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>> "Welches Geschlecht haben Helden?"
Dr. Maya Götz
Harte Kerle und schöne Frauen
Entwicklung
der Geschlechterrollen in Film und Fernsehen
"Was,
das ist immer noch ein Thema?" fragte eine verantwortliche
Redakteurin des Kinderfernsehens. "Ach wissen Sie, das
hat sich doch schon lange alles verändert" kommentiert
ein Medienstudent. Sich am Ende der 90er Jahre noch mit Geschlechterstereotypen
von "harten Kerlen und schönen Frauen" im Spielfilm
zu beschäftigen, erscheint geradezu redundant. Beispiele
wie "Terminator II", "Lola rennt" oder
die vielen Kommissarinnen im Fernsehprogramm zeigen doch,
dass mittlerweile alles anders ist, Männer geradezu unmännlich
werden1 und fast
schon "Allein unter Frauen" sind.
Einschlägige Studien zum Frauenbild im Fernsehen, z.B.
von Erich Küchenhoff et al., arbeiteten 19752 heraus, dass Frauen erheblich unterrepräsentiert, nur
auf äußerliche Attraktivität begrenzt sind
und für die Handlung kaum eine Rolle spielten. In einer
vergleichbaren Stichprobe von 1990 kommt Monika Weiderer3 jedoch zu erschreckend ähnlichen Ergebnissen.
"Im
Vergleich zu den Resultaten von Küchenhoff (1975) und
auch zu den Ergebnissen weiterer Analysen aus dem deutschen
Sprachraum und den USA, die während der letzten zwanzig
Jahre durchgeführt wurden, ist lediglich in wenigen
Aspekten eine Weiterentwicklung der Geschlechterrollendarstellung
feststellbar." (Weiderer 1993, 324 f.)
Auch die aktuelle quantitative
Studie "Who speaks in television?", die sechs europäische
Sendeanstalten4 zu Eigenproduktionen und Primetime-Programm durchführten,
resümiert die nach wie vor eindeutig bestehende Unterrepräsentanz
von Frauen. (Dijck 1999)
Was entspricht denn nun dem Angebot an Männer- und Frauenfiguren:
die Alltagswahrnehmung "alles hätte sich verändert"
oder die Studien, die nach wie vor bestehende Stereotypen
herausarbeiten?
Wie immer ist die Antwort ein "sowohl als auch".
Es hat sich einiges verändert, anderes ist gleich geblieben,
bzw. hat sich sogar noch verstärkt. Im Folgenden möchte
ich versuchen, über diese Tendenzen einen Überblick
zu geben, und - vor dem Hintergrund der Diskussion im Anschluss
an den Vortrag auf den Münchner Medientagen - nach Konsequenzen
fragen.
Im ersten Schritt
werden zentrale Momente der Inszenierung der Geschlechterrollen
am Beispiel der 18 James-Bond-Filme verdeutlicht und Veränderungen
in den letzten Jahrzehnten aufgezeigt.
Dem Einzelbeispiel folgt ein kurzer Blick ins aktuelle Fernsehprogramm.
Anschließend werden zwei zentrale Tendenzen in der
Entwicklung von Frauenfiguren aufgezeigt: Die kämpferischen
Schönen mit extrem sexualisierten Körperproportionen
und die ‘andere’ Frau, die von dem Schönheitsideal
scheinbar abweicht.
Bis zu einem gewissen Grad sind Rezipientinnen durchaus
wehrhaft gegen diese nach wie vor bestehenden Strukturen,
die von ihren Alltagserfahrungen und der real existierenden
Vielfalt von Menschen abweichen. Dennoch werden durch die
Angebote auch Grenzen gesetzt, die es zu erweitern gilt.
Die Notwendigkeit der Erweiterung besteht dabei nicht nur
aus "pädagogischen Gründen", sie ist
innerhalb eines sich zunehmend ausdifferenzierenden Medienmarktes
überlebenswichtig und kommerziell sinnvoll. Insofern
sind Produzierende aufgerufen, nicht nur immer wieder die
gleichen Strukturen und Stereotypen in konsumorientierter
Form zu reproduzieren, sondern die Vielfalt gezielt zu erhöhen.
Ein bisher kaum genutztes kreatives Potenzial liegt dabei
bei den Frauen, die im Medienbetrieb nach wie vor in den
entscheidungsfindenden Positionen kaum vorhanden sind.
Die Entwicklung der Inszenierung
von Männer- und Frauenfiguren am Beispiel der 18 James
Bond Filme
Um die Entwicklung
von Geschlechterrollen über einen längeren Zeitraum
aufzuzeigen, wurden neben Vergleichsuntersuchungen (vgl. Weiderer)
auch zentrale Starfiguren (vgl. Henschel 1989, Hollstein 1997)
analysiert. Zwei weitestgehend unabhängige Spielfilme
gegeneinander zu halten, ist ein bisschen wie der Vergleich
zwischen Apfel und Birne. Genre, Drehbuch, Produktionsteam
usw. sind so viele Parameter, die das Werk prägen und
den Vergleich eines bestimmten Aspekts, hier Frauen- und Männerrollen,
schwierig machen. Daher hier eine Analyse einer Filmreihe,
die über Jahre von einem relativ konstanten Produktionsteam
gestaltet wurde und zudem eine der weltweit erfolgreichsten
Spielfilmreihen ist: James Bond. Die Vorlage zu dieser Spielfilmreihe
lieferte Ian Flemming (1908-1964). Bereits die Romane waren
Besteller. Um den ersten Spielfilm zu produzieren, gründeten
der damals 46-jährige Harry Saltzman zusammen mit Albert
R. Broccoli (52 Jahre) die Filmproduktion "Eon Production"
und erwarben die alleinigen Filmrechte der Flemming Bücher5.
