-Rezeption ihrer Kinder ein? Welche Bedeutung
kommt der merkwürdigen Sprache oder den von Jerry Falwell angeprangerten
homosexuellen Symbolen für Kinder zu? Um erste Erklärungsansätze
anbieten zu können, ging das IZI in einer Studie diesen Fragen
nach. Da Rezeptionsforschung mit dieser sehr jungen Zielgruppe ausgesprochen
schwierig und das Programmformat (zumindest in Deutschland) neu
ist, war zunächst eine breitere explorative Phase nötig,
in der verschiedene bewährte Methoden zum Einsatz kamen. Anschließend
wurden Einschätzungen der Eltern sowie die Rezeptionssituation
im Alltag der Kinder untersucht.
- Explorative Phase1:
Morgenkreisgespräche in Kindergarten und Grundschule (42 Kinder);
Spiel- und Malaktionen im Kindergarten (39 Kinder); Falluntersuchungen
in Familien mit Kindern, die gerne "Teletubbies" sehen
(5 Familien); Auswertung der Zuschauerpost und Bilder an das "Teletubby"-Magazin
(Monat August); Umfrage an Eltern per Internet in dem Forum von
Familie & Co; Sichtung von über 800 Presseberichten in
den Monaten Februar, März, April 1999.
- Analyse natürlicher Rezeptionssituationen
von Kindern zwischen 1 und 6 Jahren
2
Es wurden Eltern zur Mitarbeit gewonnen, deren Kinder gerne "Teletubbies"
sehen. Mit einer neben den Fernseher gelegten Videokamera filmten
sie pro Kind 2-3 "ganz normale" "Teletubbies"-Rezeptionen.
Der Kontakt zu den Eltern entstand über den Kindergarten und
das Internet, insbesondere über die Internet Community Urbia.de.
Auf diese Weise liegen 114 Aufnahmen einer weitestgehend natürlichen
Rezeptionssituation von 40 Kindern vor. In die Aufnahmen ist die
jeweils gesehene "Teletubbies"-Folge als kleines
Bild ‘eingestanzt’, so dass es möglich ist, sowohl das Kind
als auch die von ihm gesehene Sendung zu verfolgen.3
- Umfrage an Eltern per Internet, Analyse
des AOL-Chatforums4
Das IZI stellte eine Umfrage an Eltern in insgesamt 11 Internet-Foren5
im Themenbereich Familie, Eltern und Kleinkinder. Die Fragen wurden
bewußt offen gehalten und richteten sich auf drei Bereiche:
Erfahrungen mit den "Teletubbies" im Alltag, Beobachtung
von Kindern während der "Teletubbies"-Rezeption sowie
Einschätzung der Sendung durch die Eltern. Auf diese Umfrage
gingen 248 Antworten ein. Der Provider AOL richtete auf seiner Startseite
ein Chatforum zum Thema "Teletubbies" ein. Innerhalb von
drei Tagen gingen hier 346 Äußerungen ein, die hinsichtlich
der Positionen und angebrachten Argumente ausgewertet wurden.
Im folgenden werden Ergebnisse zusammengefaßt,
um Perspektiven zu eröffnen, was Kinder an den "Teletubbies"
begeistert, wie sich Eltern tendenziell dazu positionieren und welche
Argumente sie anbringen. Anhand der Beispiele Sprache und Inszenierung
von Geschlecht werden die Unterschiede in der Bedeutungszuweisung
durch Eltern und Kinder deutlich und theoretisch nachvollziehbar.
1. Was begeistert Kinder an den "Teletubbies"?
Die Figuren und ihre Bewegungsrituale
Im Mittelpunkt der Faszination "Teletubbies" stehen für
Kinder die Figuren. Sie sind es, die sie malen und benennen, und
die schon beim Erstkontakt Aufmerksamkeit erregen. Was die Figuren
interessant macht, sind nicht nur ihre eindeutigen Farben und Wiederkennungsmerkmale,
sondern vor allem ihre mollige Leiblichkeit und ihre Bewegungen.
Am häufigsten genannt und nachgespielt werden die ungewöhnlichen
Bewegungsmuster mit lustigen Geräuschen und die Bewegungsanlässe,
die in festgelegte Rituale eingebunden sind. Nach Aufforderung erzählen
Kinder auch von den Geschichten der "Teletubbies", bleiben
hier aber im Vergleich zu anderen Kindersendungen ausgesprochen
kurz und stellen immer die Figuren in den Mittelpunkt.6
Die Faszination liegt vermutlich weniger in dem Inhalt der erzählten
Geschichten als zu einem großen Teil in den Figuren selber.
Die "Teletubbies" und ihr "Teletubbyland" sind
geschickt gewählt und bilden sicherlich die Grundlage für
den Erfolg der Sendung. Neben dem "hohen Teddypotential"
(Groebel 1999) und einem körperlichen Appeal, der zum Anfassen
reizt (Brudny 1999), muss es aber noch etwas Besonderes mit den
"Teletubbies" auf sich haben, um diesen Erfolg zu erzielen
und ganze Zuschauergruppen neu zu akquirieren.7
Die Rezeptionssituation
In der Rezeption sind die Kinder ausgesprochen aktiv. Sie reden
viel, vor allem wenn Erwachsene anwesend sind, erklären und
kommentieren die Szenen. Neben den sprachlichen Aktivitäten
zeigen sich überraschend häufig Bewegungen als Teil der
Rezeption. Die Kinder winken, tanzen und springen auf dem Sofa oder
legen sich auf den Boden, um mit den Beinen zu strampeln. Es zeigen
sich typische Momente der "Teletubbies"-Rezeption, die
sich in unterschiedlichen Ausprägungen bei fast allen Kindern
der Untersuchungsgruppe in einer der Aufnahmen nachweisen lassen.
Anhand von kurzen Szenen der Video-Aufzeichnungen werden im folgenden
diese typischen Momente anhand der Fälle Anne (3 Jahre), Lara
(2 ½ Jahre), Lars (3 Jahre) sowie Tim (4 Jahre) und Tobias (6) illustriert.
Erklären / Bemerken / Kommentieren: Die Kinder
sagen etwas zu dem Serieninhalt.
Anne (3 Jahre) ist
ganz begeistert von den "Teletubbies". Als die Sendung
beginnt und sie die Anfangstakte hört, kommt sie sichtlich
aufgeregt ins Zimmer gestürzt: "Mein, mein Teletubby,
autsch, autsch, meine". Sie flitzt zu ihrem Fernsehsessel und
stößt sich dabei an dem Tischbein, doch selbst das kann
ihre Freude nicht mindern. Sie beginnt einen Satz, bricht dann ab,
lacht das Baby an und imitiert seine Gestik. Anne erklärt:
"Das Baby in der Sonne, ne, das lacht immer. Bäh, bäh,
bäh, bäh." Aufmerksam verfolgt sie den Schwenk über
die Hügel des "Teletubbylandes" und erklärt
"Guck, jetzt, jetzt siehst du die gleich".
Die Kinder reden während der Rezeption.
Oftmals bemerken sie etwas, kommentieren es und machen die anwesenden
Eltern darauf aufmerksam. Häufig erklären sie den Erwachsenen
oder anderen anwesenden Kindern die Zusammenhänge, manchmal
sprechen sie dies aber auch allein vor sich hin.
Mitsprechen / Mitsingen: Kinder sprechen oder singen
den Text parallel zur Sendung mit.
Lara (2 ½) singt und
tanzt die Anfangssequenz komplett mit. Anschließend sitzt
sie wieder auf der Couch. Als schließlich der Bär und
der Löwe kommen, hält sie sich die Hand gewinkelt vors
Gesicht und spricht die Passagen mit: "Ich bin der Bär,
der Bär bin ich, mein Fell ist weich und fusselig." Je
öfter der Bär dies aufsagt, desto genauer kann sie den
Wortlaut mitsprechen.
Viele Kinder sprechen und singen die immer
wiederkehrenden Texte mit und lernen die Reime und Zahlen innerhalb
kurzer Zeit. Mit Begeisterung sprechen und singen sie die immer
wiederkehrenden Passagen mit.
Verfolgen: Kinder sehen wie gebannt auf den Bildschirm.
Tim (4 Jahre) sitzt
in seinem großen Sessel und ißt sein Abendbrot. Er ist
durchaus auf die Handlung konzentriert, lächelt und winkt den
"Teletubbies" zu. Als der Einspieler mit den Kindern kommt,
blickt er wie gebannt auf die Mädchen, die mit Luftballons
spielen. Zeitweise vergißt er sogar weiterzukauen. Einmal
verharrt er über 15 Sekunden mit offenem Mund.
