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Publikationen  TELEVIZION   Ausgabe 15/2002/2



Ole Hofmann/Oliver Schmid



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Wertschöpfungskette Kinderfernsehen

Strukturen des deutschen Kinderfernsehmarkts

Kinderfernsehen entsteht in einem komplexen System, in dem zahlreiche Firmen und Betriebe unternehmerisch tätig sind. Anhand von Experteninterviews mit Verantwortlichen aus allen Bereichen wird ein erster Überblick über die Marktsituation der am Kinderfernsehen beteiligten Unternehmen gegeben. Die Analyse folgt dabei dem Entstehungsprozess des Kinderfernsehens entlang seiner Wertschöpfungskette.

In den Anfängen des bundesdeutschen Fernsehens lagen zumeist alle Bereiche der Produktionskette - von der Finanzierung einer Sendung bis zur Ausstrahlung - in der Hand der öffentlich-rechtlichen Sender. Mit der Einführung des kommerziellen Fernsehens und der folgenden Erweiterung der Programmleistung ging eine deutliche Ökonomisierung der Fernsehproduktion einher, die auch im Kinderfernsehen zu starken Wandlungen in den Produktionsprozessen führte. Die ehemals zentrale Rolle der Sender ging verloren, "die Bedeutung von Produzenten und vor allem Lizenzagenturen nimmt enorm zu. Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Gesamtfinanzierung zustande zu bringen, die das Fernsehen nicht mehr leisten kann" (Grewenig 1994, S. 58).
Heutzutage stellt sich die Fernsehproduktion - auch die des Kinderfernsehens - als ein komplexes System von Autoren, Verlagen, eigenständigen und abhängigen Produktionsfirmen, Sendern, Lizenz- und Werbezeitenvermarktern sowie weiterer Beteiligter dar.
Die theoretische Durchleuchtung dieses Systems und tiefer gehende Analysen der ökonomischen Zusammenhänge in diesem Bereich bietet die einschlägige Literatur der Medienökonomie (u.a. Heinrich 2002), die durch empirische Studien um aktuelle Zahlen des deutschen Rundfunksystems bereichert werden (u.a. DIW 2002). Der Bereich des Kinderfernsehens fällt in dieser allgemeinen Perspektive jedoch wegen seiner geringen Größe und der schwierigen Abgrenzung zu anderen Bereichen weitestgehend heraus. Einzelne ökonomische Aspekte des Kinderfernsehens, wie die Werbe- oder Gebührenfinanzierung, Licensing oder Merchandising, finden sich in der einschlägigen Literatur zum Kinderfernsehen (vgl. u. a. Eßer 1998, zu Salm 1998). Mit der Vergleichsstudie "The business of children's television" liegt auch eine Datensammlung zur wirtschaftlichen Situation des internationalen Kinderfernsehens vor (Westcott 1999, 2001).
Die Komplexität der Produktionsbedingungen und -verflechtungen, in der Kinderfernsehen in Deutschland entsteht, wird in diesen Analysen nur bedingt sichtbar. Hier setzt die im Nachfolgenden vorgestellte Untersuchung an, die versucht, die ökonomischen Zusammenhänge aus der Sicht der Beteiligten abzubilden und so einen ersten Eindruck von der Komplexität des ökonomischen Systems Kinderfernsehen zu vermitteln.
Im Rahmen der IZI-Studie "Kinderfernsehen zwischen Markt, Alltag und öffentlicher Diskussion" wurden Telefoninterviews mit Verantwortlichen aus insgesamt 86 Unternehmen geführt, die im Bereich Kinderfernsehen tätig sind.1 Die offenen Fragen zielten auf das Firmenprofil - mit besonderer Berücksichtigung der Tätigkeitsfelder und der Beziehungen zu Lieferanten und Kunden (Einkauf und Absatz), die Wahrnehmung der Wettbewerbssituation sowie die Bedeutung ausländischer Unternehmen für die Arbeit. Die erhobenen Auskünfte wurden zu Gruppen ähnlicher Arbeitsprozesse bzw. Produktarten zusammengefasst. Durch diese Gruppierung ließ sich die Wertschöpfungskette des deutschen Kinderfernsehens mit konkretem Material nachzeichnen und durch Aussagen der "Insider" weiter differenzieren.2

Die Wertschöpfungskette des deutschen Kinderfernsehens
Aus ökonomischer Perspektive von Produktions- und Wertschöpfungsfunktionen, gliedern sich die Prozesse, die zum Produkt "Kinderfernsehen" führen, in unterschiedliche Bereiche. Diese Stufen der Wertschöpfungskette (vgl. Abb. 1)