(Vgl. Kocian 1998) Nach dem Debüt mit "James Bond
007 jagt Dr. No" (1963) wurde das Filmkonzept weiter
verfeinert, blieb aber in der Grundtendenz in den folgenden
17 Produktionen erhalten. Hierfür sorgten nicht nur die
Produzenten, sondern auch die in bestimmten Zeiträumen
konstante Gruppe von Drehbuchautoren und Kameramännern.
Bis zu "Licence to Kill" (1988/89) stehen somit
über 26 Jahre James-Bond-Produktionen zur Verfügung,
die mit einem relativ gleichbleibenden Produktionsteam Männer
und Frauen in bestimmten Rollen vor der Kamera inszenieren.
Ab "Goldeneye" (1995) zeigte sich ein Generationenwechsel
im Produktionsteam und mit ihm eine noch deutlichere Veränderung
der Geschlechterrollen.
Casting
Die Hauptfigur 007
wurde von 5 verschiedenen (dunkelhaarigen) Schauspielern dargestellt.
Sean Connery war beim Kinostart von "James Bond 007 jagt
Dr. No" 32 Jahre alt, bei "Diamantenfieber"
426. Roger Moore
stieg mit 46 Jahren in seine erste 007-Rolle ein. Bei seinem
letzten Film "Im Angesicht des Todes" war er bereits
58. Dalton und Brosnan begannen im Alter von 41 Jahren ihre
James-Bond-Karriere. Auch in den Nebenrollen sind vor allem
Männer ‘reiferen’ Alters vertreten. Nur wenige der Schauspieler
sind unter 30 Jahren. Vom Äußeren wurde nach dem
jeweiligen Männerideal der Zeit besetzt. Während
dies in den ersten Jahren eine große Variationsbreite
zuließ, zeigt sich in den 90ern eine leichte Verengung
des Schönheitsideals und eine potentielle Typ-Ähnlichkeit
im Casting der Männerfiguren. Während die Schauspieler
der James-Bond-Figur durchweg einen gut trainierten oder zumindest
nicht auffälligen Körper haben, tauchen verschiedene
Männerfiguren mit einem übergewichtigen Körper
oder abweichenden Körpermaßen auf.
Beispiele:
Zwerg Nick Nack aus "Der Mann mit dem goldenen Colt",
Sheriff Pepper u.a. aus "Leben und sterben lassen",
Beißer in "Der Spion der mich liebte" und
"Moonraker".
Das Casting der Frauenfiguren
rekrutierte vor allem Fotomodelle und Gewinnerinnen von Schönheitswettbewerben.
Beispiele aus "Liebesgrüße
aus Moskau": Daniela Biachi (21 Jahre), Miss Universe
1960, spielt die russische Botschaftsangestellte Tatianna
Romanova. Die Zigeunerinnen wurden mit Aliza Gur, Miss Israel
1961, und Martine Beswick, Miss Jamaika 1961, besetzt. (vgl.
Rye 1995, 6ff.)
Erst in den späteren
Filmen wurden auch professionelle Schauspielerinnen engagiert.
Die meisten der Frauenfiguren lassen sich auf unter 30 Jahre
schätzen. Sie entsprechen dem jeweiligen Schönheitsideal
der Zeit und tragen vor allem in den ersten zwei Jahrzehnten
meist lange, offene Haare.7 Die so genannten "Bond-Girls" gleichen sich auffallend
und stimmen weitestgehend mit den vielen namenlosen Frauenfiguren
überein, die die Schwimmbecken und Harems schmücken.
Die erste Abweichung dieses sehr engen Schönheitsideals
bietet die Figur May Day (Grace Jones 1985), die jedoch auch
die einzige bleibt.
Fazit:
In der Besetzung der Figuren zeigt sich ein deutlicher
geschlechterspezifischer Unterschied. Männer können
deutlich älter sein und zumindest in komischen oder negativ
besetzten Rollen ungewöhnliche Körpermaße
aufweisen. Frauenfiguren sind deutlich jünger und an
einer uniformen Schönheit nach den Kategorien von Schönheitswettbewerben
und Modefotografie orientiert. Diese Tendenz bleibt über
36 Jahre erhalten.
Kleidung
In den Bond-Filmen
tragen die meisten Männer hochgeschlossene Anzüge
in gedämpften Farben. Ausnahme bilden Männer in
der Rolle verdeckter Ermittler, die in der jeweils angebrachten
Straßenkleidung erscheinen. Die Kleidung der Männer
ist immer dem Anlass angemessen, maßgeschneidert, Körperformen
jedoch höchstens andeutend. Ausnahme hierzu ist die Phase
vor oder nach dem Geschlechtsakt, in dem der Oberkörper
des jeweiligen James-Bond-Darstellers in Szene gesetzt wird.
Bei den Frauen zeigt nicht nur die bunte Abendkleidung viel
Haut, ausgesprochen häufig sind sie auch in Bademoden
zu sehen. Die Kleidung ist eng anliegend und betont die Körperformen,
bzw. "umschmeichelt" sie.8
Fazit:
Bei Männern ist die Kleidung angemessen und unauffällig,
vor allem aber nicht betont körperorientiert, im Gegensatz
zu der Kleidung der Frauen, die viel Haut und Körperformen
zeigen. Frauen werden erotisiert inszeniert, Männer nahezu
körperlos. Erst in den letzten 2 James-Bond-Filmen ändert
sich dies ansatzweise und 007 trägt in wenigen Momenten
körperorientierte Kleidung.
