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>> Übersicht Forschungsschwerpunkt Migration / Diversity
Wo liegen die Qualitäten einer
TV-Sprachlernsoap?
Was erwartet der Zuschauer vom Bildungsfernsehen?
Er will nicht belehrt werden! so ein Ergebnis der europäischen
IZI-Konferenz zu TV-Bildungsprogrammen (Meyer 1997, S. 20).
Was bedeutet dies für TV-Bildungsprogramme, die sich
an Erwachsene wenden?
Die Medienwirkungsforschung trägt zum Thema "Lernen
mit Film, Fernsehen und Video" bei, dass die Effizienz
von AV-Medien von affektiven Faktoren wie der Einstellung
des Zuschauers zum Medium abhängt, die neben den dargebotenen
Inhalten für das Annehmen oder Zurückweisen des
Lernanstoßes verantwortlich ist (Strittmatter/Niegemann
2000, S. 93). Fernsehen wird von den ZuschauerInnen eher als
Freizeitinstrument angesehen und sollte daher keine (Frontal-)Lehrsituation
reproduzieren. Deshalb wird im modernen Bildungsfernsehen
versucht, über populäre Genres wie TV- oder Hörspielserien
Unterhaltung mit der Vermittlung von Bildungsinhalten und
sozialen Einstellungen zu verbinden. Diese Strategie, die Entertainment und Education zum Edutainment verknüpft, wird derzeit intensiv wissenschaftlich beforscht
(Singhal/Rogers 1999, Singhal u.a. 2004).
Anhand der DEUTSCH KLASSE, einer 13-teiligen TV-Sprachlern-Serie
von BR-alpha, soll überprüft werden, inwiefern diese
Strategie für die Vermittlung von deutschen Sprachkenntnissen
an ausländische MitbürgerInnen aufgeht. Die TV-Serie
wird im Bildungsprogramm von BR-alpha sowie von den Dritten
Programmen ausgestrahlt. Die 30-minütigen Folgen sind
nach dem Prinzip einer Soap Opera konzipiert, mit Zopfdramaturgie,
Alltagsdramatisierung und einem Spannungsmoment am Ende jeder
Sendung. Die TV-Serie ist darüber hinaus in ein Medienverbundsystem
eingebettet, das schriftliches Material, Grammatik-Tests im
Internet und einen realen Sprachkurs bei einem Bildungsträger
umfasst, in dem ein Sprach-Zertifikat erworben werden kann.
Am Beispiel der TV-Serie DEUTSCH KLASSE soll untersucht werden,
wie ein Sprachlernprogramm beurteilt wird, das unterhaltsam
sein möchte. Weiterhin soll erhoben werden, mit welchen
Aneignungsstrategien sich ZuschauerInnen Wissen aus dieser
Serie aneignen.
Ziel
In diesem Projekt werden Qualitätskriterien einer Sprachlernsoap
im Fernsehen am Beispiel der DEUTSCH KLASSE (BR-alpha seit
2003) evaluiert. Dazu werden Urteile über die Sendung
und Aneignungsstrategien von der Zielgruppe, d.h. ausländische
Deutsch-LernerInnen, sowie von ProduzentInnen- und LehrerInnen-Seite
herangezogen. Dieses Urteil über das TV-Sprachlernprogramm
wird mit Aussagen in der Forschungsliteratur über das
Genre "Soap" und über die Leistungsfähigkeit
von AV-Medien im Unterricht kontrastiert.
Datenerhebung
Qualitative Befragungen von ausländischen Deutsch-LernerInnen
sowie von ProduzentInnen und LehrerInnen, die jeweils mindestens
eine Folge der Serie gesehen haben.
Aus der Zielgruppe wurden insgesamt 50 ausländische
Erwachsene verschiedener Herkunft befragt, die zum Zeitpunkt
der Erhebung einen Deutschkurs in München oder Umgebung
besuchen. Jedem Deutschkurs wurde am vertrauten Ort zunächst
eine Folge der Serie auf Video gezeigt. Danach wurden persönliche
Daten wie Geschlecht, Alter, Aufenthaltsdauer in Deutschland
sowie ein kurzes Urteil zur Sendung in freier Nennung per
Fragebogen erhoben. Daran schloss sich eine Gruppendiskussion
mit allen TeilnehmerInnen an.
Des Weiteren wurden Einzelgespräche mit ca. 6 AusländerInnen
mit Migrationshintergrund geführt, die mehrere Teile
der Serie verfolgt hatten.
Hinzu kamen Einzelinterviews mit den ProduzentInnen und MultiplikatorInnen
zu ihrer Einschätzung der TV-Sprachlernsoap DEUTSCH KLASSE.
Auswertung
Die in den Gruppendiskussionen und Einzelbefragungen erhobenen
Daten wurden qualitativ inhaltsanalytisch hinsichtlich der
Beurteilungskriterien analysiert. Neben Qualitätskriterien
wie Geschmacksurteil, Lerngewinn, Bedeutungszuweisung, Aufmerksamkeit/Neugier
auf Fortsetzung wurden weitere Kriterien aus freien Nennungen
der Befragten entwickelt. Die Urteile der Zielgruppe wurden
anschließend mit denen der MultiplikatorInnen und ProduzentInnen
verglichen. Anhand dieser Aussagen und im Vergleich mit Forschungsergebnissen
zum Einsatz von AV-Medien im Unterricht wurde die Qualität
der TV-Serie für "Deutsch als Zweitsprache"-LernerInnen
diskutiert.
Literatur:
Schlote, Elke: ‚Die Frau hat geredet, mit allen Eltern an der Schule’ – Wie Migrantinnen zwei Frauen-Figuren und ihre Gender-Rollen lesen.
In: TelevIZIon 19/2006/1: Welche Rolle spielt Geschlecht?, S. 54-57.
Schlote, Elke: Die Sprachlernsoap DEUTSCH KLASSE – Wie eine TV-Serie funktioniert, die auf Unterhaltung und Unterricht setzt.
In: Hugger, Kai-Uwe, Hoffmann, Dagmar (Hrsg.): Medienbildung in der Migrationsgesellschaft. Beiträge zur medienpädagogischen Theorie und Praxis (Schriften zur Medienpädagogik 39). Bielefeld 2006, S. 110-117.
Meyer, Manfred: Sind Bildungsprogramme
für das große Publikum noch aktuell?
In: Meyer, Manfred (Hrsg.): Bildungsprogramme im Fernsehen:
Was wollen die Zuschauer? Beiträge zu einer europäischen
Konferenz. München: KoPäd, 1997,
S. 16-29.
Strittmatter, Peter; Niegemann, Helmut: Lehren
und Lernen mit Medien. Eine Einführung. Darmstadt: WBG
2000.
Singhal, Arvind; Rogers, Everett M.: Entertainment-education.
A communication strategy for social change. Mahwah, NJ: Lawrence
Erlbaum 1999.
Singhal, Arvind u.a. (Hrsg.): Entertainment-education
and social change. History, research, and practice. Mahwah,
NJ: Lawrence Erlbaum 2004.
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