Abb. 1

sind durch ähnliche Arbeitsprozesse bzw. Produktarten gekennzeichnet - ihre Grenzen ergeben sich durch klare Produktbeschreibung und Produktionsfunktionen. Die grundlegenden Arbeitsschritte zum "Kinderfernsehen" führen dabei von der Idee zu einem Programm (Autoren), über dessen Umsetzung als Sendematerial (Programmproduktion) hin zur Ausstrahlung (Sender) und damit zur Aufmerksamkeit bei den Zuschauern. Im Zuge zunehmender Spezialisierung haben sich Unternehmen an den Nahtstellen der Bereiche Autoren - Produktion (Verlage), Produktion - Sender (Distributoren) und Sender - Werbetreibende (Werbevermarkter, Lizenzhändler, ...) angesiedelt, die als Zwischenhändler oder Dienstleister einen reibungslosen Übergang in der Wertschöpfungskette sichern.

Autoren
Das Ausgangsmaterial des Produkts "Fernsehen" ist immateriell. Es sind die Ideen zu neuen Figuren und Charakteren bzw. von Geschichten und Begebenheiten für diese Settings. Daneben handelt es sich wahlweise auch um Stoffe, die aus anderen Bereichen (Literatur, Kultur, Religion, ...) entlehnt oder entnommen sind. Autoren entwickeln neue bzw. greifen bestehende Ideen auf und bereiten sie in Figuren, Skripten, Drehbüchern oder Skizzen für die Programmproduktion auf. Entsprechend stehen die Autoren am Anfang der Wertschöpfungskette.

Das Ausgangsmaterial
des Produkts "Fernsehen"
ist immateriell

Zwar wurden im Rahmen der Untersuchung die Autoren selbst nicht befragt, doch lässt sich aus den Aussagen der wirtschaftlich angrenzenden Betriebe ihr Profil in der Wertschöpfungskette rekonstruieren:3 Die Nachfrage nach guten, innovativen Ideen ist hoch und laufend wird neues Material benötigt. Rein zahlenmäßig gibt es ein Überangebot an Autoren im Markt. Gleichzeitig besteht aber eine konstante Nachfrage nach wirklich herausragendem Material, die qualitativ nicht immer gedeckt ist. Diese Situation scheint dazu zu führen, dass Autoren mit gutem Ruf und treuen Kunden auch gefragt sind. Dagegen haben Neueinsteiger mit großen Markteintrittsbarrieren zu kämpfen, und wer nicht wirklich gut ist, hat langfristig nur wenig Chancen.4 Allerdings wird ihre Lage durch zahlreiche Kurse, Wettbewerbe und andere Förderung gemildert, die u.a. mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Die Autoren lassen sich zumeist über Verlage vertreten oder sind als freie Mitarbeiter bei Produktionsfirmen angestellt.

Verlage
Auch wenn ein Teil der Autorenleistung direkt für Produktionsfirmen erbracht wird, haben sich an dieser Schnittstelle Verlage etabliert, die sich auf die Vermittlung zwischen Autoren und Produzenten als potenzielle Abnehmer der generierten Ideen spezialisiert haben (z.B. die Baumhaus Medien AG oder der Verlag der Autoren). Trotz dieser eher vertriebsorientierten Tätigkeit kommt es oftmals vor, dass sie ihre Autoren als Mitarbeiter verstehen. In der Regel sind Verlage aber eher kleine Betriebe mit nur wenigen fest angestellten Mitarbeitern. Ihre Einnahmen erzielen sie hauptsächlich mit zeitlich beschränkten Auswertungslizenzen - die kompletten Rechte werden nur selten und ungern abgegeben. Vielmehr werden die Stoffe in der Hoffnung auf ein mögliches Revival gehalten (Zitat). Durch Sprachbarrieren ist die Tätigkeit einiger Firmen auf den deutschen Raum begrenzt.
In der Untersuchung waren keine Verlage zu finden, die sich einzig auf den Kinderfernsehmarkt spezialisiert haben. Vielmehr liegt die Kernkompetenz dieser Verlage wahlweise in den Bereichen Kinderbuch oder (Erwachsenen-)Film/Fernsehen. Dennoch sehen sie sich untereinander weniger als Konkurrenz, sondern betrachten ihre Mitbewerber eher als Kollegen.