Bei vielen Kindern war diese Konzentration
bei den Einspielern zu beobachten. Während kleine Kinder unter
1 ½ Jahren diese Szenen zu anderen Aktivitäten nutzen, sind
die älteren zeitweise wie gebannt. Insbesondere Einspieler,
bei denen Kinder aktiv etwas machen, erregen ihre Aufmerksamkeit.
Vorführungen von Erwachsenen (z.B. Frau Ulkig oder Nena) verfolgen
sie dagegen mit weniger Gespanntheit. Bei der Wiederholung ändert
sich die Konzentration nicht und mit ausgesprochenem Interesse sehen
sie sich die Geschichten komplett zum zweiten Mal an.
Antworten: Kinder nehmen die Antwort-Aufforderung
der Sendung auf und sprechen mit dem Fernseher.
Die Bauchgeschichte
beginnt und zwei Mädchen rufen "Hallo". Anne (3 Jahre)
antwortet: "Hallo". Das englische Mädchen kommt näher
und sagt nochmal: "Hallo" und wieder antwortet Anne, jetzt
jedoch leiser und ganz in die Handlung vertieft: "Hallo".
Das Mädchen fragt: "Wollt ihr mal sehen, was wir machen?"
und Anne antwortet "Ja." Noch einmal schaut sie zu ihrer
Mutter, dann richtet sich ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Fernseher
und sie verfolgt wie gebannt die zwei Kinder mit dem Hund. Am Ende
verabschieden sich die Mädchen: "Auf Wiedersehen",
und Anne antwortet leise: "Auf Wiedersehen".
Tim (4 Jahre) sitzt in
seinem Fernsehsessel und verfolgt still und aufmerksam die Sendung.
Als Po direkt in die Kamera winkt und mit "Ah-Oh" die
Zuschauenden begrüßt, winkt er mit einem lauten "Ah-Oh"
zurück.
In der Serie sprechen die "Teletubbies",
und in den Einspielern die Kinder und die Erwachsenen die Zuschauenden
direkt an. Dies geschieht häufig und in einem relativ berechenbaren
Ablauf. Meistens begrenzt sich die Ansprache auf Begrüßung
und Verabschiedung. Die artikulierte Beantwortung dieser Aufforderungen
durch die Kinder ist vermutlich Teil parasozialer Interaktion (Horten
/ Wohl 1956), die hier in einem ritualisierten Kontext steht.
Vorhersagen / Vorwegnehmen: Kinder verfügen
schon nach wenigen Sendungen über genügend Medienwissen,
so dass sie die Kommunikationsformen und Handlungen vorwegnehmen
können.
In der ersten Szene
nach dem Anfangslied ist der Innenraum des Iglus zu sehen. Die Tür
öffnet sich, es ist jedoch noch niemand zu entdecken. Anne
(3 Jahre) sagt: "Hier kommt der Dipsy, kommt ins Haus."
Po, Laa-Laa und Dipsy betreten den Raum. Anne erklärt: "Dipsy,
und Laa-Laa und Po und Dipsy." Die drei Teletubbies kommen
in den Vordergrund und grüßen die Zuschauenden mit "Ah-Oh".
Anne antwortet "Ah-Oh". Tinky Winky kommt ins Bild, stellt
sich neben die anderen, zeigt ihnen einen Tubbytoast und sagt: "Hier!",
was die anderen mit "Oh, da!" beantworten. Anne erkennt
abermals, worum es geht und sagt: "Toasti". Tinky Winky
sagt "Tubbytoast, Tubbytoast". Anne springt begeistert
in ihrem Sessel auf und ab und ruft lachend zu ihrer Mutter gewendet:
"Tubbytoast, Tubbytoast!"
Bereits zu Beginn der Szene weiß Anne,
was als nächstes passieren wird. Die Tür geht auf und
mindestens ein Teletubby wird in den Iglu kommen. Wenig später
wird diese Vorannahme, wenn auch mit anderer Reihenfolge, von der
Serie bestätigt. Es ergibt sich eine kleine Handlungssequenz,
die Anne sofort versteht und in der Fortentwicklung antizipieren
kann. Sie artikuliert dies mit der Verniedlichung des Wortes "Toast".
Als die Figuren ihre Vorannahme abermals bestätigen, ist sie
begeistert und springt freudestrahlend auf und ab. Das Vorhersagen
und Vorwegnehmen ist in der Narration der Sendung angelegt. Die
Handlungsentwicklung ist extrem langsam und vorhersehbar. Die Einstellungen
ähneln sich. Wenn dies für Medienfachleute auch ein Manko
der Serie ist (vgl. Hake in diesem Heft), so begeistert es doch
die Kinder. Bereits nach wenig Seherfahrung entwickeln sie die Kompetenz,
die Szenen zu antizipieren. Sie müssen die Handlung nicht nur
"ver-folgen", sondern sie können sie bereits "vorweg-nehmen".
Mittanzen / Bewegen: Kinder entwickeln auf der
Basis der festen Abläufe und der eingängigen Musik eine
eigene Choreographie oder bewegen sich frei zur Musik
Lara (2 ½) sitzt mit
der Käsescheibe in der Hand auf dem Sofa. Aus dem Fernseher
erklingt der Beginn der Serie, den sie mitspricht. Als der Rhythmus
der Anfangsmusik ertönt und die Teletubbies den Hügel
hinablaufen, springt Lara auf. Nach einem kurzen Blick zu Mutter
und Vater, die am Tisch daneben sitzen, steppt sie im Takt der Musik
mit angewinkelten Unterarmen und abgespreizten Fingern zum Fernseher.
Sie dreht sich um die eigene Achse und singt das Lied mit. Laufen
die Teletubbies durcheinander, geht sie vor dem Fernseher mit vier
Schritten hin und her. Als die Teletubbies ihren Einzelauftritt
haben, imitiert sie die jeweils prägnantesten Bewegungsmuster.
Beim Weglaufen der Figuren läuft sie schnell im Kreis. Mit
dem Erklingen des Satzes "Wo sind die Teletubbies hin?"
läuft Lara, den Satz mitsprechend, zurück zum Sofa. Hier
sitzt sie still, imitiert vor allem die Sonne und spricht besondere
Teile mit. Als die Windmühle sich dreht, um einen Teletubby
für die Bauchgeschichte auszuwählen, springt sie vom Sofa,
läuft vor den Fernseher und legt sich wie die Teletubbies auf
den Boden, um mit den Beinen zu strampeln. Anschließend steht
sie auf, stemmt die Hände in die Lenden und drückt den
Bauch heraus, während sie die Namen der Figuren mitspricht.
Wieder läuft sie zum Sofa, wo sie die Geschichten mit Interesse
verfolgt. Als am Ende die Sprechtröte aus dem Boden fährt,
steht Lara abermals vor dem Fernseher, winkt den einzelnen Teletubbies
und geht danach kurz in die Knie, so als wenn sie sich hinter einem
imaginären Hügel versteckt. Als die Teletubbies in ihren
Iglu springen, hüpft Lara ebenfalls. Dieser Ablauf wiederholt
sich am nächsten Tag, allerdings mit einer Puppe, und am darauffolgenden
mit einem 101-Dalmatiner-Stofftier in der Hand. Die Mutter erzählt,
dass sie dies über Monate hinweg durchhält.
Anders als in der Diskussion zum Thema
Fernsehen und Kinder bisher wahrgenommen, gehört Bewegung zu
einem häufig auftretenden Teil der "Teletubbies"-Rezeption
- fast immer in Form von Armbewegungen (z.B. Winken), oft als Mitschaukeln
mit der Musik, und zum Teil in Tänzen und Sprüngen. Für
Lara ist es zu einem festen Ritual geworden, wie die Sing- und Tanzspiele,
die sie später im Kindergarten begeistert mitmachen wird. Erstaunlich
hierbei ist vor allem die gezeigte Bewegungsvielfalt, aber auch die
festen Muster, die sie selber, in Imitation der Teletubby-Figuren,
entwickelt hat.
Nachfragen: An einigen Stellen fragen sich Kinder
nach tiefergehenden Zusammenhängen, die sie von ihren Eltern
erklärt bekommen möchten.
Lars (3 Jahre) sitzt
auf dem Sofa und sieht "Teletubbies", während seine
Eltern frühstücken. Lars wendet sich zum Frühstückstisch:
"Papa, warum haben die Teletubbies keinen Penis?" Der
Vater ist etwas verblüfft: "Was? Ja, äh, weil die
was an haben." Lars erwidert "Nein". Der Vater überlegt
kurz, dann bietet er eine neue Antwort an: "Na, weil das keine
richtigen Männchen sind." Lars ist zwar nicht besonders
zufrieden mit der Antwort, wendet ich aber trotzdem wieder der Sendung
zu.
