Angeklagter mit seinen Anwälten und weiteren Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal.e
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Der Südstadt-Prozess soll am Dienstag zu Ende gehen.

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Mordvorwurf: Verteidigung fordert Freispruch im Südstadt-Prozess

Im Prozess um eine Schießerei in der Nürnberger Südstadt im Oktober 2022 hat die Verteidigung gefordert, den Angeklagten weitestgehend freizusprechen. Dabei griff der Anwalt des Angeklagten die Staatsanwaltschaft scharf an und erhob schwere Vorwürfe.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

In einem flammenden Plädoyer hat sich die Verteidigung für die Unschuld ihres Mandanten ausgesprochen. Dieser sei vor der Schießerei in der Nürnberger Südstadt im Oktober 2022 von seinen beiden Kontrahenten massiv beleidigt und bedroht worden. Der Staatsanwaltschaft warf der Rechtsanwalt schlampige Arbeit vor. Er hoffe, sein Mandant werde nicht zum Opfer der Justiz. Der Angeklagte sei lediglich wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen, so die Forderung der Verteidigung.

Verteidigung hält Zeugen für unglaubwürdig

Einen der wichtigsten Belastungszeugen versuchten die Verteidiger in ihrem Plädoyer unglaubwürdig zu machen. Orhan A. hatte den Angriff im Oktober 2022 überlebt, schwieg vor Gericht aber größtenteils. Aus Angst, wie er damals sagte. Die Verteidigung bezeichnete seinen Auftritt vor der 5. Strafkammer als "erbärmlich". Außerdem handele es sich bei dem Zeugen um einen notorischen Lügner, einen Schwerkriminellen, dem nicht zu trauen sei. Auch einem Großteil der anderen Zeugen, die in dem Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gehört wurden, könne man keinen Glauben schenken, so die Anwälte von Mert A. Drogen- und Waffenhandel, illegales Glücksspiel, Raub und viele weitere kriminelle Verstrickungen sprächen nicht für die Glaubwürdigkeit vieler Zeugen.

Orhan A. hatte in der Vergangenheit geäußert, das Motiv von Mert A. sei unter anderem Eifersucht gewesen. Der Angeklagte habe sich darüber aufgeregt, dass das spätere Todesopfer Sahan Ö. eine SMS an die Ex-Freundin geschickt hatte, in der er Mert A. bei ihr in Verruf bringen wollte. Dieser Theorie widersprach die Verteidigung vehement. Vielmehr habe sich ihr Mandant von seinen beiden Widersachern bedroht gefühlt. Diese hätten ihre Drohungen und Beleidigungen nicht nur gegenüber ihm, sondern auch seiner Familie ausgesprochen. Orhan A. versuche in dieser Angelegenheit, dem Angeklagten "den schwarzen Peter zuzuschieben".

Anwälte: Keine Tötungsabsicht bei Mert A.

Mert A. sei am Tatabend nicht mit Tötungsabsicht in die Nürnberger Landgrabenstraße gekommen. Er sei vor Angst in Panik geraten, als er sah, dass sich Orhan A. mutmaßlich an den Rücken fasste. Er habe vermutet, sein Gegenüber wolle auf ihn schießen. Um ihm zuvorgekommen, habe er selbst das Feuer eröffnet. "Putativnotwehr" heißt das im Fachjargon, wenn der Täter von einem vermeintlich rechtswidrigen gegenwärtigen Angriff auf sich ausgeht. Laut Verteidigung hat ihr Mandant aus Angst um das eigene Leben auf seine einstigen Geschäftspartner geschossen, nicht etwa heimtückisch oder aus niedrigen Beweggründen. Von einer Falle könne nicht die Rede sein.

Immer wieder nahm die Verteidigung Bezug auf das Video einer Überwachungskamera, das die Ereignisse des Abends zum Teil zeigt. Dieses wurde während des Verfahrens häufiger abgespielt, sei aber qualitativ zu minderwertig, um den genauen Tathergang rekonstruieren zu können. Man sehe weder, welcher Schuss wann abgegeben wurde und wen er traf. Allerdings sieht man darin auch nicht den vermeintlichen Griff zur Waffe von Orhan A. Es sollte sich herausstellen, dass dieser unbewaffnet war.

Die Rechtsanwälte von Mert A. argumentierten, der tödliche Schuss, der Sahan Ö. das Leben kostete, könne auch im Gerangel mit Orhan A. gefallen sein. Eine Tötungsabsicht habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Angeklagte habe extra auf die Beine der beiden Männer gezielt. Hätte er sie töten wollen, hätte er auf den Kopf- oder Brustbereich schießen können, so die Ansicht der Verteidiger.

Todesdrohungen ausgesprochen

Todesdrohungen, die Mert A. auch noch nach der Tat offen aussprach, seien nicht ernst zu nehmen, so die Anwälte. Er habe auf der Flucht "den starken Mann" spielen müssen, um sich vor Racheaktionen zu schützen. Außerdem gehörten derartige Drohungen zum Slang des Milieus, in dem sich Mert A. bewegte, und könnten nicht immer wörtlich gedeutet werden. Diese Interpretationsweise von Morddrohungen wendeten die Verteidiger allerdings nicht auf mutmaßliche Aussagen der beiden Geschädigten gegenüber Mert A. an. Diese seien sehr wohl ernst zu nehmen gewesen, so der Tenor.

Verteidiger greift Staatsanwaltschaft scharf an

In ihren Ausführungen diskreditierten die Anwälte nicht nur den Belastungszeugen, den Überlebenden des Angriffs Orhan A., sondern griffen auch die Staatsanwaltschaft an. Dieser warf die Verteidigung unter anderem "Anfängerfehler" vor. Die Vorwürfe gegen den Angeklagten seien konstruiert. "Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt", spottete einer der Verteidiger in seinem Plädoyer. Auch schreckte der Rechtsanwalt nicht vor dem Begriff einer "politischen Justiz" zurück, die versuche, ein Exempel an seinem Mandanten – "einem Menschen mit Migrationshintergrund" – zu statuieren, um ein Signal unter anderem an arabische und türkische Kreise zu senden.

Plädoyers gehen weit auseinander

Von den Mordvorwürfen sei Mert A. freizusprechen. Lediglich wegen des unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Waffe müsse der 29-Jährige verurteilt werden. Hier sprach sich die Verteidigung für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung aus. Der Angeklagte schloss sich in seinen letzten Worten den Ausführungen der Verteidigung an und sagte, es tue ihm leid, was geschehen sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits Ende April in ihrem Plädoyer eine lebenslange Haftstrafe für Mert A. gefordert. Zudem solle die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden. Dann könnte der 29-Jährige nicht bereits nach 15 Jahren aus dem Gefängnis freikommen. Ein Urteil wird für Dienstag, den 14. Mai, erwartet.

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