Produktionsfirmen
Der größte Teil der von uns befragten Unternehmen ist mit der Umsetzung von Ideen in sendefähiges Material beschäftigt. Dabei kann es sich um größere Firmen wie das Studio Hamburg handeln, aber auch um Ein-Mann-Betriebe, wie zum Beispiel die G.G.-Film, die nur im Produktionsfall eine große Zahl freier Mitarbeiter beschäftigen. Neben den Stoffen, die sie direkt von Autoren bzw. über Verlage beziehen, benötigen Produktionsfirmen für ihre Arbeit Produktionstechnik, wie Studio, Kamera, Beleuchtung, Animationscomputer, Lichttisch bzw. in der Postproduktion Schnitt- und Tonbearbeitung. Hinzu kommt eine Palette weiterer Kreativleistungen, wie Regie, Darstellung, Zeichnung, Kamera oder Ton. Soweit es in der Produktion um Real-Aufnahmen geht, spielt über die Darsteller ein starker menschlicher Faktor eine Rolle. Bei der Arbeit mit Kindern kommen zusätzlich noch arbeitsrechtliche Faktoren hinzu, die starken Einfluss auf die Produktionsfunktion haben. Den für die Produktion nötigen Ausgaben stehen auf der Einnahmenseite Erlöse aus dem Verkauf der Senderechte gegenüber. Je nach Auftragsart gehen die Rechte direkt an Sender oder an deutsche bzw. international arbeitende Distributoren. Soweit die Produktionsfirmen über die entsprechenden Rechte verfügen, werden teilweise auch Merchandising- bzw. Licensing-Rechte an entsprechende Agenturen veräußert.
Nur in etwa einem Fünftel der Fälle handelt es sich dabei jedoch um Produktionen auf eigene Kosten und eigenes Risiko. Eine viel größere Rolle spielen Koproduktionen, bei denen einer oder mehrere Produzenten sich die Finanzierung der Projekte von vornherein mit Sendern und zum Teil auch öffentlichen Förderstellen, etwa der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), teilen. Ebenso wichtig sind reine Auftragsproduktionen. Einige Spezialisten im Bereich Postproduktion, Trailer oder Filmmusik, wie zum Beispiel der Alpha Ton Musikverlag, arbeiten sogar ausschließlich auf Auftragsbasis, sie beklagen jedoch den mit dieser Unabhängigkeit einhergehenden schärferen Wettbewerb. Firmen, die neben der reinen Produktion in den angrenzenden Bereichen (Stoffentwicklung, Vertrieb) tätig sind, haben - nach eigener Wahrnehmung - auf dem Markt eine etwas bessere Position.
Allgemein ist die Konkurrenzlage im Bereich der Produktionsfirmen von dem Überangebot an Kapazitäten geprägt, dem die begrenzten Sendezeiten auf der Kundenseite wie ein "Nadelöhr" gegenüberstehen. Insbesondere im Gefolge der "Kirch-Krise" und der Problematik um EM.TV scheint sich die Lage für viele Firmen weiter verschlechtert zu haben. Als Grund werden häufig die Zielgruppenorientierung der Wirtschaft sowie der Trend weg vom reinen Kinderprogramm hin zum besser zu vermarktenden Label "Family" genannt. Bei vielen Produzenten besteht auch der Eindruck, der Bereich Kinderfernsehen sei von der derzeitigen Geldknappheit im Mediensektor besonders betroffen. Als Anzeichen hierfür wird beispielsweise auf die zunehmende Zahl von Wiederholungen verwiesen. Hinzu kommt, dass insbesondere im Bereich der Real-Sendungen eine starke Regionalisierung des deutschen Kinderprogramms einen Export und damit eine breitere Finanzierung erschwert.
Nach wie vor gilt: Qualitativ hochwertiges Material für das Kinderfernsehen ist, zumal wenn es mit realen Kindern gedreht ist, ausgesprochen kostenintensiv. Über den reinen Verkauf lassen sich Produktionen nur sehr selten refinanzieren. Entsprechend sind viele Unternehmen auf öffentliche Fördergelder angewiesen. Ein gängiger Weg der Mittelbeschaffung ist es dabei, Koproduktionen mit ausländischen Firmen einzugehen. Neben der Verteilung des finanziellen Risikos eröffnet sich so oftmals die Chance, neben deutschen Fördermitteln beispielsweise auch von der französischen oder europäischen Filmförderung zu profitieren. Hier liegt vermutlich auch einer der Gründe, warum die befragten Firmen ihre Mitbewerber nicht nur als Konkurrenten, sondern auch als potenzielle Partner sehen.

