Fernsehen für die 10- bis 15-Jährigen
EDITORIAL
Fast täglich
begegne ich Kindern und Jugendlichen so zwischen 10 und 15 Jahren
auf meinem Weg zur Arbeit, der an zwei Schulen (inkl. Straßenbahn-
Haltestellen) vorbeiführt. Und jedes Mal, wenn ich diese Teenies
sehe, fühle ich mich ein bisschen besser. Wahrscheinlich wegen
ihrer Vitalität, ja Lebensfreude, die von ihnen ausgeht: Mit
ihren schrägen Frisuren, ihrem lauten Reden und Lachen, ihrem
Rumgeschubse, ihrer Körpersprache.
Wahrnehmungen im Vorüberfahren - klar.
Über das richtige Leben der Heranwachsenden, über ihr
Denken, Fühlen und Handeln weiß die Sozialforschung Neues
zu berichten: Wir müssen von dem Vorurteil, männliche
Jugendliche seien fasziniert von Machogehabe, genauso Abschied nehmen
(R. Winter) wie von der Annahme, Mädchen hätten es heute
soviel leichter als ihre Mütter, ins Erwachsenenleben hineinzufinden
(H. Permien). Mit ihrer Handlungsmaxime "Was habe ich davon?"
sind sie selbstverständlich Kinder unserer Zeit, so genannte
"Egotaktiker" (K. Hurrelmann), die offensichtlich Vor-
und Nachteile einer Entscheidung genau abwägen.
Obwohl das Fernsehen wichtig für sie
ist, sind die 10- bis 15-Jährigen für Programm-Macher
eine schwierige Klientel. Aber sie schätzen die Soaps - ein
Format, an dem Mädchen und Jungen abprüfen können,
wie es unter den komplizierten Erwachsenen scheinbar so zugeht.
Den Lebensrealitäten nahe und jugendlichem Verständnis
besonders zugänglich sind die
Kinder-/Jugend-Soaps, wie sie von den Öffentlich-Rechtlichen
verstärkt angeboten werden: z.B. "Schloss Einstein"
(D. Saldecki) oder "fabrixx" (D. Bansberg). Für alle
(älteren) Kinder ist nämlich wichtig, dass Kinder und
Jugendliche die Hauptrolle spielen und dass sie im Fernsehen auf
eine Welt stoßen, die nicht den Erwachsenen zugeordnet, aber
auch nicht mehr Kinderprogramm ist. Dort finden sie ihre Themen
wieder, fühlen sich emotional geborgen und haben das Gefühl
eines positiven Gewinns für den Alltag
(M. Götz).
Junge Menschen an den Sender zu binden, ist
Absicht aller Programmanbieter. Daran ist nichts auszusetzen, solange
Mädchen und Jungen gewiss sein können, in ihrer Unbefangenheit,
Neugierde auf das Leben, bei ihrer Suche nach eigener Identität
nicht enttäuscht zu werden.
Paul Löhr
PROGRAMM
Frank Beckmann
Gut
gezielt und doch daneben
Über die Zielgruppe der 10- bis 15-Jährigen im Kinderprogramm
Kleine Kinder und Jugendliche in einem Spartenkanal altersgerecht
zu bedienen, gleicht einem Spagat. Programmerweiterung in der Prime-Time
wäre die Lösung.
"Schloss
Einstein" Ein deutsches Format - weltoffen
Interview mit Dieter Saldecki
Mit der Kinder-Soap "Schloss Einstein" ist dem öffentlich-rechtlichen
Fernsehen eine Programminnovation geglückt, die bei älteren
Kindern sehr gut ankommt.
Dietger Bansberg
Von,
mit und für Kids - "fabrixx"
Der Drehort "Jugendzentrum in einer Fabrik" bietet Jugendlichen
alles, was ihnen wichtig ist: Spiel-Höhle und Treffpunkt,
aber auch Experimentierraum für Freundschaften, Feindschaften,
Liebe, Flirt, Traum und Realität.
Stephanie Heckner
"Marienhof":
Die Kernseife unter den deutschen Soaps
Positiv denken, nach vorn schauen und lieben - das machen die
"Marienhöfler".
Katja Hofem-Best
"Bravo
TV" – Eine Jugendsendung zwischen Dr. Sommer und Britney Spears
Das Interesse vieler Jugendlicher an Stars und Musik im Fernsehen
scheint konstant; die Zeit der "Aufklärung" ist offensichtlich
vorbei.
Sigrun Kaiser
Konsequentes
Marketing – der Erfolgsgarant für Fanzine
Im Medienmarkt für Kinder und Jugendliche sind Fanmagazine
offensichtlich kommerziell interessante Produkte.
Ursula von Zallinger und Kirsten
Schneid
Trends
im internationalen Kinder- und Jugendfernsehen
PRIX JEUNESSE INTERNATIONAL 2000
Der Einfluss von Kindern auf Programmgestaltung und -produktion
wächst weltweit. Packende Themen für Jugendliche werden
rar.
FORSCHUNG
Klaus Hurrelmann
Die
10- bis 15-Jährigen – eine unbekannte Zielgruppe?
Auf der Suche nach unverwechselbarer Identität sind viele
Jugendliche zu "Egotaktikern" mutiert. "Was habe ich davon?" ist
für sie zu einer wichtigen Leitfrage geworden.
Hanna Permien
Von
überschäumenden Gefühlen und Mädchenträumen
Bei ihrer Zeitreise durch die Pubertät machen Mädchen
viele neue Erfahrungen: mit dem eigenen Körper, den Freundinnen,
den Eltern und nicht zuletzt mit der Liebe und Sexualität.
Reinhard Winter
Jungesein
heute: authentisch und normal
Fertige Vorbilder für Jungen auf dem Weg zum Mannwerden gibt
es nicht mehr. Neben Orientierungen, die die Familie, der Freundeskreis
oder die Schule bieten, finden männliche Jugendliche auch
in Fernsehprogrammen (Soaps) Anhaltspunkte für das "modernisierte
Männliche".
Birgit van Eimeren
Mediennutzung
und Fernsehpräferenzen der 10- bis 15-Jährigen
Nach wie vor sind Fernsehen und Hörfunk die am meisten genutzten
Jugendmedien. Unterhaltungsshows, Spielfilme und Daily Soaps sehen
die Jugendlichen am liebsten - Nachrichten kaum.
Ole Hofmann
Am Rande
des Kinderfernsehens.
Programme für die 10- bis 13-Jährigen
Kinderprogramm für ältere Kinder wird zum größten
Teil von öffentlich-rechtlichen Anbietern bereitgestellt.
Aus diesem Angebot nutzen die 10- bis 13-Jährigen am häufigsten
Unterhaltungssendungen.
Maya Götz
Die Bedeutung
von Daily Soaps im Alltag von 10- bis 15-Jährigen.
Seifenblasen zwischen "leicht verdaulicher Unterhaltung" und "ein
Raum für sich"
Die meisten Daily Soaps bieten Heranwachsenden eher klischeehafte
Projektionsflächen, in denen sie ihr Lebensgefühl (GZSZ)
oder ihre Lebenseinstellung (Marienhof) wiederfinden. Bei
Schloss Einstein können Mädchen und Jungen Konkretes
für die Bearbeitung ihrer Themen finden.
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