Mimik
Auch der Gesichtsausdruck
ist wie ein Zeichen lesbar und dient zur Inszenierung der
Figuren. James Bond selber zeigt kleine, gezielt eingesetzte
Formen der Mimik. Die Augenbrauen werden ein wenig hochgezogen,
er zeigt ein geheimnisvolles Lächeln oder ein kurzes
Öffnen des Mundes, wenn er quer durch das Zimmer an die
Wand geschleudert wird oder einen heftigen Faustschlag einsteckt.
Selbst wenn ein Schurke seine Bettgefährtin neben ihm
ermordet, ist nur eine beherrschte Regung seines Gesichtes
zu erkennen. Bond zeigt nur wenige und hierbei vor allem positive
und überlegene Gesichtsausdrücke. Dies gilt auch
für die "Killer", die im Auftrag der Bösen
handeln. Lange Zeit zeigen sie gar keine Regung. Erst in Erwartung
oder nach Beendigung ihres Auftrages zeigen sie eine deutliche
Mimik (z.B. Beißer). Ausdrücke von Hilflosigkeit
finden sich bei den Männerfiguren so gut wie nie.
Im Vergleich dazu wird den Frauen eine ausgesprochen reichhaltige
Palette der Darstellung von Emotionen zugestanden. Mit allen
Gesichtspartien werden Angst, Erregung, Freude oder Erschrecken
etc. gezeigt. Die Gefühle der Frauenfiguren sind direkt
auf ihrem Gesicht abzulesen.9
Fazit:
Während bei den Männern die Körpersprache männliche
Stärke signifiziert, zeigt sie bei Frauen Schwäche,
Hilflosigkeit und sexuelle Verfügbarkeit an. Dies bleibt
über die 36 Jahre erhalten.
Gestik
Die Körperhaltung
der Figuren bei James Bond ist geschlechterspezifisch ebenfalls
deutlich unterschiedlich. Während die Männer stets
fest "mit beiden Füßen auf dem Boden stehen",
nehmen die Frauenfiguren oftmals eine in sich verdrehte Haltung
an, bei der sie ihren unbedeckten Körper präsentieren.
Bei fast allen Frauenfiguren gehören laszive Bewegungen
zur Inszenierung der Figur. Erst in den letzten Filmen ändert
sich dies und es kommen auch Frauenfiguren vor, deren Gestik
Stärke symbolisiert.
Frauen lehnen sich an Männer an, niemals umgekehrt. In
fast allen Fällen "himmeln" nur die Frauenfiguren
die Männerfiguren an, während umgekehrt Männer
Frauen abschätzig betrachten.
Fazit:
Männerfiguren zeigen expressive Gesten und Körperhaltungen,
die ihre Standhaftigkeit und Dominanz demonstrieren. Frauenfiguren
werden vor allem in verdrehten, hilflosen und lasziven Gesten
gezeigt. Während bei den Männern die Körpersprache
Stärke signifiziert, zeigt sie bei Frauen Schwäche,
Hilflosigkeit und sexuelle Verfügbarkeit an.
Frauen- und Männerfiguren
im Handlungskontext
In der Analyse der
Handlungseinbindung zeigt sich stets wiederkehrende Handlungseinbindung
von Männer- und Frauenfiguren. So bedrohen und retten
Männer die Welt, wobei andere Männer ihnen helfen.
Die vorkommenden Frauen sind durch ihre Beziehung zu Männern
definiert und arbeiten weisungsgebunden. Meist sind sie vor
allem Schmuck und Zeichen eines angenehmen Lebens, bevölkern
die Swimmingpools und Harems der wohlhabenden Figuren und
stehen selbstverständlich (sexuell) zu Diensten. Es gibt
eine klare Einteilung in positiv und negativ besetzte Figuren,
die von der jeweiligen Position zu 007 abhängig ist.
Während Männer in ihren Handlungen eindeutig zur
einen oder anderen Seite gehören, gilt für Frauen
unabhängig von ihrer Seitenzugehörigkeit: Gute Frauen
unterstützen ihn, böse Frauen verraten ihn.
In der Hälfte aller Filme überzeugt 007 die Geliebte
des Bösewichts zum sexuellen Kontakt. Die Frauenfiguren
wechseln daraufhin die Seite oder werden, wenn sie dies nicht
tun, innerhalb der nächsten 20 Min. getötet. Auch
andere Frauenfiguren sterben, wobei in den 16 ersten Filmen
ein subtiles Muster eingehalten wurde: Übernimmt die
Frauenfigur den "ersten Schritt" der intimen Begegnung
oder wirft sich James Bond sogar an den Hals, so stirbt sie
im Laufe des Filmes! Muss 007 die Frau jedoch mit brachialer
Gewalt ("Goldfinger") oder geschickten Tricks ("Leben
und sterben lassen") erobern, hat sie eine gute Chance,
das Filmende lebend zu erreichen. Frauen sollten eben erotisch
attraktiv sein, aber nicht zu selbstbestimmt oder gar sexuell
aktiv begehrend handeln.
Die Frauenfiguren der James-Bond-Filme lassen sich leicht
zum Verrat überzeugen und wechseln, je nachdem, wo sie
sich mehr Profit versprechen, die Seiten. Dabei werden sie
häufig mit Tieren verglichen oder wie Tiere inszeniert.
Sie sind wild, aber für Männer nicht ernsthaft gefährlich.
Sie sind vor allem (sexuell verfügbarer) Körper,
was im Vorspannen besonders deutlich symbolisiert ist: Frauenkörper
sind Luxusobjekte wie Schmuck und Perserkatzen; Körper
ohne definiertes Gesicht.
Nach "Lizenz zum Töten" (1989) gab es eine
Pause in dem bis dahin angestrebten zweijährigen Rhythmus.