Qualitativ hochwertiges Material
für das Kinderfernsehen
ist ausgesprochen kostenintensiv

Dies gilt insbesondere für die vielen kleineren Firmen, die sich gegenüber den wenigen großen und etablierten Produktionsbetrieben behaupten müssen. Aus der Perspektive dieser kleinen Betriebe entsteht der Eindruck, als kauften die Großen mit ihren Finanzreserven die meisten der vielversprechenden Stoffe frühzeitig auf, ohne sie gleich verwerten zu müssen. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ergibt sich aus der Feststellung, dass einige große Produktionsfirmen zudem noch mit öffentlich-rechtlichen Sendern liiert sind. Diese Verbindung bringt den großen weitere Vorteile in der Vermarktung und setzt kleinere Produktionsfirmen unter Druck. Lediglich in einigen Spezialbereichen, wie beispielsweise im Bereich Stop-Motion-Animation, ist der Druck der Marktführer weniger stark zu spüren.
Die schlechte Rentabilität von einheimisch produziertem Kinderprogramm führt unter anderem dazu, dass private Sender meist auf kostengünstigere Pakete der ausländischen "Global Majors" ausweichen (vgl. auch Schmit in diesem Heft). Ihre Produkte haben zudem den Vorteil, dass sich ihre Vermarktbarkeit bereits international erwiesen hat. Dennoch werden die "Global Majors" von den deutschen Produzenten nicht als direkte Konkurrenz gesehen. Ihre Produkte unterscheiden sich vom deutschen Material so sehr, dass man aus der Sicht inländischer Produzenten einfach "in einer ganz anderen Liga" spielt. Vornehmlich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist man außerdem der Meinung, in Deutschland werde von den Zuschauern nationales Programm "immer noch am meisten akzeptiert". Folglich sind Aufträge öffentlich-rechtlicher Sender bei den Produzenten sehr begehrt. Diese werden jedoch zumeist langfristig an etablierte Firmen vergeben, die überdies oftmals auch ökonomisch mit den Sendern "liiert" sind. Für Neulinge ohne große Kapitalreserven erweist sich der Markteinstieg auf diesem "abgesteckten Terrain" daher als äußerst schwierig.

Distributoren
Insbesondere kleinere Produktionsfirmen, deren Arbeit keine Auftragsarbeiten für Sender sind, greifen auf die Dienstleistung von Distributoren zurück, zum Beispiel die der MFA Filmdistribution oder der Atlas Film & Medien. Diese stehen quasi als Mittler zwischen Sendern und Produktionsfirmen. Daneben übernehmen die Distributoren auch die Vermittlung des produzierten Materials an den Kino- und Videomarkt sowie den internationalen Fernsehmarkt. Die Sicherung der nötigen Exklusivrechte erfolgt dabei nicht nur über den direkten Erwerb von Produktionen, sondern oft auch über eine finanzielle Beteiligung an Produktionen. Unternehmerisches Ziel der Distributoren ist es, die Rechte an Produktionen auf lange Sicht zu behalten und sie über zeitgebundene Verwertungslizenzen an ihre Kunden (Fernsehen, Kino, Video) abzugeben. Neben den Ausgaben für die Rechte an Produktionen stellt das Marketing für die Stoffe einen bedeutenden Kostenfaktor der Distributoren dar.
Analog zu den Verlagen waren in unserer Befragung keine Distributoren, die nur im Bereich Lizenzhandel für Kinderproduktion tätig sind. Entweder erstreckt sich ihr Lizenzhandel auch auf andere Themenfelder oder sie sind auch in weiteren - zumeist angrenzenden - Geschäftsfeldern (z.B. Produktion, Merchandising) aktiv.
Der Handel mit Senderechten ist dabei nicht auf den deutschen Markt beschränkt. Haben deutsche Produktionen das Potenzial, auch im Ausland gesendet zu werden, können die internationalen Rechte an Weltvertriebe abgegeben werden. Umgekehrt erwerben Distributoren häufig auch "Verkaufsmandate" ausländischer - meist europäischer - Werke für den deutschen Raum. Der Lizenzhandel ist die Stufe der Wertschöpfungskette, auf welcher der nationale und der internationale Markt am stärksten miteinander verwoben sind. Grade an dieser Stelle bestimmen daher die ausländischen "Global Majors" das Bild, die nicht bereit sind, die Vermarktung der Senderechte ihrer Produktionen an deutsche Distributoren abzutreten. Neben den - hierzulande zumeist nur im Handel tätigen - "Global Majors" finden sich im Bereich der deutschen Distributoren nur wenige, aber dafür starke Marktteilnehmer. Diese betrachten sich dabei eher als Kollegen, denn als reine Konkurrenten. Dies legt den Schluss nahe, dass sie untereinander zu einer Verteilung des Marktes gefunden haben. Allerdings haben die Turbulenzen um EM.TV und die Kirch-Krise auch die Distributoren im Bereich Kinderfernsehen getroffen und werden zu einer Neugruppierung im Markt führen. Die Marktteilnehmer stecken ihr Terrain neu ab und haben die Chance, ihre Anteile auszubauen.
Die Gewinnspanne im Bereich der Distribution hat in den letzten Jahren insgesamt deutlich abgenommen. Die Folgen des Überangebots an Material bekommen die Händler dabei mindestens ebenso zu spüren wie die Produzenten. In einer Situation, in der Sender sparen und Filmproduzenten ums Überleben kämpfen, verzichtet man häufig auf den Zwischenhändler. Dadurch werden Sender - eigentlich die Kunden der Distributoren - zu deren Konkurrenten.