Die Kinder bewegt etwas, was sie selber
nicht lösen können. In weiten Teilen ist die Sendung selbsterklärend.
Bei den "Teletubbies" kommen nach Beschreibung der Eltern
und in den natürlichen Rezeptionssituationen relativ wenige
Fragen, außer bei der Animation "Tierparade", wo
die Kinder mehrfach nach bestimmten Tiernamen (z.B. Flamingo) fragen.
Spiele während der Rezeption:Die Sendung muss
nicht zwangsläufig die ganze Zeit im Mittelpunkt stehen. An
einigen Stellen laufen Kinder raus oder beschäftigen sich intensiv
mit etwas anderem.
Anne (3 Jahre) steht
direkt vor dem Fernseher und hält die Po-Puppe in der Hand.
Sie spricht die Teletubbies direkt an: "Hier ist auch ein Po.
Ich hab auch ein Po. Guck mal Teletubbies (laut), Guck mal, Guck
mal, Guck mal." Dies wiederholt sie in den nächsten 5
Minuten mehrere Male, wobei sie immer lauter wird. Anne hat ein
Anliegen: sie will ihre neue Puppe den Teletubbies zeigen. Die Handlung
auf dem Bildschirm verfolgt sie nur insofern, dass sie das jeweils
im Vordergrund stehende Teletubby anspricht. Als sich Tinky Winky,
ohne ihr Anliegen zu erhören, abwendet, sagt sie "Das
geht jetzt nicht" und wartet, bis sich wieder eine Figur mit
der Front zu ihr dreht. Verunsicherung, dass die Teletubbies ihr
nicht direkt antworten, ist zumindest in ihrem Gesicht nicht zu
erkennen. Anne ist in ihre Spielwelt vertieft.
In mehreren Rezeptionssituationen beginnen
die Kinder ein Spiel. Hier mit einer Puppe vor dem Fernseher, manchmal
mit anwesenden Kindern.
Tobias (6 Jahre)
und seine Schwester (1 Jahr) sehen regelmäßig die "Teletubbies".
Mehrfach stupsen die beiden sich vorsichtig mit der Nase an und
kugeln gemeinsam über das Sofa. Gelegentlich verfolgen beide
aufmerksam die Sendung. Dann holt Tobias seine drei "Saban-Plastik-Figuren"
heraus und spielt mit ihnen: "Ich kämpfe, du wirst jetzt
böse. Schnell! Du musst Dich retten." Kurz sieht er wieder
auf den Bildschirm und erklärt der Mutter die Zusammenhänge.
Dann vertieft er sich wieder in sein Spiel auf und unter dem Sofa.
Als die Mutter dies mitbekommt und fragt, ob sie den Fernseher ausstellen
soll, verneint Tobias sehr bestimmt.
Tobias und seine Schwester nutzen die
Sendung u.a. zum gemeinsamen Spiel. Die "Teletubbies" werden
für bestimmte Zeit zum Begleitmedium und scheinen, vor allem
für ältere Kinder, in einer Art Hörspielfunktion attraktiv.
Mehrere Kinder wenden ihre visuelle Aufmerksamkeit zeitweise vom Fernseher
ab, spielen etwas anderes oder verlassen sogar für kurze Zeit
den Raum.
Aufbau der Sendung |
Vorspann |
Kleine
Geschichte |
Auswahlverfahren |
Bauchgeschichte
mit Wiederholung
|
Große Geschichte
im Teletubbyland
|
Tänze/Animation |
Verabschiedung |
Grafik 1
|
Die Erzählstruktur mit
angelegten Aneignungsformen
Die einzelnen "Teletubbies"-Sendungen folgen einer
relativ festen Struktur aus 8 Elementen (vgl. Graphik 1). Allerdings
sind die Elemente 6 oder 7 nur in einigen "Teletubbies"-Sendungen
zu finden. Fast ein Viertel des Programms ist von Sendung zu Sendung
nahezu identisch.
- Element 1: Vorspann (2 Min. 30 Sek.)
Die Babysonne geht auf und die Teletubbies stellen sich mit dem
markanten Teletubby-Lied vor.
- Element 2: Kleine Geschichte im Teletubbyland
(durchschnittl. 1 Min.)
Im Bunker oder in der Hügellandschaft erleben die Teletubbies
kleine Spiele mit sich, den aus den Sprechtröten tönenden
Reimen, den Lieblingsgegenständen oder den Gerätschaften
des Iglus.
- Element 3: Auswahlverfahren (1 Min.
25 Sek.)
Mit einem immer wiederkehrenden Verfahren wird das Teletubby ausgesucht,
in dessen Bauch anschließend der Einspieler mit den Kindern
zu sehen ist.
- Element 4: Bauchgeschichten (2 x ca.
3 Min. 30 Sek.)
Die Einspieler zeigen Kinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren.
Es werden Erlebnisse aus dem häuslichen Bereich, ein Besuch
am Arbeitsplatz der Eltern, Bastelaktionen, Erlebnisse mit Tieren
und Natur oder kleine Filme gezeigt, in denen Erwachsene für
Kinder lesen, ihnen etwas vortragen oder mit ihnen singen. Wenn
die Kinder sich zum ersten Mal verabschieden, rufen die 4 Teletubbies
im Teletubbyland solange "no-mal", bis der Film komplett
wiederholt wird.
- Element 5: Große Geschichte im
Teletubbyland (durchschnittl. 5 Min.)
Durch eine Männerstimme mit den Worten: "Eines Tages
im Teletubbyland ..." eingeleitet, werden Geschichten erzählt.
Aus alltäglichen Begebenheiten, wie beispielsweise dem Wunsch
nach einem Tubbypudding oder Spiele im Freien, z.B. "Drachen
steigen lassen", ergeben sich lustige Vorkommnisse.
- Element 6: Tubbytänze (ca. 2 Min.)
Nach einer einfachen und eingängigen Musik im Viervierteltakt
tanzen die 4 Teletubbies insgesamt 8 verschiedene Tänze.
- Element 7: Vorführungen im Teletubbyland
(ca. 2 Min. 30 Sek. / Bär und Löwe ca. 4 Min.)
Die Teletubbies versammeln sich, um eine der 6 verschiedenen Computeranimationen
oder das Versteckspiel von Bär und Löwe zu verfolgen.
- Element 8: Verabschiedung (2
Min. 30 Sek.)
Die vier Teletubbies verabschieden sich zweimal von den Zuschauenden
und springen schließlich nach einem erneuten Winken in den
Hausberg. Die Babysonne geht unter.
- Zwischenelemente: Sonne und Schwenk
über die Hügel (bis zu 10 Sek.)
Innerhalb und zwischen den einzelnen Elemente erscheint das Gesicht
eines Babys in der computeranimierten Sonne.
In der Rezeption werden die Tubbytänze,
die immer wiederkehrenden "Teletubby"-Szenen in den Elementen
1, 3 und 8 oder die Zwischenelemente nicht hochkonzentriert verfolgt.
Im Unterschied dazu sehen die Kinder - zumindest die älteren
- bei den Bauchgeschichten oftmals wie gebannt auf den Fernseher.
Hierbei sitzen sie meist still, während sie sich bei anderen
Elementen häufig bewegen. Zwischen den typischen Momenten der
Rezeption und den Elementen der Sendung gibt es einen Zusammenhang
(vgl. Graphik 2). Diese Erkenntnis scheint zunächst völlig
banal, ist jedoch für das Verständnis und letztendlich auch
für den Erfolg der "Teletubbies" grundlegend. Die verschiedenen
Elemente legen innerhalb der Sendung verschiedene Formen der Nutzung
nahe.
Typische Momente der
Rezeptionssituation |
Vorspann |
Mitsprechen/
-singen/
-tanzen, Vorhersagen/
Vorwegnehmen,
Antworten |
Auswahlverfahren |
Verabschiedung |
Bauchgeschichte
mit Wiederholung |
Verfolgen,
Antworten (Begrüßung), Bemerken/
Erkennen |
Kleine
Geschichte |
Verfolgen,
Vorhersagen/
Vorwegnehmen,
Bemerken/
Erklären/
Kommentieren,
Mitsprechen |
Große
Geschichte
im Teletubbyland |
Tänze/Animation |
Mittanzen/
Bewegen,
Anderes spielen,
Nachfragen,
Bemerken (Tierparage),
Mitsprechen (Bär/Löwe) |
Grafik 2
|
Bisher wird davon ausgegangen, dass das ideale Rezeptionsverhalten
- wenn es denn schon sein muss – so sein soll, dass das Kind konzentriert
und wie gebannt die erzählte Geschichte verfolgt, d.h. dass es
eine Sendung ansieht, versteht und wenn möglich behält.