Streitigkeiten um die Rechte und rechtliche Verwicklungen
der Produzenten waren hierfür verantwortlich. 1995 kommt
"Goldeneye" in die Kinos. Nur noch der Name und
die Standard-Figuren sind von Ian Flemming. M., die Leitungsposition
des Secret Service, ist nun eine Frau, im Stereotyp der nicht
erotisierten Mutterfigur. Moneypenny kann inzwischen mehr
sagen als nur "Oh James", sie hat einen, wenn auch
in der deutschen Synchronisation etwas platten Witz. In "Der
Morgen stirbt nie" (1997) scheint vor allem mit der Figur
der Wai Lin ein vollkommener Wandel eingetreten. Sie ist eine
intelligente und kompetente asiatische Geheimagentin, die
in einigen Momenten sogar James Bond überlegen ist. In
Konsequenz ist sie es jedoch, die von den Überwachungskameras
entdeckt wird. Als sie schließlich hilflos unter Wasser
in den Ketten hängt, muss Bond sie retten.
Die Kameraperspektive
Die Kameraperspektive
verfolgt nicht nur die Handlung von James Bond, sondern vor
allem auch seinen Blick auf die Frauenfiguren. Laura Mulvey
spricht vom dreifachen "männlichen Blick" (1975).
Der Regisseur, der die Figuren inszeniert10,
der Kameramann, der die Szene auf der Leinwand organisiert
und der Protagonist, der die Frauenfiguren zum Objekt seiner
Begierde macht. In den James-Bond-Filmen wird der Blick von
einem Kameramann11 geführt, er folgt der Perspektive des Helden (James Bond),
der von einem Mann erfunden (Ian Flemming + Drehbuchautor12)
und vor allem für ein Männerpublikum in Szene gesetzt
wird. Insofern kann bei dieser Filmreihe von einem mehrfachen
Männerblick gesprochen werden. Diese Grundtendenz bleibt
über die ganze Filmreihe erhalten, allerdings wird die
sexistische Inszenierung von Frauenfiguren ab Mitte der 80er
Jahre weniger plump, es bleiben aber Männerblicke auf
Frauenkörper (Kaufmann 1996).
Die Entwicklung der Männer-
und Frauenfiguren im Handlungskontext
Anfang der 60er kamen
Frauen nur in Ausnahmefällen und als "Bond-Girl"
vor. Ab Mitte der 60er bis weit in die 70er lässt sich
eine steigende Tendenz der sexistischen Sprüche und der
Inszenierung der Frau als Tier ausmachen. Sie ist sexuell
verfügbar und erotische Attraktivität ist ihre einzige
Waffe. In den 80ern sind die Witze nicht mehr so extrem abwertend
und sexuell aggressiv. Bond schlägt inzwischen keine
Frauen mehr und zunehmend gibt es auch selbstständig
handelnde Frauenfiguren. Die grundlegende Handlungskonstellation
ändert sich jedoch nicht.
In den 90ern wird das Spiel mit Geschlechterklischees zu einem
der humoresken Momente im Film, wie früher die Witze
von James Bond über die Frauen. Auch die Figurenkonstellation
hat sich verändert. Zwar bleibt Bonds Gegenspieler ein
Mann, der von mehreren Helfern unterstützt wird, doch
gibt es eine "richtig" böse Frauenfigur, die
nicht einmal durch den sexuellen Kontakt mit Bond überzeugt
werden kann, die Seiten zu wechseln.
Über die 36 Jahre James-Bond-Filme lässt sich exemplarisch
aufzeigen, was sich verändert hat und was nicht. Viele
geschlechterspezifischen Tendenzen in Casting, Kleidung, Gestik
und Mimik und nicht zuletzt der mehrfache Männerblick
bleiben gleich.
Obwohl sich die Handlungseinbindung teilweise verändert
hat, ist das Grundmuster in Konsequenz gleichgeblieben: Nach
wie vor bedrohen und retten selbstverständlich Männer
die Welt. In der Dramaturgie folgen wir Bond und erleben seine
grundlegende Überlegenheit. Bond ist der Held. Frauen
dienen zur Inszenierung des "anderen Geschlechtes".13 Durch die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten kommen
in den 90ern jedoch Frauenfiguren hinzu, die neue Varianten
zeigen. Diese starken und kampfbereiten Frauen sind handlungstragend,
bleiben aber auf zwei Klischees beschränkt, denen der
unerotisierten Mutter und der "begehrenswerten starken
Frau". Die Veränderung der Frauenrolle ist dabei
keine Auflösung der Geschlechterklischees, sondern eine
Erweiterung zu dem nach wie vor dominierenden Stereotyp. Die
Eindeutigkeit des mehrfachen Männerblicks ist weniger
auffallend, zumal die inszenierenden Männer an einigen
wenigen Stellen James Bond (Pierce Brosnan) selber als erotisches
Objekt inszenieren.
Verschärfung des Mythos
Schönheit
Ich möchte Ihren
Blick aber noch auf einen besonderen Punkt lenken. Sehen Sie
sich doch einmal die "guten Bond-Girls" der 60er
und 70er Jahre an, sie haben nahezu normalgewichtige Körper.
Im heutigen Medienmarkt würden diese Frauen vermutlich
nicht mehr im Bikini gezeigt. Nacktszenen im Spielfilm zeigen
heute nur ausgesprochen schlanke Frauenkörper, meist
werden diese mit sog. Bodydoubles gedreht, da selbst die Schauspielerinnen
den Vorstellungen der Produzierenden nicht genügen (oder
das Gefühl haben, diesen nicht zu genügen). Während
die Männerfiguren mit einer Körperlichkeit inszeniert
werden, die oftmals noch im normalen Alltag zu erreichen ist,
werden Frauenfiguren immer dünner. Diese Körperlichkeit
zu erreichen, bedeutet für die meisten Frauen eine sehr
strenge Diät, die mit dem Alltag von Lohnerwerbsarbeit,
Erziehungs- und Hausarbeit kaum zu vereinbaren ist. Für
sie wächst das Schönheitsideal ins Unerreichbare.