Sender
Die Fernsehsender erwerben bzw. generieren das Sendematerial, kombinieren es zu einem zusammenhängenden Programm und verbreiten es massenhaft. Aus ökonomischer Perspektive ist dieser gesendete Programmstrom jedoch nicht das Produkt der Fernsehsender, denn insbesondere für kommerzielle Sender misst sich der Erfolg eines Senders nicht in der Menge bzw. der Qualität des gesendeten Programms. Vielmehr geht es um die Wahrnehmung des Programms durch die Zuschauer. Diese Wahrnehmung spiegelt sich zunächst in der Einschaltquote wider. Unter dieser Perspektive ist das Produkt eines Fernsehsenders die massenhafte Aufmerksamkeit bei Zuschauern, die der Sender mit seinem Programm erzeugt. Kommerzielle Sender geben diese Aufmerksamkeit gegen Geld über die Werbezeiten an ihre Werbekunden weiter. Öffentlich-rechtliche Sender verstehen diese Aufmerksamkeit als Erfüllung ihres Grundauftrags.
In Deutschland sind rund 15 Fernsehsender im Bereich Kinderfernsehen aktiv. Neben den Marktführern im Kinderprogramm - Super RTL, KI.KA und RTL2 (vgl. Kuchenbuch in diesem Heft) - handelt es sich dabei um ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und PRO7 sowie die Dritten Programme der ARD und Tele5. Die Sender treten auf dem Markt nicht nur als Käufer fertig produzierter Sendungen auf. Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender sind in fast allen Bereichen der Wertschöpfungskette aktiv, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß.
Um ihren hohen Anforderungen an Qualität und lokalem Bezug gerecht zu werden, sind vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender im Bereich der Produktion ausgesprochen engagiert, oftmals auch im Rahmen internationaler Projekte. Je nach dem Grad ihrer Einbindung betätigen sie sich hierbei nur auf einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette aktiv oder übernehmen auch weite Strecken.
Im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen sind die privaten Sender in weitaus geringerem Umfang auf dem Gebiet der Eigen-, Ko- oder Auftragsproduktion aktiv. Aus Gründen der Rentabilität spielt hier der Einkauf bestehender Sendelizenzen bei Produzenten, Distributoren und internationalen "Global Majors" eine deutlich größere Rolle. Dementsprechend wird das Ausland nach eigener Aussage weniger als Partner oder Absatzmarkt betrachtet, denn vielmehr als Quelle für Programm. Dabei werden insbesondere die USA oder - wie im Fall von RTL2 - der asiatische Raum genannt. Öffentlich-rechtliche Sender setzen hingegen verstärkt auf europäisches Programm, etwa Sendungen aus Frankreich, Skandinavien, Holland, der Tschechischen Republik und Großbritannien.