Um nun den Blick zu "fangen" und die Aufmerksamkeit zu halten,
werden Farben, Töne und Schnittrhythmen usw. der Wahrnehmung
und dem Aufmerksamkeitsvermögen von Kindern angepaßt. In
lernorientierten Programmen übernimmt ein Moderator die Führung
und erklärt den Zuschauenden die Zusammenhänge der Welt.
Im Fiktion-Bereich übernehmen bestimmte Figuren sowie Dramaturgie
und Kameraperspektive die Erklärungsfunktion. Den jungen Rezipierenden
ist hier eine relativ feste Position zugedacht, in der sie von pädagogisch
verantwortungsvoll handelnden Menschen geführt und belehrt werden.
Die "Teletubbies" bieten hier
etwas Neues an. Was gezeigt wird, ist vereinfacht und abstrahiert.
Die Kameraperspektive lässt den Betrachtenden viel Raum, der
nicht von einem focussierenden Kommentar eingeschränkt wird.
Der ruhige Schnittrhythmus gibt Zeit, auf dem Gesehenen auszuruhen,
es zu verfolgen oder je nach Motivation und individuellem Thema,
die Handlung sogar zu überholen. Dies ermöglicht die Erfahrung
von Kompetenz und aktiviert Kommunikationsformen, wie sie im pädagogisch
intendierten Programm bisher zumindest nicht in dieser Konsequenz
möglich sind. In einigen Elementen, vor allem den Zwischenelementen
und den Tubbytänzen, entlässt die Sendung die Rezipierenden
sogar vom "Bildmagnet Fernsehen" (Böhme-Dürr
1999). Die Kinder wenden ihren Blick ab, spielen etwas anderes oder
bewegen sich. Was auf den ersten Blick wie ein dramaturgisches Mißgeschick
aussieht, ist für die Kinder ein willkommener Freiraum. Gerade
weil die "Teletubbies" von den Zuschauenden etwas anderes
fordern, als nur die fortschreitende Handlung zu verfolgen, sind
sie gerade für Kleinkinder interessant. Viele Eltern wundern
sich über die lange Aufmerksamkeitsspanne und die emotionale
(Ein-) Bindung der Kinder. Sie entsteht, weil die Zuschauenden von
farblich geschickt gewählten Figuren mit einer attraktiven
Körperlichkeit und interessanten Bewegungen immer wieder neu
und direkt angesprochen werden und durch den Aufbau der Sendung
immer wieder unterschiedliche Rezeptionsräume angeboten bekommen.
Die "Teletubbies" sind für die jungen Zuschauenden
ein Magazin. Es besteht aber nicht, wie sonst im Kinderfernsehen
üblich, aus verschiedenen Geschichten, die verfolgt werden
müssen, sondern aus einer Ansammlung von Rezeptionsräumen,
die unterschiedliche Aneignungsformen nahelegen. Die vier Teletubbies
bilden dabei Bindeglieder. Sie sind nicht nur die Protagonierenden,
sondern innerhalb der Sendung der Rahmen für die anderen Elemente.
So sehen die Zuschauenden zusammen mit den Teletubbies die Bauchgeschichten
oder die Vorführungen im "Teletubbyland" an. Dadurch,
dass alle Elemente in der einen oder anderen Form an die Teletubbies
gebunden sind, überträgt sich das Wohlbefinden der Rezeptionssituation
auch auf die Merchandisingartikel und macht unter anderem so die
enorme Nachfrage aus.
2. Die besorgte Sicht der Eltern und Erwachsenen
Angesichts dieser Vielfalt von Aktivitäten
scheint die Sendung harmlos, wenn nicht sogar kompetenzfördernd.
Dennoch ist die Meinung von Erwachsenen über die Sendung geteilt.
Die Positionen der Eltern
Auf die Internet-Umfrage des IZI gingen 248 Antworten ein. Das Alter
der Kinder, deren Eltern sich an der Umfrage beteiligten, lag schwerpunktmäßig
zwischen 1 ½ und 3 ½ Jahren. Auch wenn die hier erreichten Eltern
statistisch sicherlich nicht repräsentativ sind, wird ein Einblick
in ihre Haltung möglich. Sie lässt sich in drei Positionen
untergliedern:
- Die erste Gruppe sind Eltern, fast ausschließlich
Mütter, die die Sendung ablehnen. Häufig argumentieren
sie, dass Kleinkinder ohnehin nicht vor den Fernseher gehören,
doch wenn, sollten es die "Klassiker" des Kinderfernsehens
wie "Die Sendung mit der Maus" oder die "Sesamstraße"
sein. Hier sehen sie ihre Kinder am meisten gefördert
und berichten von der Freude, die sie auch selber an diesen Sendungen
hatten und haben.
- Eine zweite, kleinere Gruppe steht den
"Teletubbies" kritisch und mit einem gewissen Unverständnis
gegenüber. Diese Eltern bemerken eine Differenz zwischen
ihrem eigenen Geschmack und dem der Kinder, und "trotzdem"
lassen sie vor diesem Hintergrund die Kinder meist die Sendung
sehen.
- Die dritte Gruppe findet die "Teletubbies"
gut, bezeichnet sie als kindgerecht und sogar geeigneter für
Fernsehanfänger als die "Sesamstraße". Diese
Eltern sehen sich durchaus mit Gefallen zusammen mit ihren Kindern
die Sendungen an.
Auch im AOL-Chatforum ließ sich eine
derartige Dreiteilung ausmachen. Wenn die zwei Stichproben auch
nur sehr vorsichtig verallgemeinert werden dürfen, so weisen
sie doch darauf hin, dass die Meinung der Erwachsenen in Deutschland
zum Thema "Teletubbies" zumindest geteilt ist. Argumente
hierfür sind neben grundsätzlichen Erziehungsvorstellungen
bestimmte Aspekte der Sendung. In den Begründungen der jeweiligen
Einschätzung werden spezifische Momente der Sendung - wie der
spezielle "Teletubbies"-Sprachgebrauch, die redundante
Erzählstruktur oder etwas, was mit "pädagogischem
Gehalt" umschrieben wird - als Pro oder Kontra angeführt.
Die folgende Tabelle zeigt die Hitliste der angebrachten Argumente
von Erwachsenen für oder gegen die "Teletubbies".
IZI-Umfrage,
248 Beiträge von Eltern:
85 positive, 70 negative,
32 unentschiedene,
61 nicht Eltern oder unseriöse |
|
AOL-Chatforum,
346 Beiträge von Erwachsenen:
109 positive, 132 negative,
34 unentschiedene, 71 unseriöse |
positiv |
negativ |
|
positiv |
negativ |
Die Kinder
sind bei der Rezeption konzentriert, aktiv, denken und machen
mit. (20) |
Kleinkinder
gehören nicht vor den Fernseher. (30) |
1. |
Die "Teletubbies"
sind gewaltfrei. (33) Sie sind besser geeignet als andere
Kindersendungen, oft genannt werden hierbei die "Power
Rangers". (33) |
Die verwendete
Sprache ist ungeeignet und führt zu Sprachstörungen.
(50) |
Die "Teletubbies"
sind geeignet für Kinder, zum Teil sogar eher als andere
Kindersendungen. Häufig genannt "Sesamstraße".
(18) |
Die verwendete
Sprache ist ungeeignet und führt evtl. zu Sprachstörungen.
(26) |
2. |
Die verwendete
Sprache ist gut geeignet und ist nicht gefährlich für
die Sprachentwicklung. (23) |
Die "Teletubbies"
sind eine Verdummung für Kinder. (47) |
Die verwendete
Sprache ist gut geeignet und ist nicht gefährlich, bzw.
fördert sogar die Sprachentwicklung. (14) |
Die "Teletubbies"
nehmen Kinder nicht ernst und sind zu anspruchslos. (12) |
3. |
Die "Teletubbies"
sind Spaß und Unterhaltung für die Kinder ohne
lehrreichen Hintergrund. (11) |
Kleinkinder
gehören nicht vor den Fernseher. (28) |
Die Sendung
ist gewaltfrei. (12) |
Die "Teletubbies"
sind eine bloße Vermarktung der Kinder. (11) |
4. |
Die "Teletubbies"
sind lehrreich und pädagogisch wertvoll. (10) |
Die Sendung
ist nicht lehrreich und hat keinen pädagogischen Gehalt.