Hier einen direkten Zusammenhang zu den nach wie vor steigenden
Zahlen von Magersuchterkrankungen bei adoleszenten Mädchen
und Essstörungen bei Frauen zu sehen, ist sicherlich
eine Vereinfachung. Dennoch ist die zeitliche Parallelität
von verändertem Körperbild in den Medien und steigender
Zahl von Magersucht-Fällen vermutlich nicht zufällig.
In einen etwas größeren Zusammenhang stellt Naomi
Wolf das Phänomen des unerreichbar gewordenen Schönheitsideals
in ihrem Buch "Der Mythos Schönheit". In den
westlichen Industriegesellschaften, in denen Frauen sich zunehmend
als eigenständige und gleichberechtigte Persönlichkeiten
beweisen, wird der ständige Verweis auf ein unerreichbares
Schönheitsideal zum "Rückschlag":
"Der
Schönheitsmythos bekämpft die neue Freiheit der
Frauen, indem er die ihr Leben einengenden sozialen Beschränkungen
unmittelbar auf ihr Gesicht und ihren Körper verlagert."
(Wolf 1991, 384)
Ein kurzer Blick ins Fernsehen
Die Figur der asiatischen
Agentin in "Der Morgen stirbt nie" entspricht schon
sehr viel eher unserer Wahrnehmung von den modernen Frauenfiguren,
wie wir sie aus dem Fernsehen kennen. Insofern scheint James
Bond ein sehr extremes Beispiel, und der Hinweis, dass bei
007 auf eine Frauenfigur sieben Männerfiguren kommen,
spezifisch für diese Filmreihe. Von daher ein Blick ins
aktuelle Fernsehprogramm mit der Frage, wie denn dort das
quantitative Verhältnis der Hauptfiguren unter geschlechterspezifischer
Perspektive aussieht. In einer jährlichen Stichprobe
werden seit 1997 jeweils rund 430 Programmstunden an 3 Tagen
(Sa., So., Di.) in der Zeit von 6.00 Uhr bis abends 23.00
Uhr aufgezeichnet und quantitativ sowie qualitativ analysiert.
Nur mal eine Vermutung: Wie sieht denn so das Verhältnis
im Bereich Fiktion im Fernsehen aus? Wie viele Helden, wie
viele Heldinnen haben wir so?
Bestandsaufnahme 1998:
Protagonisten im Gesamtprogramm |
|
und im Kinderprogramm |
Geschlecht |
Anzahl |
[in %] |
|
Geschlecht |
Anzahl |
[in %] |
weiblich |
36 |
12,0% |
|
weiblich |
18 |
10,0% |
gemischt |
111 |
36,9% |
|
gemischt |
53 |
29,4% |
männlich |
154 |
51,2% |
|
männlich |
109 |
60,6% |
Gesamt |
301 |
100,0% |
|
Gesamt |
180 |
100,0% |
Bestandsaufnahme 1999:
Protagonisten im Gesamtprogramm |
|
und im Kinderprogramm |
Geschlecht |
Anzahl |
[in %] |
|
Geschlecht |
Anzahl |
[in %] |
weiblich |
30 |
10,2% |
|
weiblich |
22 |
12,0% |
gemischt |
96 |
32,7 |
|
gemischt |
43 |
23,4% |
männlich |
168 |
57,1% |
|
männlich |
119 |
64,7% |
Gesamt |
294 |
100,0% |
|
Gesamt |
184 |
100,0% |
Im deutschen Fernsehen
spielen Männer die Hauptrollen. In über der Hälfte
aller Fiction-Programme sind sie die Helden, während
Frauen höchstens Nebenrollen spielen. In rund einem Drittel
der Angebote teilen sich Männerfiguren die Hauptrolle
mit Frauen. Nur in etwas mehr als einem Zehntel der Sendungen
stehen Frauenfiguren im Mittelpunkt. Im Vergleich 1998 zu
1999 hat sich die Dominanz der Männerfiguren sogar noch
leicht erhöht. Im Kinderprogramm, in dem eigentlich anzunehmen
ist, dass die Geschlechterverteilung etwas näher an der
Realität sei, verschärft sich das Verhältnis
sogar noch.
Männer sind die Helden des Kinderprogramms! Die handlungstragenden
Figuren sind zunächst selbstverständlich Männerfiguren.
Es sei denn, es braucht Frauenfiguren, um die ‘nicht-männlichen’
Eigenschaften darzustellen oder einen Grund für die emotionale
Zerrissenheit der Männerfigur. Ähnlich wie bei James
Bond sind die Extreme in den letzten Jahren abgeschwächt
und einige wenige neue Figuren hinzugekommen. Dennoch sind
wir von einer Gleichstellung noch weit entfernt.
Die neuen Mädchen- und Frauenfiguren:
Besonders stark und besonders schön
Doch es gibt auch die
starken Frauenfiguren, die selbstständig und kompetent
handeln. Im Kinderprogramm sind dies nicht nur die Mädchenfiguren,
die in Gruppen agieren, sondern sie kommen auch als namengebende
Figuren wie "Sailor Moon" oder "Ocean Girl"
vor. Diese Serien sind Beispiele für Mädchenfiguren
in positiv inszenierten Rollen, die auch durchaus ehemalige
Bastionen männlicher Protagonisten wie Zorro oder Sherlock
Holmes besetzen. Auch wenn zahlenmäßig weit unterlegen,
sind sie aus dem Programm nicht mehr wegzudenken und können
oftmals einen enormen Erfolg in Sehbeteiligung und Marktanteil
aufweisen. Selbst wenn die Rollen bei weitem noch nicht die
Varriationsbreite abdecken, die sich bei männlichen Protagonisten
findet, zeigen sich hier Richtungen, in denen sich erfolgreiches
Kinderprogramm entwickelt, in denen Mädchenfiguren auch
leistungsorientierte, fürsorgliche und kämpferische
Facetten präsentieren und sich in einer Welt durchsetzen,
in der auch Frauen selbstverständlich tragende Rollen
spielen. Einige Beispiele:
In der Krimiserie "Shirley Holmes" (Kinderkanal) löst ein
Mädchen mit außergewöhnlichem wissenschaftlichen
Geschick und kriminalistischem Können komplizierte
Fälle. Ein Freund steht ihr zur Seite, erfüllt
aber eher reproduktive Aufgaben.
