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TELEVIZION 18/2005/1

Erotik und Sexualität


EDITORIAL

Mit Blick in die eigene Jugend wird es keiner bestreiten: Erotik und Sexualität sind zentrale Themen dieser Lebensphase. Im Generationenvergleich ähnlich ist auch die Palette von Gefühlen, die
mit dieser Thematik verbunden ist, von anregend und hoch spannend bis verunsichernd und gelegentlich auch überfordernd. Was sich jedoch deutlich verändert hat, ist die Offenheit, mit der im Fernsehen mit diesen Bereichen umgegangen wird. Sendungen wie PuR (Möhrchen/
Ripke) oder Dr. Mag Love (Zackl) erklären mit viel Humor
den Samenerguss oder das Einführen eines Tampons.
Daily Soaps wie Gute Zeiten, schlechte Zeiten erzählen
von Missverständnissen und Problemen rund ums »erste
Mal« (Morgenroth) und gezielt werden prosoziale Botschaften
zum Safer Sex in niederländische Soaps eingebaut
(Bouman).

Das Verständnis von dem, was im Fernsehen gezeigt werden darf, hat sich hier deutlich gewandelt (von Gottberg). Nacktheit auf dem Bildschirm gehört mittlerweile zum Alltag, Erotik und Sexualität sind ein fester Bestandteil
verschiedenster Genres (Mehling).
Nicht immer trifft diese Präsenz von Intimität und Nacktheit auf Zustimmung bei den Jugendlichen (Hoffmann). Was Mädchen eigentlich schätzen, ist eher das Nicht-Offensichtliche der Erotik (Schwarz). Jungen, sofern es schon ein Thema für sie ist, wünschen sich Sexualität vor allem als etwas »Natürliches« und lehnen Übertriebenes und Aufgesetztes ab (Neubauer/Winter). Dabei suchen ältere Kinder und Jugendliche immer auch nach Informationen und Geschichten, in denen sie sich ihre eigene, meist ausgesprochen moralische Meinung bilden können (Buckingham/Bragg). Fernsehen kann hier zur Beratungsinstanz für heikle Themen werden, wenn es denn seine jungen Zuschauer*innen ernst nimmt (Fleischer/Schorb). Denn trotz aller Informationen und scheinbarer Offenheit in diesem Themenbereich: Die Stolpersteine bleiben und ein lustvolles Gelingen von Beziehung, Erotik und Sexualität ist auch für diese Generation nicht einfach.

Maya Götz


PROGRAMM

Markus Mörchen/Jens Ripke
Komische Gefühle ...
Jedes zweite Jahr im Mai ist Zeit für Frühlingsgefühle bei der Sendung PuR im KI.KA. Aufgrund eines engen, persönlichen Kontakts zwischen Machern und Zuschauern gelingt es, Jugendlichen echte Hilfestellung zum großen Thema des Erwachsenwerdens zu bieten.

Daniela Zackl
DR. MAG love
Sexuelles Selbstbewusstsein bei Jugendlichen fördern, das ist die Absicht von Dr. MAG love, einer vom ZDF produzierten Aufklärungssendung mit Jugendlichen für Jugendliche. Einfühlsam und mit Humor kommen Themen wie Küssen, Verhütung, Körperpflege, Periode oder Selbstbefriedigung zur Sprache.

Silke Morgenroth
Liebe in Zeiten der Werbeunterbrechung
Die Liebesgeschichte von John und Paula aus Gute Zeiten, schlechte Zeiten steht exemplarisch für Überlegungen und Strategien der Produktion von Daily Soaps.



PROGRAMMBEOBACHTUNG


Joachim von Gottberg

Sexualität, Jugendschutz und der Wandel der Moral
Was im Kino und Fernsehen gezeigt werden darf und was die Jugend »verdirbt«, hat sich von den 50er-Jahren bis heute deutlich gewandelt. Was bleibt, ist jedoch das Gebot: Pornografie ist im deutschen Fernsehen verboten.

Gabriele Mehling
Erotik und Sexualität im Fernsehen
Was heißt Pornografie, Erotik und Sexualität und wo finden sie sich im aktuellen Programm? Eine beschreibende Bestandsaufnahme gibt den Überblick.

FORSCHUNG

Gunter Neubauer/Reinhard Winter
So viel Sex soll's sein
Sex ja, aber in Maßen - so ließen sich die Ergebnisse einer Erhebung zur Rezeption von Fernseh-Erotik männlicher Jugendlicher im Rahmen des aktuellen IZI-Projekts »Die Bedeutung von Fernsehfiguren für Jugendliche« zusammenfassen. Neben der Quantität (zu viel ist leicht zu viel) spielt für die Jungen vor allem die Qualität eine große Rolle. Je natürlicher, desto besser. Übertreibungen und aufgesetzte Darstellungen kommen bei den Jungen im Allgemeinen nicht gut an.

Anne Schwarz
Mondscheinerotik oder »nackte Tatsachen«
Erotik ja, Porno nein, so lautet das Ergebnis einer Untersuchung, was Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren von Erotik im Fernsehen halten. Es muss knistern und prickeln, es muss ein Hauch von Geheimnis bleiben und die Szenen müssen vor allem glaubwürdig, d. h. in die Geschichte einer Beziehung eingebettet sein. Dass es ohne nackte Haut in der heutigen Zeit
nicht mehr geht, ist den Mädchen klar: Wer zu wenig davon zeigt, bringt es als Medienstar nicht weit.

David Buckingham/Sara Bragg
Zeigen und Erzählen
Wie ist die Aufklärungswirkung von Sex und Beziehungen in TV-Serien auf Kinder und Jugendliche einzuschätzen? Welche Botschaften kommen an, welche nicht? Eine Befragung von 120 Kindern und Jugendlichen in Großbritannien ergab, dass der »erhobene Zeigefinger« erkannt und abgelehnt wird. Realistische Inhalte dagegen fallen auf fruchtbaren Boden.


Martine Bouman
Sex und Soaps
Gesundheitliche Themen wie z. B. Safer Sex in Soaps einfließen zu lassen, die in erster Linie jugendliche Zuschauer ansprechen, das ist das Ziel von
Entertainment-Education-Kooperationen (E-E-Kooperationen). Wie dies gelingen kann, haben wir am Beispiel der holländischen Fernsehserie Costa! gezeigt.

Dagmar Hoffmann
»Nackte Haut ist Alltag«
Im Zeitalter der Übersättigung sind Jugendliche zu äußerst kritischen Rezipienten von Sexualität im Fernsehen geworden. An der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg wurden Jugendliche zu verschiedenen erotischen Film- bzw. Fernsehsequenzen befragt. In den Antworten spielten vor allem die eigene Entwicklung, die Ästhetik und die Wahrung der Würde der Frau eine große Rolle.

Sandra Fleischer/Bernd Schorb
Ein Fernsehangebot als Orientierungsquelle
Kinder und Jugendliche suchen Orientierung zu Themen wie Erotik, Sexualität und Partnerschaft. An der Universität Leipzig wurden 16 ältere Kinder zum Kummerkasten des KI.KA interviewt.


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