(21) |
Das von den Eltern der IZI-Umfrage meist
genannte Argument für die "Teletubbies" ist
die Beobachtung der Kinder während der Rezeption. Das meist
eingebrachte Argument gegen die "Teletubbies" ist,
dass Kinder in diesem Alter nicht vor den Fernseher gehören.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder das "Parken der Kinder",
d.h. der Fernseher in einer Babysitter-Funktion, genannt und abgelehnt.
Pädagogisch engagierte Positionen stehen pragmatischen Überlegungen
der Organisation des Haushalts mit mehreren Kindern gegenüber.
Auf einer tieferliegenden Ebene geht es in den Beiträgen daher
oftmals um die Definition "der guten Mutter" und darum,
inwieweit sich Fernsehen und insbesondere die "Teletubbies"
mit dieser Vorstellung vertragen.
Typisiert argumentierten die die "Teletubbies"ablehnenden
Eltern auf der Basis relativ fester Vorstellungen von Bildungsinhalten
und wie sie erworben werden. Die zu den "Teletubbies"
positiv eingestellten Eltern argumentierten in dem Versuch, die
Perspektive ihrer Kinder nachzuvollziehen. Entsprechend kann insgesamt
gesagt werden: Die Positionierung der Eltern zur Sendung "Teletubbies"
ist eng mit allgemeinen Vorstellungen zum Umgang mit Kindern verbunden.
Dabei werden die jeweiligen Wahrnehmungen und Einschätzungen
von Kindheit und Gesellschaft in die jeweilige Sendung hineinprojiziert.
Die Angst der Erwachsenen vor
dem Sprachverfall
Ein immer wieder genanntes Argument ist der Sprachgebrauch
in der Sendung und seine potentielle Bedeutung für Kinder.
Während die einen Rückschritte in der Sprachentwicklung
befürchten, beurteilen andere Eltern sie als kindgerecht und
sprachfördernd. Beide Einschätzungen beziehen sich interessanterweise
ausschließlich auf den Sprachgebrauch der Teletubby-Figuren.
Der Einsatz der Sprache in der Sendung findet jedoch auf drei Ebenen
statt:
- Die Stimmen von Erwachsenen umrahmen die
Sendung. Der Sprecher (Fabian Harloff) leitet die Szenen ein,
spricht mit den Teletubbies und beschreibt die Handlung. Aus den
Sprechtröten erschallen Lieder und Reime, die von Erwachsenen
vorgetragen werden. Insgesamt sind es einfache kurze Satzkonstruktionen
in hochdeutscher Aussprache.
- In den Bauchgeschichten stehen die Kinder
im Mittelpunkt der Handlung. Sie sprechen während ihrer Aktionen,
kommentieren die Szenen aus dem OFF und benutzen hierbei die Sprache,
die ihrem derzeitigen Sprachschatz und ihren Artikulationsfähigkeiten
entspricht.
- Die Teletubby-Figuren setzen die Sprache
in einer eigenen Form ein. Neben den Teletubby-Ausdrücken
(Ah-Oh, Tubbytoast, Tubbypudding usw.) haben die Teletubbies einen
speziellen Sprachgebrauch. Zum einen sind dies Sprachfragmente
zum Ausdruck der eigenen Befindlichkeit (Oh-Oh, Ohh-Nein, Laalila,
Peidi-Peidi-Po usw.). Zum anderen ist es eine Verkürzung
von Worten ("no-mal" statt "noch mal") und
Satzkonstruktionen. Gelegentlich sprechen die Teletubbies kurze
Sätze vollständig (Was ist das?), meistens lassen sie
Verben und Artikel einfach aus ("Ball wieder" statt
"Der Ball ist wieder da"). Die Figur Laa-Laa hängt
zudem oftmals ein "i" an ein Wort, und die Figur Po
spricht zeitweise bestimmte Konsonanten nicht.
Der Sprachgebrauch der Sendung ist eher
ein Spiel mit Sprache, in dem verschiedene Ebenen ineinandergreifen.
Eltern bemerken die spezielle Sprechweise der Teletubbies, und eine
ganze Reihe befürchtet negative Folgen für die Sprachentwicklung
der Kinder. Die Grundannahme ist hierbei, dass der Sprachgebrauch
der Teletubbies - und nicht etwa der des Sprechers oder der Kinder
in den Bauchgeschichten - sich direkt auf den Spracherwerb auswirken.
Ihre Befürchtungen sehen sie von der Beobachtung ihrer Kinder
bestätigt:
"Der gesamte
KIGA meiner Tochter befindet sich zwischenzeitlich in einer Art
Sprachauflösung. Bald kann gar kein Kind mehr Hallo sagen.
Ich höre schon jetzt fast nur noch Ah-Oh, Ah-Oh." (Ilona
2.07.99)
"Meine Kinder
(5 und 3 Jahre alt) lieben die Tubbies, allerdings begannen sie,
sich schnell auf das Sprachniveau der Tubbies nach unten zu begeben,
worauf die Sendung sofort aus dem Programm gestrichen wurde."
(Petra 30.6.99)
Andere, in ihrer Position eher unentschiedene
Eltern, heben die Bedeutung der Eltern als korrigierende Instanz hervor.
"Sanja (3 Jahre)
sieht für ihr Leben gerne "Teletubbies". (...) Was
mich wirklich stört, ist die vereinfachte Sprache. Ich muss
meine Tochter ständig korrigieren, wenn sie nach einer "Teletubbies"-Folge
anfängt mit "Ah-Oh" oder "Nomal, nomal".
(Kirsten 2.8.1999)
Die Beobachtungen der Eltern stimmen darin
überein, dass Kinder bestimmte Ausdrücke aus der Sendung
mit in ihren Alltag nehmen. Diese Wahrnehmung wird unterschiedlich
gedeutet und führt zu unterschiedlichen Erziehungsmaßnahmen.
"Ah-Oh, Hallo und Grüß
Gott" - Was Kinder aus dem Sprachgebrauch der "Teletubbies"
mit in den Alltag nehmen.
In den Morgenkreisgesprächen erzählen die 3- bis
6jährigen Kinder ebenfalls von der Ausdrucksweise der Teletubbies.
Beispiel:
Interv.: Mhm. Die haben
ja manchmal 'ne ganz eigene Sprache, ne?
Julian: Ah-Oh heißt Hallo!
Interv.: Ah-Oh heißt Hallo. Was sagen die denn noch so?
Torben: Winke-winke heißt, ähm, heißt Tschüs.
Und Hallo, ähm, Ah-Oh heißt Hallo.
Kinder kennen die spezielle Ausdrucksweise
der Teletubbies und übersetzen sie ins Hochdeutsch: "Ah-Oh
heißt Hallo!". Zum Teil diskutieren sie auch über
die Bedeutung, z.B. bei dem "Oh-Oh", dem Überraschungslaut
der Teletubbies. Dies weist darauf hin, dass Kinder die Ausdrücke
nicht mit ihrer eigenen Sprache verwechseln, sondern sie sich wie
Vokabeln aneignen.
Die 2 ½ Jahre alte Lara aus Ingolstadt sieht mit Begeisterung die
"Teletubbies" (s.o.). In den Videoaufzeichnungen
der Rezeptionssituationen singt sie jedesmal das Anfangslied mit.
Dieses endet mit den Worten: "Die Teletubbies sagen Hallo.
(Teletubbies antworten zum Zuschauenden hin:) Ah-Oh." Lara
singt: "Ah-Oh, Hallo und Grüß Gott". Lara benutzt
Grußformeln in drei verschiedenen Varianten. Nach Aussage
der Mutter ist "Grüß Gott" Laras einziges bayerisches
Wort, da die Familie aus Thüringen stammt. Neben der ihr bekannten
Grußformel: "Hallo" (hochdeutsche Grußformel)
verwendet sie zwei neu gelernte: "Ah-Oh" (Teletubby-Grußformel)
und "Grüß Gott" (süddeutsche Grußformel).