In der Serie "Sailor Moon" (RTL 2) gehört
die 14jährige Bunny Sukino zu den auserwählten
Kriegerinnen des Mondsteins. Gemeinsam mit ihren Freundinnen
können sie sich von den braven Schülerinnen zu
Kriegerinnen für 'Liebe und Gerechtigkeit' verwandeln.
"Lady Oscar" (RTL 2) ist eine Heldin, die im historischen Frankreich
des 19 Jh. für Freiheit und Gerechtigkeit kämpft.
Sie greift in das politische Geschehen ein und verkleidet
sich für ihre Aktionen mit einem schwarzen Mantel,
Maske und Säbel.
Das "Ocean Girl" (ZDF/Kinderkanal) Neary
kommt aus einer anderen Welt. Sie kann unter Wasser atmen
und sich mit den Walen unterhalten. Gemeinsam mit ihren
Freunden erlebt sie Abenteuer und beschützt die Erde.
So erfreulich und neu
die Mädchenfiguren auf den ersten Blick scheinen, so
altbekannt bleiben bestimmte Momente. Denn ob es Sailor Moon,
Ocean Girl oder Marie ist, alle positiv besetzten Mädchenfiguren
im Fernsehen sind makellos schön, ausgesprochen schlank
und tragen meist lange blonde Haare. Körperproportionen,
die nicht dem Idealgewicht (bzw. einem Wert darunter) entsprechen,
oder Gesichtsmerkmale, die von dem uniformen Schönheitsideal
abweichen, sind nicht zu sehen - es sei denn als Problem oder
Thema der Handlung. Die meisten weiblichen Figuren im Zeichentrick
folgen zudem dem "Kindchenschema" und der abgerundete
Kopf wird durch ein kleines Näschen und große,
weit auseinanderstehende Kulleraugen gekennzeichnet. (vgl.
auch Mühlen-Achs 1995, 31) Die sexualisierte Körperdarstellung
mit der Betonung langer schlanker Beine und übertrieben
schmaler Taille sind weitere Kennzeichen vieler weiblicher
Figuren im Kinderprogramm. In der sehr erfolgreichen Serie "Sailor Moon" (RTL 2) wird dies bis ins Extrem
getrieben. Sailor Moons blonde Pferdeschwänze reichen
bis in die Kniekehlen der schlanken Beine, die gut zwei Drittel
des Körpers ausmachen. Ihr Gesicht mit der kaum sichtbaren
Nase besteht zu einem Viertel aus blauen Kulleraugen, was
angesichts des Produktionslandes Japan nochmals besondere
Verschärfung bedeutet. Wie im Stil der Mangas üblich,
ist Sailor Moon extrem sexualisiert und übertrumpft "Barbie"
an unerreichbaren Körperproportionen bei weitem. (siehe
Götz 1999)
Eine Tendenz der Frauenfiguren ist es, dass derzeit positiv
besetzte, kämpferische Mädchen nur in einer Verbindung
der Extreme denkbar sind. Sie haben besondere Fähigkeiten
und sind besonders schön. Die erotisierte Körperlichkeit
bekommt unerreichbare Dimensionen.
Die starken ‘anderen’ Frauenfiguren
In den 90ern setzten
sich aber auch Filme mit Erfolg durch, die eine harte kämpferische
Frauenfigur in zentralen Rollen einsetzen. (vgl. Hollstein
1997) Ein Beispiel hierfür ist "Terminator II" mit der Figur der Sarah O’Connor, die als "andere Frauenfigur"
gefeiert wurde. Sie hat eine expressive Körpersprache,
eine energische Mimik und innerhalb der Handlung nimmt sie
eine zentrale Position ein.
Die Maschinen (Skynet)
haben die Herrschaft über die Welt übernommen
und die Menschen weitestgehend vernichtet. Eine letzte Widerstandszelle
kämpft hartnäckig. Im ersten Teil schicken die
Maschinen eine Killer-Maschine, den Terminator (Arnold Schwarzenegger)
auf die Erde, um die Kellnerin Sarah O’Conner (Linda Hamilton),
die in der Zukunft den Anführer des Widerstandes John
O’Connor gebären wird, zu töten. Dies gelingt
ihnen nicht. Im zweiten Teil schicken sie abermals einen
Terminator in die Vergangenheit, um den Widerstandskämpfer
im Jungenalter zu eliminieren. Diesmal ist der Terminator
jedoch eine verbesserte Variante, der T-1000 (Robert Patrick).
John O’Connor schickt einen Terminator der alten Klasse
(Arnold Schwarzenegger) hinterher, um sich selber und seine
Mutter zu beschützen.