Im Vergleich zu den
öffentlich-rechtlichen sind
die privaten Sender
in weitaus geringerem Umfang
auf dem Gebiet der Eigen-,
Ko- oder Auftragsproduktion aktiv

Eine wichtige Rolle für das Kinderprogramm der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten spielt ihre stark vernetzte Struktur. So können beispielsweise Kosten größerer Produktionen auf mehreren ARD-Anstalten aufgeteilt und durch diese "Umlagefinanzierung" die Risiken gemeinschaftlich getragen werden. Auch Koproduktionen mit anderen europäischen Sendern sind häufig, wobei natürlich auch öffentliche Fördergelder eine Rolle spielen. Ein weiterer Vorteil dieses Netzwerks ist die Möglichkeit, Programme anderer Anstalten zu übernehmen und so das finanzielle Risiko zu minimieren. Für die Produktion ergibt sich dabei die Aufgabe, möglichst solche Programme zu erstellen, die auf den unterschiedlichen Sendeplätzen - von ARD und ZDF, dem KI.KA sowie der Dritten Programme - zum Einsatz kommen können.
Über Tochtergesellschaften der öffentlich-rechtlichen Sender findet neben der Sendeverwertung auch die Verwertung im Bereich des Merchandisings statt, wobei diesem Geschäftsbereich weit weniger Bedeutung beigemessen wird als bei den privaten Sendern. Letztere betrachten die Veräußerung von Merchandising-Lizenzen durchaus als wichtige Geldquelle neben der Haupteinnahme aus Werbung.

Es hat den Anschein,
als stünden in
bestimmten Programmbereichen
die Öffentlich-Rechtlichen
und die Privaten
jeweils eher untereinander
im Wettbewerb als miteinander.

Die Analyse der Konkurrenzsituation der Sender im deutschen Kinderprogramm muss getrennt auf den drei Teilmärkten Programmeinkauf, Aufmerksamkeit bei Zuschauern und Vermarktung von Werbezeiten geschehen. Die Wettbewerbslage im Bereich Programmeinkauf ist stark von der geforderten Programmart abhängig. Dies ergibt sich vor allem aus den unterschiedlichen Programmfarben, die die jeweiligen Sender vertreten. Sowohl ARD als auch ZDF und KI.KA verfolgen dieselben Ziele bei derselben Zielgruppe. Daher benötigen sie auch ein sehr ähnliches Programm. Es hat den Anschein, als stünden in bestimmten Programmbereichen die Öffentlich-Rechtlichen und die Privaten jeweils eher untereinander im Wettbewerb als miteinander.
Im Markt der Aufmerksamkeit bei den Zuschauern - insbesondere bei den Kindern - stehen alle Anbieter von Kinderprogrammen gleichermaßen im Wettbewerb. Hier werden als Marktführer allen voran Super RTL und der Kinderkanal genannt. Insbesondere die kleineren kommerziellen Sender versuchen, sich durch Spezialisierung bestimmte Marktsegmente zu sichern. Ein Beispiel ist die vor allem bei Jungen erfolgreichen Anime-Sendestrecke von RTL2 (vgl. Götz in diesem Heft), in der RTL2 Spitzenreichweiten bei Kindern erzielen kann. RTL2 wird dabei insbesondere von den Öffentlich-Rechtlichen als besonders unangenehme Konkurrenz betrachtet, da der Sender mit Programm arbeitet, das diese "weder senden dürfen noch wollen". Ein weiterer Faktor, der die Wettbewerbssituation in diesem Bereich entspannt, ist die Möglichkeit von Programmabsprachen innerhalb der Sendergruppen. In der Untersuchung wurde dies zwar lediglich von öffentlich-rechtlichen Sendern benannt, es lässt sich aber auch für die Senderfamilien von RTL (RTL, RTL2 und Super RTL) sowie PRO7 (PRO7 und SAT.1) vermuten. Wenngleich öffentlich-rechtliche wie private Sender im Markt um die Zuschauer in direkter Konkurrenz stehen, hat der Markterfolg unterschiedliche Bedeutung. Während das Ringen um Zuschauer für die kommerziellen Anbieter die Ausgangslage ihrer Refinanzierung darstellt, sind die öffentlich-rechtlichen durch ihre Finanzierung über Gebührengelder nicht so stark von Quoten abhängig.
Alles in allem herrscht jedoch unter den Sendern - sei es nun privat oder öffentlich-rechtlich - nach eigenen Aussagen ein äußerst "freundschaftlicher und fairer Umgang". Das erklärt sich vermutlich daraus, dass Kinderfernsehen immer noch eher ein Randgebiet im Fernsehmarkt darstellt - einen "Special-Interest-Markt", dessen Beteiligte sich meist persönlich kennen.