Das Lernen dieser Vokabeln ist vermutlich eng mit der redundanten
Narrationsform der Sendung, der Körpersprache der Figuren und
dem Vorwissen der Kinder verbunden. Die Kinder verfolgen die Handlung,
deuten die nonverbale Sprache und verbinden diese mit den neuen
Worten. Schon bald erraten sie die Bedeutung der Teletubby-Vokabeln
und erklären diese. So ist es u.a. auch möglich, fremdsprachliche
Ausdrücke zu lernen. Mehrfach kamen Zuschriften, in denen die
"Teletubbies" in ihrer positiven Bedeutung für Kinder,
die mit mehreren Sprachen aufwachsen, genannt wurden. Bei einer
Familie mit 4 Kindern, die aus beruflichen Gründen mehrere
Monate in Spanien verbringen muss, werden die "Teletubbies"
zum Lernen der ersten spanischen Wörter genutzt:
Das Ergebnis waren
3 Kleinkinder, die binnen 2 Tagen anfingen, Spanisch zu sprechen
(z.B.: "Ist das mein pelota?" (Cornelia 29.08.1999)
Kinder eignen sich die Ausdrücke
der "Teletubbies" an und setzen sie im Alltag ein. Die Ausdrücke
erinnern Erwachsene an eine frühere Entwicklungsphase, so dass
sie dieses Medienhandeln (vgl. Paus-Haase 1998) als ‘Babysprache’,
d.h. noch nicht fertig ausgebildete Sprache, deuten. Eine Reihe von
Eltern und PädagogInnen fühlen sich in ihren Erziehungsbemühungen
korrumpiert. Andere Eltern sehen hierin kein Problem, bezeichnen es
als kurzzeitige Phase oder sehen ihre Kinder hier sogar gefördert.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die "Teletubbies"
nicht zu einer sprachlichen Rückentwicklung, sondern zu einer
Erweiterung des Sprachrepertoires führen. Da diese Wörter
der Vorstellung vieler Erwachsenen von einem ‘richtigen Sprachgebrauch’
widersprechen, unterlaufen die Kinder mit der Integration der "Teletubbies"-Ausdrücke
die dominante Vorstellung von dem, wie Kinder in ihrer sprachlichen
Entwicklung voranschreiten sollten. Die Aneignung der "Teletubbies"-Ausdrücke
ist also vor allem ein Problem der Erwachsenen, die ihre Definitionsmacht
hinsichtlich der vom Kind benutzten Vokabeln untergraben sehen.8
Da insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen bemüht
ist, die Vorstellungen von Erwachsenen zum Kinderfernsehen zu berücksichtigen,
markieren die "Teletubbies" durchaus einen Wendepunkt. Das
Argument, eine vor allem für Kinder attraktive Sendung anzubieten,
ist dabei genauso nachvollziehbar, wie das Gefühl von einigen
Eltern mit festen Vorstellungen über Bildung und Erziehung, der
Kinderkanal ARD/ZDF sei nicht mehr auf ihrer Seite.
Wie nutzen die Kinder den Sprachgebrauch
der "Teletubbies"?
Wenn Kinder Wörter der "Teletubbies" wie
zusätzliche Vokabeln lernen und sie zu ihrer Sprache hinzufügen,
bleibt zu fragen, wozu sie diese Wörter einsetzen. Hierzu einige
Beispiele aus der Studie:
- Eine typische Wortwendung
als Spielanlaß
Kay und Chantal bezeichnen sich im freien Spiel beide als Laa-Laa.
Zunächst spielen sie mit zwei anderen Kindern mit einem großen
Ball. Als die beiden anderen Kinder sich abwenden, erklärt
Kay: "Komm wir sagen jetzt: Laa-Laa mit Ball spielen".
Daraufhin beide: "Laa-Laa mit Ball spielen". Sie schubsen
den Ball und laufen ihm quietschend hinterher. Es folgt ein Rollenspiel,
in dem Bewegung das zentrale Moment ist.
Im freien Spiel wird der Sprung in den
"Teletubbies"-Sprachgebrauch zum Spielanlaß und eine
typische Phrase der Sendung zum Rahmen für ein bewegungsorientiertes
Spiel.
- Die Sprache der "Teletubbies"
als Geheimsprache
In der dritten Klasse einer Reformschule wird die Sprache der
"Teletubbies" bzw. eine Interpretation davon
zur Geheimsprache. In den Pausen sprechen die 4 fest befreundeten
Jungen in einer Art Babysprache, die sie Teletubby nennen. Die
Eltern der 4 Jungen regen sich hierüber auf, was die Freunde
jedoch nur noch fester zusammenschweißt. Kommen Mädchen
oder Lehrerinnen in der Pause zu ihnen, sind sie stumm und kichern
los, wenn die Außenseiterinnen wieder weg sind.
Der Medienbezug wird zum Pausenspaß,
wobei die geheime Sprache zur Gruppenbildung und Abgrenzung genutzt
wird.
- Die Teletubby-Sprechweise
als Abwehrmechanismus
In einem Fall berichtet eine Mutter, wie die Sprache der Teletubbies
sich negativ auf die Fähigkeit ihres 5jährigen Sohnes,
Wörter auszusprechen, auswirkte. Der Sohn ist in der Sprachtherapie.
In den Sommerferien sieht er mit seiner Schwester die Sendung
und die Mutter nimmt Veränderungen wahr: "Die Wörter,
die er richtig spricht, kamen auf einmal falsch raus. (...) jetzt
wo er in den KiTa wieder geht, redet Andreas wieder vernünftig.
GOTT sei DANK!! (...)" (Bettina, 21.08.1999) Auf direktes
Nachfragen führt die Mutter die Zusammenhänge weiter
aus: "Andreas hat sich dadurch verschlechtert, indem er die
Teletubbies nachgeäfft hat. Die sprechen ja auch nicht richtig,
und vor allem nicht klar und deutlich. Das hat Andreas nachgeahmt."(Bettina
23.08.1999)
Ein Fünfjähriger, der in Sprachtherapie
ist, "äffte" in den Sommerferien die Sprache der Teletubbies
nach. Die Probleme der Mutter sind nachvollziehbar. Vermutlich ist
der Alltag der Familie durch die Bemühungen gekennzeichnet, den
Jungen zum deutlichen Sprechen zu animieren, wozu sie auch professionelle
Hilfe in Anspruch nehmen. Nachdem Andreas die "Teletubbies"
sah, ist es durchaus denkbar, dass er die einfacher auszusprechenden
Wörter der Teletubbies in seinen Wortschatz dankbar aufnahm.
Vermutlich nutzte Andreas die "Teletubbies" als eine Art
Rückzugsraum, um sich (gerade in den Sommerferien) den Bemühungen
der Mutter zu entziehen.
Kinder setzten die "Teletubbies"-Ausdrücke subjektiv
sinnhaft ein. Die Wortwendungen werden beispielsweise zum Spielanlaß,
zur Geheimsprache oder zum Abwehrmechanismus.
Das Spiel mit Geschlechterklischees
Weniger direkt an den Erziehungsvorstellungen als an den
eigenen Erfahrungen orientiert sind die Wahrnehmung und Einschätzung
der Geschlechterinszenierung. In der offiziellen Lesart sind die
beiden größeren Teletubbies Tinky Winky und Dipsy Jungen-Figuren
und Laa-Laa und Po Mädchen-Figuren. Anders als bei Kinderprogrammen
üblich, sind die Mädchen-Figuren nicht durch spezielle
Kennzeichen wie Schleifchen oder sexualisierte Merkmale gekennzeichnet.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Geschlechter hätten
oder nicht auf Geschlechterritualen aufbauen würden. Gitta
Mühlen Achs weist mit Bezug auf Goffman die besondere Bedeutung
der Körpersprache in medialen Inszenierungen nach (vgl. Mühlen
Achs 1998, 1995). Vor allem Dipsy und Laa-Laa greifen in ihrer Körpersprache
eine bestehende Ritualisierung zur Inszenierung von Geschlecht auf.
Dipsy steht oftmals breitbeinig und zeigt expressive energische
Gesten. Laa-Laa hingegen präsentiert sich mit balletteusen
Bewegungen und einem Körperstand, der sie als "typisches
Mädchen" ausweist. Die Bewegungen von Po hingegen sind
weit weniger grazil. Oftmals steht sie breitbeinig oder springt
im Schlußsprung auf und ab. Tinky Winky gestikuliert weniger
als die anderen Teletubbies und seine Bewegungen sind etwas tapsig.
Die Lieblingsgegenstände der drei kleineren Teletubbies (Dipsy:
Hut, Laa-Laa: Ball, Po: Roller) sind nur bedingt geschlechtertypisch
belegt. Tinky Winkys rote Damenhandtasche hingegen ist ein "weibliches"
Accessoire. Während die Figuren Laa-Laa und Dipsy eher den
bestehenden Stereotypen von Mädchen und Junge entsprechen,
erweitern sich bei Tinky Winky und Po spielerisch die vorherrschenden
Geschlechterklischees.
In der Rezeption führt dies zu einer erstaunlichen Entwicklung.