Die Figur der Sarah
O’Connor weicht vom Stereotyp des Weibchens ab. Sie ist schlank,
signifiziert aber gerade in Terminator II Stärke durch
ihre austrainierte Körperlichkeit, Körpersprache
und ihre Handlungseinbindung. Sie handelt zielbewusst und
kämpferisch, wird aber auch durch die Beleuchtung durchaus
mit Gesichtsfalten inszeniert, etwas, was bei den Bond-Girls
oder Sailor Moon undenkbar wäre. Zum einen weicht die
Figur vom Ideal der Schönheitswettbewerbe ab. Gleichzeitig
begegnen uns gerade in der Werbefotografie in den 90ern mehrfach
Frauen, die mit Attributen wie "stark" und "herb"
beschrieben werden können. Insofern handelt es sich bei
der Figur der Sarah O’Connor nicht um eine Aufweichung des
Schönheitsideals, sondern es kommt ein weiterer Typus
hinzu: Die herbe, starke Frau.
In der Handlungseinbindung ist die Sarah O’Connor gerade im
zweiten Film sicherlich eine sehr interessante Figur. Eine
Schlüsselszene ist der Traum in der Wüste und die
darauffolgenden Handlungen:
Der gute Terminator
hilft Sarah und ihrem Sohn bei der Flucht vor dem T-1000.
Sie ziehen sich in die Wüste zurück. Dort hat
Sarah einen (Alb-)Traum:
Im Traum sieht sie sich, wie sie auf dem Spielplatz mit
ihrem Sohn spielt. Sarah war im ersten Teil in einer für
eine Frauenfigur typischen Handlungseinbindung. Sie ist
als Kellnerin tätig und auf die Hilfe von Männern
angewiesen.
Jetzt, im zweiten Film, steht sie in der durch jahrelanges
Training veränderten Körperlichkeit mit ärmellosem
Shirt, Militärhose und -stiefel, am Zaun und sieht
sich, wie sie früher war. Mittlerweile ist sie nicht
mehr naiv, sondern weiß, was passieren wird. Eine
Atombombe wird gleich die Idylle von Müttern und Kindern
zerreissen. Sie versucht die anderen zu warnen und schreit
tonlos "wake up", doch niemand hört sie.
Die Bombe vernichtet das Leben.
Sarah sieht in ihrem Traum, wie sie früher war und
nicht wusste, wie sie jetzt ist, zwar um die Zukunft weiß,
aber hilflos zuschauen muss. Sie erwacht aus dem Albtraum
und sieht den Schriftzug, den sie in den Tisch eingeritzt
hat: "NO FATE" (Kein Schicksal). Sarah beschließt
zu handeln. Ihre Körpersprache wird extrem zielbewusst.
Sie holt sich Waffen aus dem Schuppen und steigt in ihr
Auto. John und der gute Terminator folgen ihr.
Ihr Plan ist es, den Erfinder von Skynet zu töten,
bevor er seine schrecklichen Computer baut. Am Haus angekommen,
verfehlt sie ihn jedoch. Bewaffnet mit einer Handfeuerwaffe,
dringt sie in das Haus ein und bedroht den Erfinder. Doch
sie bringt es nicht fertig, ihn zu töten, bricht zusammen
und muss von ihrem Sohn getröstet werden: "Alles
wird gut werden. Alles wird wieder gut. Wir werden eine
Lösung finden. Versprochen!"
Der Terminator erklärt die Situation und der Erfinder
ist ob seiner zukünftigen Bedeutung geschockt. Verzweifelt
fragt er: "Aber wie hätten wir das wissen sollen?"
Sarah antwortet in einem dramatischen Monolog: "Ja,
richtig, woher hättest du das wissen sollen. Es waren
Männer wie du, die die Wasserstoffbombe gebaut haben.
Männer wie du haben sie erfunden. Ihr haltet euch für
so kreativ. Ihr wisst ja nicht wie es ist, wirklich etwas
zu erschaffen. Ein Leben zu erschaffen. Zu spüren,
wie es in einem wächst. Alles, wovon ihr etwas versteht,
ist Tod und Zerstörung zu verbreiten." Ihr Sohn
unterbricht sie: "Mum (lauter) Mum. Wir müssen
hier ein bisschen konstruktiver sein. O.k.? Wir sollten
immer noch dafür sorgen, dass es nicht passiert, stimmt’s?"
In diesem Teil des
Filmes treibt Sarah die Handlung voran. Sie träumt, erkennt
und verändert mit ihrem Handeln die Situation. James
Cameron inszeniert hier eine Frauenfigur, die sich verändert.
Mit der Änderung von Kleidung, Gestik und Mimik geht
sie jeweils in ein anderes Persönlichkeitsstadium über,
in dem sie stückweise mehr versteht. Die Figur Sarah
spielt eine ganze Reihe von Facetten durch, von traditioneller
Frauenrolle zur kämpferischen Mutter, die für den
Retter der Zukunft sorgt, schließlich selber die Initiative
ergreift, sogar zum Terminator wird, bis sie erkennt, dass
sie kein Leben zerstören kann. Sie ist die initiierende
und aktiv handelnde Figur, die erkennt und weiß, was
zu tun ist. In Konsequenz gelingt es ihr jedoch nicht. In
dem Monolog klagt sie nicht nur die weltzerstörenden
Männer an, sie erklärt auch, warum sie nicht töten
kann: Sie weiß, wie es ist, Leben zu erschaffen. Diese
Szene stellt Sarah als etwas Besonderes dar; anders als ihr
Sohn oder der gute bzw. böse Terminator hat sie die "Macht
der Gebärfähigkeit". Dies erhöht sie zum
einen über die Männer, grenzt sie aber gleichzeitig
aus. Sie als Frau kann in einem Akt sich verändern und
durch ihre intuitiven und emotionalen Taten Fakten schaffen.
Zum konstruktiven, problemlösenden Umgang mit der Situation
braucht es jedoch die weniger emotionalen Männer.