Handel mit Werbezeiten - Merchandising-Agenturen
Die Refinanzierung des kommerziellen Kinderfernsehens erfolgt über die Vermarktung der Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe Kinder an die werbetreibenden Kunden mit Hilfe der Werbezeiten. Diese werden im Auftrag der Sender von speziellen Dienstleistern übernommen, die zumeist unternehmerisch mit den Sendern verbunden sind. In Deutschland sind dies die IP-Deutschland (Köln) für RTL, RTL2, Super RTL und Seven-One-Media (München) für das Kinderprogramm von SAT.1 und PRO7. Die kinderspezifische Werbung ist dabei nur ein kleinerer Teil des Geschäftsfeldes der Vermarkter. Zu den Kunden aus der werbetreibenden Wirtschaft zählen fast ausschließlich deutsche Firmen oder deutsche Niederlassungen internationaler Konzerne, die zumeist über freie Werbeagenturen Werbezeiten bei den Vermarktern der Sender buchen. Der Wettbewerb wird als "vorhanden" bezeichnet, jedoch scheint die Konkurrenz im Kindersektor nicht im Hauptaugenmerk der Werbezeitenvermarkter zu liegen.
Neben der Veräußerung der kurzfristigen Aufmerksamkeit lässt sich auch die längerfristige Bindung der Zuschauer an eine Sendung oder Figur kommerzialisieren. Dies geschieht über das Merchandising und Licensing, welches ebenfalls als Dienstleistung von Zwischenhändlern übernommen wird, wie zum Beispiel der Bavaria Sonor & Merchandising. Diese Agenturen erwerben die Exklusivrechte an erfolgversprechendem Material von Sendern oder Distributoren. Hierbei geht es zumeist um die Abbildungsrechte von Figuren bestimmter Kindersendungen, aber auch um die Rechte an der dazugehörigen Musik. Gegen die Zahlung von Lizenztantiemen werden diese Rechte zeitlich befristet an meist mittelständische Unternehmen abgegeben, die sich durch die Abbildung der Figuren eine Partizipation an der Aufmerksamkeit erhoffen. Die Produktpalette an Licensing-Artikeln reicht von Geschirr, Bettwäsche und Stofftieren bis hin zu Stiften und Nahrungsmitteln.

Es herrscht ein
Überangebot an Charakteren
und die große Euphorie
der letzten Jahre
hat sich gelegt

In Deutschland selbst teilen sich nur wenige und starke Anbieter die vorhandenen Themen. Jedoch besteht ein großer Konkurrenzdruck aus dem Ausland, da gerade international tätige Medienfirmen ihre Lizenzvergabe in eigenen Abteilungen abwickeln. Ebenso können auch einheimische Sender teilweise zu Konkurrenten werden, wenn sie ihre Merchandising-Rechte selbst veräußern. Die Wettbewerbslage wird von den befragten Unternehmen als sehr gespannt beschrieben und man glaubt, in den nächsten zwei Jahren "wenig Aussichten" zu haben. Es herrscht ein Überangebot an Charakteren und die große Euphorie der letzten Jahre hat sich gelegt. Viele Lizenznehmer sind vorsichtiger geworden, da "weder die Finanzen noch das Bedürfnis" nach solchen Artikeln bei den Kindern unbegrenzt sind. Chancen hat demnach nur langfristig nutzbares und einzigartiges Material. Nach den Erfahrungen der letzten Zeit werden Merchandising und Licensing für den Markt eher als eine Einnahmequelle unter vielen angesehen. Einen wirklich hohen Gewinn, wie etwa das Licensing zu "Teletubbies" oder "Pokémon", sieht man eher wie einen "Lotto-Sechser".