Für Erwachsene ist die Figur Tinky Winky mit seiner Handtasche
verwirrend. Nicht nur Reverend Falwell, sondern auch eine Reihe
von Müttern in der Umfrage fühlen sich von dieser Kombination
gestört. Die Vorstellung, ein Mitglied der dominanten Gruppe
(Männer) würde sich freiwillig ein Accessoire der subdominanten
Gruppe (Frauen) aneignen, paßt nicht in ihr Deutungsmuster,
es sei denn im Kontext einer abweichenden "Männlichkeit"
(subdominante Gruppe Männer mit homosexueller Orientierung).
Für die Kinder ist Tinky Winky in seiner Geschlechterzugehörigkeit
eindeutig ein Junge. Einig sind sie sich auch bei Laa-Laa, die sie
alle als Mädchen bezeichnen. Für Kinder ist Po die Figur,
deren Geschlechterzugehörigkeit nicht eindeutig ist. Fast alle
Kinder sprechen im Spiel und in den Erzählungen von ihr in
der maskulinen Form. Werden ältere Kindergartenkinder und Grundschüler/innen
direkt auf die Figur angesprochen, so formulieren sie, dass Po ein
Mädchen ist. Wenig später, in den Nacherzählungen
besonders spannender Folgen, sprechen sie jedoch schon wieder von
ihr in der maskulinen Form. Selbst Mädchen der dritten Klasse
sprechen von "dem Po", ähnlich wie die Kinder in
den Briefen, die sie an das Magazin schreiben.9
Vermutlich ist die Benutzung der männlichen Form durch den
geschlechterspezifisch
neutral gehaltenen Namen Po und ihre für Medieninszenierung
ungewöhnliche Körpersprache mitbedingt. Fernseherfahrene
Kinder sind zudem gewohnt, dass alle positiv besetzten Figuren selbstverständlich
männlich sind, wenn sie nicht offensichtliche "weibliche"
Merkmale tragen.
In der Aneignung der Figuren in den Spielaktionen zeigen sich weitere
spannende Momente. Nachdem die Kinder sich mit den Stoffkissen ein
Teletubbyland gebaut haben, spielen sie frei mit den "Teletubbies"-Puppen.
Anschließend kommt die Spielaufforderung, selber ein Teletubby
zu sein. Die Mädchen wollen vor allem Laa-Laa, aber auch Po,
Tinky Winky und in einem Fall Dipsy sein. Die Jungen wählen
vor allem Po, manchmal Tinky Winky und Laa-Laa, in wenigen Fällen
Dipsy. Auch im Alltag richtet sich das Interesse der Kinder nicht
automatisch auf die gleichgeschlechtliche Figur. So findet Anne
(3 Jahre) Tinky Winky am interessantesten. Ihr handlungsleitendes
Thema ist es, groß zu sein und Kompetenz zu beweisen. Ein
italienischer Junge liebt Po über alles – Ricardo (3 ¼ Jahre)
füttert liebevoll seine Laa-Laa Puppe.
Bisher dominiert in der Rezeptionsforschung die Vorstellung von
zwei getrennten Welten: einer auf Harmonie und Gemeinsamkeit konzentrierten
Mädchen-Medien-Welt und einer auf Kampf und Abgrenzung spezialisierten
Jungen-Medien-Welt (vgl. z.B. Paus-Haase 1998, S. 9). Bei den Programmverantwortlichen
wird davon ausgegangen, dass für Mädchen Aneignungsprozesse
vor allem mit den wenigen Mädchen- und Frauen-Figuren und unter
bestimmten Bedingungen mit den Jungen- und Männer-Figuren möglich
sind. Für Jungen hingegen wird selbstverständlich angenommen,
ihnen böten die weiblichen Figuren so gut wie nichts.10
Dies ist angesichts der stereotypen Rollenverteilung im Kinderfernsehen
nachvollziehbar, doch ist dies eben auch eine sich selbst erfüllende
Prophezeiung. Im Kinderalltag haben sich die Varianten der Erfahrung
mit Frauen und Männern vervielfältigt. Das Puzzelling-Gender,
der spielerische Umgang mit Geschlechterklischees, ist heute bereits
Teil der Kindheit. Der Beitrag einer Mutter hierzu:
"(...) Wer Kinder beobachtet,
sieht, dass Jungs gerne Make-up tragen wie ihre Mütter und
Mädchen sich das Gesicht rasieren wie ihre Väter, also
trägt Tinky-Winky eine rote Tasche. Mein Sohn und meine Tochter
streiten sich, wer meine Handtasche tragen darf. Ja und? Das ist
normal. (K.Rykowski)
Die "Teletubbies" als Teil
der individuellen Bedeutungskonstitution
Die Rezeption und Deutung der Sendung ist Teil der Medienaneignung
und damit Teil der individuellen Bedeutungskonstitution. Bei den
Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen mit Medien durchdringen
sich individuelle Themen, sozialer Kontext, die Biographie und das
spezifische Medium in ihren intertextuellen Einbindungen im Medienmarkt
(Bachmair 1996). Eltern sehen ein Medium, das in vielen Dingen von
dem Selbsterfahrenen und Bekannten abweicht. Sie selber sind mit
den Programmen "Die Sendung mit der Maus" und "Sesamstraße"
aufgewachsen und erfuhren sie als freudevoll und unschädlich.
In der öffentlichen Diskussion wurde und wird das Thema Kinder
und Fernsehen problematisiert und vor schädlichen Folgen gewarnt.
Da die Eltern die "Klassiker" selber erfahren und für
sich - oftmals auch entgegen der öffentlichen Debatte - als
unschädlich konstatieren konnten, ist es ihnen möglich,
hier eine eigene Position zu beziehen.
Die "Teletubbies" sind im Fernsehmarkt eine ungewöhnliche
Erzählform, die mit dem bisherigen Verständnis für
ein pädagogisch intendiertes, unterhaltendes oder aufregendes
Kinderprogramm kaum zu fassen ist. Hinzu kommt die Erweiterung der
Zielgruppe und der damit verbundene Tabubruch im deutschen Fernsehen.
Hier berühren die "Teletubbies" tieferliegende Ängste
und greifen die "letzte sichere Bastion frühe Kindheit"
(Vgl. Howard & Roberts in diesem Heft) an. Presse und kommerzielle
Sender nutzen die Gelegenheit, berichten über die Sendung in
dem jeweils üblichen emotionsgeladenen und betont kritischen
Stil.11Der privat-kommerzielle
Sender SAT.1 strahlte sogar eine Fernsehtextseite aus, in der von
der steigenden Zahl notwendiger Sprachtherapien aufgrund des "Teletubby"-Konsums
berichtet wird. Hier werden potentiell vorhandene Ängste der
Menschen aufgegriffen. (Schließlich geht es auch der Presse
und SAT.1 vor allem darum, Leser/innen zu behalten und zu gewinnen.)
Eltern möchten ihren Kindern einen möglichst guten Start
ins Leben bieten. Was die Eltern sich darunter vorstellen, ist individuell
unterschiedlich. Sie selber können aufgrund ihrer eigenen (Fernseh)Erfahrungen
die "Teletubbies" schwer einordnen und suchen nach Orientierung.
Die öffentliche Diskussion erfahren sie vor allem als kritische
Berichterstattung. In der Rezeptionssituation erleben Eltern ihre
Kinder in einer zum Teil bis dahin noch nicht gekannten Faszination.
Sie verwenden ihre bisherigen Deutungsmuster und beschreiben die
"Teletubbies"-Begeisterung ihrer Kinder zum Beispiel mit
Vokabeln wie Drogensucht oder Hypnose.
Für Vorschulkinder, die zum Teil erst mit den "Teletubbies"
ihre Fernseherfahrungen machen, entsteht die Problematik der Deutung
gar nicht. Sie nehmen das Spiel mit der Sprache und der Inszenierung
von Geschlecht selbstverständlich an. Die ästhetische
Gestaltung oder die redundante Dramaturgie ist für Kinder oft
gar kein Thema, es sei denn im Erstkontakt (vgl. Best in diesem
Heft). Erst mit dieser Serie entstehen ihre Deutungsmuster, ihre
ästhetische und narrative Erfahrung, weil eine ganze Reihe
von Kindern mit den "Teletubbies" ihre Fernsehzeit beginnen.
Durch die Verschiebung der Sendezeit auf den Abend werden die "Teletubbies"
und das "Sandmännchen" für viele das Einzige,
was sie regelmäßig sehen dürfen. Dieses Vorschulprogramm
wird also zumindest in Deutschland die Fernseherfahrungen einer
ganzen Kleinkindergeneration prägen - mit sicherlich weitreichenden
Konsequenzen.
Die "Teletubbies": Eine
Kindersendung am Nerv der Zeit
Die "Teletubbies" sind am Zahn der Zeit. Sie
treffen pädagogisch und ökonomisch konsequent den "Nerv"
der Kinder mit Fingerspitzengefühl, Intuition und einem Quentchen
Glück. Sie treffen aber auch blank liegende Nerven der Zeit.
Für die Eltern ist es nicht nur die Last, mit dem Thema Fernsehen
und Konsumangebot immer früher umgehen zu müssen, sondern
ihnen fehlen vor allem Deutungsmuster, um dieses Programmformat
verstehen und einordnen zu können. Spätestens bei den
"Teletubbies" wird vielen klar, dass sie die Kinderkultur
nicht mehr selbstverständlich aufgrund ihrer eigenen Kindheitserfahrungen
verstehen können. Dies wäre mit zunehmendem Alter der
Kinder ohnehin gekommen, doch jetzt werden auch noch die mythisierten
ersten drei Lebensjahre angegangen. Andere Medien greifen diese
Ängste auf und machen - ebenfalls nur ökonomisch konsequent
- mit mehr oder weniger gut recherchierten Geschichten ihren Profit.
Die "Teletubbies" in diesem Geflecht als gut oder
schlecht beurteilen zu wollen, heißt immer auch "den
Zahn der Zeit" zu bewerten. Diese Fernsehreihe ist eine Innovation,
die mit Risiko für alle Beteiligten verbunden war. Sie ist
geglückt, hat der Produktionsfirma Ragdoll, BBC-Worldwide,
Itsy-Bitsy Entertainment u.a. sehr viel Geld gebracht und Familien
und Kindergärten in aller Welt vor das gleiche Problem gestellt:
Sie müssen einen Weg finden, das Thema "Teletubbies"
zu deuten, einzuordnen und zu bewältigen.
ANMERKUNGEN |
1
Die Spiel- und Malaktionen im Kindergarten wurden von Bärbel
Kopp initiiert und durchgeführt. Die Morgenkreisgespräche
und Falluntersuchungen in Familien fanden in Zusammenarbeit mit
Dipl.-Oec. Ole Hofmann statt, der auch die 90 "Teletubbies"-Folgen
der ersten Staffel inhaltsanalytisch untersuchte.
2 Durchgeführt in
Zusammenarbeit mit Dipl.-Oec. Ole Hofmann.
3 In gewisser Weise erinnert
dieses Setting an experimentelle Forschungen zur Medienwirkung.
Die Auswertung dieser Studie findet jedoch vor dem Hintergrund eines
theoretischen Ansatzes qualitativer, alltagsorientierter Rezeptionsforschung
statt (vgl. Bachmair 1996, Mikos 1994). Im Unterschied zu der australischen
Studie von Susan Howard und Susan Roberts (vgl. Ankündigung
in diesem Heft) sehen die Kinder in ihrem Alltag verschiedene Folgen
der ersten Staffel. Schon von daher liegt der Schwerpunkt nicht
auf der "Wirkung" einzelner Aspekte einer bestimmten Folge,
sondern ist auf typische Momente der "Teletubbies"-Rezeption
im allgemeinen angelegt.
4 Durchgeführt mit
Unterstützung von Maria Monninger, Dieter Graßberger,
Bärbel Kopp und Wolfgang Vogt.
5 Urbia.de / eltern.de
/ familie.de / familie-online.de / family.acw.at / elternnetz.de
/ elternwelt.de / kidnet.de / hausfrauenseite.de / babyzimmer.de
/ rund-ums-baby.de
6 Erzählanlaß
im Morgenkreisgespräch in Kindergarten und Grundschule ist
ein Korb mit verschiedenen Merchandising-Puppen. Neben den Teletubbies
gibt es Maus und Elefant aus der "Sendung mit der Maus"
oder Tigger und Ferkel von "Winnie Puuh", Ernie
und Bert aus der "Sesamstraße" oder Rudi
den Raben aus "Siebenstein" usw.. Die Kinder wurden
gebeten, sich eine Figur herauszunehmen und über die Sendung
und die Geschichten zu erzählen.
7 In der Umfrage an die
Eltern wird deutlich, dass die Sendung nicht nur von fernsehgewohnten
Kindern eingeschaltet wird, sondern viele bisher höchstens
mitsehende Kleinkinder zum gezielten Fernsehen bringt.
8 Bei anderen Sendungen
wie "Sesamstraße" tritt dieses Problem nicht
auf. Auch hier werden Worte aus der Sendung in den Alltag mitgenommen.
Hierzu gehören neben dem Lachen von Ernie die Zahlen von 1-30
oder die Benennung der Buchstaben. Dieses entspricht der dominanten
Vorstellungen der Eltern von einem sinnvollen Lerninhalt. Grundschullehrer/innen
beschweren sich schon seit vielen Jahren über "Sesamstraßen-verdorbene
Kinder". Für den Erstleseunterricht ist die Benennung
des Konsonanten "F" als "ef" hinderlich und
die Kinder müssen ob dieses Vorwissens ermahnt werden. Wenn
Lesen noch über Einzelbuchstaben gelernt wird, dann wird der
Buchstabe "F" lautiert. Die Buchstabenbezeichnungen, die
Kinder aus der "Sesamstraße" lernen, ist für
die dominante Vorstellung jedoch unproblematisch. Daher sehen Eltern,
anders als Grundschullehrer/innen, hier kein Problem, denn die Definitionsmacht
der Eltern wird nicht unterlaufen.
9 In den Briefen sprechen
viele der Schreiberinnen Po in der maskulinen Form an. Hierbei zeigt
sich eine auffällige Ähnlichkeit zu Fan-Briefen 9- bis
11jähriger Mädchen an Boygroups und es deuten sich Formen
parasozialer Beziehungen (Vgl. Götz 1999) an.
10 Albert Schäfer
spricht von einem ehernen Gesetz des Kinderfernsehens: "Bei
Produktionen mit fiktiven Heldinnen läuft man immer Gefahr,
die Jungen vor dem Fernsehapparat auszuschließen" (zitiert
nach Gangloff, 1999)
11 Eine der wenigen
Ausnahmen hierzu ist die Zeitschrift "Familie & Co",
die versucht, Eltern die Begeisterung ihrer Kinder für die
Sendung verständlich zu machen. (Familie & Co Heft 6/1999)
LITERATUR |
- Bachmair, Ben: Fernsehkultur. Subjektivität
in einer Welt bewegter Bilder. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996,
357 S.
- Böhme-Dürr, Karin: Bildmagnet
Fernsehen. In: TelevIZIon,12/1999/1, S. 19-24.
- Brudny, Wolfgang: Die "Teletubbies".
Verunsichern sie die Medienpädagogen? In: TV-Diskurs, -/1999/Oktober,
S. 67-73.
- Gangloff, Tilmann: Lauter Superhelden
und Sexbomben. Schon in den Sendungen des Kinderfernsehens dominieren
die Geschlechterklischees. In: Stuttgarter Zeitung vom 17.09.1999.
Götz, Maya: Mädchen und Fernsehen. Facetten der Medienaneignung
in der weiblichen Adoleszenz. München: KoPäd 1999, 400
S.
- Groebel, Jo: Stimmungsfernsehen,
Wohlfühlfernsehen, ohne Angst vor Überzuckerung. Kinderkanal
ARD/ZDF Pressemappe zu den Teletubbies 1999.
- Horten, Donald;
Wohl, Richard: Mass communication and para-social interaction.
Observations on intimacy at the distance. In: Psychiatry, 19/1956/3,
S. 215-229.
- Mikos, Lothar: Es wird dein Leben!
Familienserien im Fernsehen und im Alltag der Zuschauer. Münster:
MAkS Publikationen 1994, 475 S.
- Mühlen Achs, Gitta: Frauenbilder.
Konstruktionen des anderen Geschlechts. In: Mühlen Achs,
Gitta ; Schorb, Bernd (Hrsg.): Geschlecht und Medien. München:
KoPäd 1995.
- Mühlen Achs, Gitta: Geschlecht
bewußt gemacht. Körpersprachliche Inszenierungen. München:
Frauenoffensive 1998, 142 S.
- Paus-Haase, Ingrid: Heldenbilder
im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Symbolik von Fernsehfavoriten.
Opladen u.a.: Westdeutscher Verlag 1998, 322 S.
DIE AUTORIN |
Maya Götz, Dr. phil., ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin im Internationalen Zentralinstitut für das Jugend-
und Bildungsfernsehen, München.
maya.goetz@brnet.de
www.maya-goetz.de
INFORMATIONEN |
Internationales
Zentralinstitut
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und Bildungsfernsehen
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Fax.: 089 - 59 00 23 79
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COPYRIGHT |
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für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) 2000-2002
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