Integrationstiefe als Unternehmensstrategie
Das Kerngeschäft der meisten im deutschen Kinderfernsehen arbeitenden Firmen - insbesondere der kleineren - beschränkt sich auf ein oder zwei Felder der beschriebenen Wertschöpfungskette. Vermutlich ist dies die einzige Unternehmensstrategie, die sie aufgrund ihrer finanziellen Rahmenbedingungen verfolgen können. Daneben gibt es eine zahlenmäßig kleinere Gruppe von Betrieben, die mehrere dieser Bereiche abdecken. Unter dem Stichwort "vertikale Integration" ist man hier bemüht, alle Stufen aus einer Hand anzubieten. Es geht darum, Reibungsverluste zu vermindern und effizienter am Markt agieren zu können.
Unter dem Schlagwort "Executive Producing" ist beispielsweise die Greenlight Media AG in der Produktionsüberwachung, dem Vertrieb und dem Merchandising aktiv. Die Baumhaus Medien AG engagiert sich neben ihrem Verlagsgeschäft auch in Koproduktionen und dem Merchandising. Ähnlich positioniert sich die Bavaria Kinder GmbH, die ihr Merchandising-Geschäft zudem über die Schwester Bavaria Sonor und Merchandising abwickelt. Ein umfassendes Beispiel dieser Unternehmensstrategie stellt die RTV Family Entertainment AG dar, die mit den Bereichen Stoffentwicklung, Verlag, Ko- und Auftragsproduktion, Distribution national und international sowie Merchandising nahezu alle Stufen der Wertschöpfungskette abdeckt.
Eine Steigerung dieser Strategie, Sendern alles aus einer Hand anzubieten, verfolgen die "Majors" im Bereich Kinderfernsehen. Sie betreiben Stoffentwicklung und Produktion zumeist im eigenen Interesse und treten erst als Programmzulieferer von Sendern in Erscheinung. So realisieren sie die Gewinne aller Stufen der Wertschöpfungskette. EM.TV kombiniert die Tätigkeit des Distributors mit der eines Produzenten und einer Merchandising-Agentur und bestückt daneben unter dem Namen Junior eine eigene Kinderschiene, die sie beispielsweise im Pay-TV (als eigener Kanal) oder über SAT.1 (als Sendestrecke) vermarktet. Die - zumeist US-amerikanischen - "Global Majors" treten in Deutschland oftmals über eigene Tochtergesellschaften auf. Hier liegt der Tätigkeitsschwerpunkt zumeist auf dem Vertrieb ihres umfangreichen und größtenteils im Ausland produzierten Programmsortiments. Jedoch sind ihre Aktivitäten keineswegs auf den Rechtehandel beschränkt. Im Rahmen ihres ganzheitlichen Ansatzes werden sie auch in Deutschland als Produzenten mit eigener Stoffentwicklung tätig, übernehmen das Merchandising und Licensing für ihre Sendungen und sind auch im Bereich Sender aktiv. Dies kann als eigenständige Firma (Fox Kids - Pay-TV) oder in Form einer Unternehmensbeteiligung (Disney - Super RTL) geschehen. Die Wettbewerbslage wird von den "Majors" als angespannt beschrieben. Deutschland gilt bei den amerikanischen Firmen als der lukrativste Markt neben den USA. Entsprechend versuchen sie, sich hier Marktsegmente zu sichern.

 

ANMERKUNGEN
1Die Auswahl der Firmen basierte auf Teilnehmerlisten der Tagung "Goldener Spatz", Branchenbüchern sowie dem Adressbestand des IZI. Im Verlauf der Erhebung wurde die Auswahl um zusätzliche, von den Interviewpartnern benannte Firmen erweitert.
2 Die wörtlich zitierten Aussagen sind im Text hervorgehoben, aus Gründen des Datenschutzes jedoch nicht mit den Namen der Befragten versehen.
3 Sowohl Produktionsfirmen als auch Verlage wurden zu den beschäftigten bzw. vertriebenen Autoren befragt.
Darüber hinaus bieten Firmen wie Drama Works aus Berlin Stoffentwicklung als Dienstleistung an.
4 In einer vergleichbaren Situation befinden sich auch Komponisten von Filmmusik.

LITERATUR
  • Grewenig, Siegmund: Zwischen Anspruch und Notwendigkeit. Das öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen und der heutige Kindermarkt. In: Erlinger, Hans Dieter (Hrsg.): Kinderfernsehen und Markt. Berlin: Spiess 1994, S. 53-62.
    Heinrich, Jürgen: Medienökonomie. Band 2. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002.
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW u.a. (Hrsg.): Beschäftigte und wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland 1999/2000: Studie im Auftrag der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Berlin: Vistas 2002. 268 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten. 24)
  • Eßer, Kerstin: Auf der Suche nach dem Geld von morgen: Aspekte der Finanzierung und Vermarktung von Kinderprogrammen. In: Erlinger, Hans Dieter (Hrsg.): Handbuch des Kinderfernsehens. (2. Aufl.) Konstanz: UVK-Verlag 1998, S. 399-421.
  • Salm, Christiane zu: Merchandising. In: Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz; Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (Hrsg.): Debatte Kinderfernsehen. Berlin: Vistas 1998, S. 251-269.
  • Westcott, Tim: The business of children's television. Church, Rachael (Hrsg.) (1st ed.) London: Screen Digest 1999. 184 S.; (2nd ed.) London: Screen Digest 2001. 212 S.

DIE AUTOREN
Ole Hofmann, Dipl.-Oec., ist Doktorand im Fachbereich 1 Erziehungswissenschaft und Humanwissenschaften an der Universität Gesamthochschule Kassel und freier Mitarbeiter im IZI.

Oliver Schmid ist freier Mitarbeiter im Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, München.

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