Auf eine ganz subtile Art werden Frauen hier also wieder von
Männern inszeniert, wobei ihre Körperlichkeit zum
zentralen Punkt wird. In der feministischen Diskussion wird
dies als "Körperpolitik" bezeichnet (vgl. Bohnacker
u.a. 1998). Wo den machthabenden Männern die Argumente
fehlen, Mitglieder einer untergeordneten Gruppe teilhaben
zu lassen, da wird der Körper zum zentralen Argument
gegen eine Gleichstellung. "No Fate" gilt für
Sarah selber nicht, denn ihre Körperlichkeit ist gewissermaßen
ihr Schicksal, an dem sie scheitert.
Es kann nicht darum gehen, die Figur Sarah O’Connor zu diskreditieren.
Sie ist eine positiv besetzte Figur und auf jeden Fall eine
Erweiterung. Sie führt uns Veränderung vor. Während
die Männerfiguren relativ gleich bleiben, versucht sie
sich und die Situation zu ändern.14
Konsequenz: Der Spielfilm braucht
"andere" Figuren
Es geht ebenfalls nicht
darum, Naoko Takeuchi (die Autorin von "Sailor Moon")
oder James Cameron (Regisseur von "Terminator II")
zu entblößen, sie hätten doch wieder nur die
alten Stereotypen manifestiert. Darum ging es ihnen vermutlich
auch gar nicht, sie wollten ihre Phantasie, ihre Idee und
ihre Geschichte inszenieren. Dafür setzen sie gezielt
Männer- und Frauenfiguren in Szene. Und nur so gelingt
im Spielfilmbereich auch eine gute Geschichte, in der ein
Mensch etwas erzählen will. In Film und Fernsehen sind
es derzeit vor allem Männer, die in den entscheidungstragenden
Positionen erzählen und inszenieren. Um es gleich vorwegzunehmen:
Es ist wichtig, dass (auch) Männer ihre Themen umsetzen
- aber eben nicht nur. Insofern lassen sich Konsequenzen nicht
unabhängig von der Forderung auf Gleichstellung sehen.
(vgl. auch Fröhlich & Holtz-Bacha 1995, Huhnke 1996,
Klaus 1998) Neben dieser politisch notwendigen Veränderung
ist es aber auch ökonomisch sinnvoll und notwendig, auf
‘andere’ Figuren von ‘anderen’ Produzierenden zu setzen.
Der Fiction-Bereich ist mittlerweile ein ausdifferenzierter
Markt, in dem Spielfilme nur noch eine Nische bilden, wenn
auch eine große. Er ist nach wie vor in eine Rezeptionssituation
eingebunden, bei der die Zuschauenden ins Kino gehen oder
den Fernseher einschalten, um einer Geschichte zu folgen.
Zumindest einige Figuren müssen eigenartig und faszinierend
sein. Wo die Charaktere beispielsweise der Soap Opera nur
schöne Oberflächlichkeit präsentieren dürfen,
muss der Spielfilm mehrdimensional sein.15 Je enger der Markt, desto mehr geht es auch um die Profilgewinnung,
die nicht mit zu hoher Konsumorientierung und Beliebigkeit
erreicht werden kann. Der Spielfilm braucht pfiffige Ideen,
neue komplexe Figuren und mehrschichtige Inszenierungen.
Insofern bedarf es engagierter Drehbuchschreibender und Regieführender,
die "ihre" Geschichte erzählen können.
Das größte ungenutzte Potenzial der Figuren liegt
derzeit bei den Frauenfiguren. Jahrzehnte tauchten sie so
gut wie nicht auf oder nur in sehr eingegrenzten Stereotypen.
Dass es sich kommerziell durchaus lohnt, facettenreichere
Frauenfiguren, anstatt immer wieder die gleichen Männer
in immer wieder den gleichen Geschichten zu inszenieren, zeigen
nicht zuletzt auch die Produkte von Naoko Takeuchi und James
Cameron.
Das größte ungenutzte kreative Potenzial liegt
derzeit bei den Frauen. Nicht, weil sie aufgrund ihrer Körperlichkeit
oder etwa der "Macht der Gebärfähigkeit"
von Natur aus prädestiniert sind, Geschichten zu schreiben
und zu inszenieren, sondern weil sie in einer Gesellschaft
als Frauen aufwachsen und Erfahrungen machen, die bisher so
gut wie nicht symbolisiert und umgesetzt wurden.
Anhang
Aufstellung der James Bond 007
Filme 1962 bis 1999:
1962 |
James Bond 007 jagt Dr. No |
Sean Connery |
1963 |
Liebesgrüße aus Moskau |
Sean Connery |
1964 |
Goldfinger |
Sean Connery |
1965 |
Feuerball |
Sean Connery |
1967 |
Man lebt nur zweimal |
Sean Connery |
1969 |
Im Geheimdienst Ihrer Majestät |
George Lazenby |
1971 |
Diamantenfieber |
Sean Connery |
1973 |
Leben und sterben lassen |
Roger Moore |
1974 |
Der Mann mit dem goldenen Colt |
Roger Moore |
1977 |
Der Spion, der mich liebte |
Roger Moore |
1979 |
Moonraker - Streng geheim |
Roger Moore |
1981 |
In tödlicher Mission |
Roger Moore |
1983 |
Octopussy |
Roger Moore |
1985 |
Im Angesichts des Todes |
Roger Moore |
1987 |
Der Hauch des Todes |
Timothy Dalton |
1989 |
Lizenz zum Töten |
Timothy Dalton |
1995 |
Goldeneye |
Pierce Brosnan |
1997 |
Der Morgen stirbt nie |
Pierce Brosnan |
1999 |
Die Welt ist nicht genug |
Pierce Brosnan |
Anmerkungen 1 Alice Schwarzer über Kommissar Schimanski nach Ganz-Blättler
1996, 153
2 "Darstellung
der Frau und die Behandlung der Frauenfrage im Fernsehen",
sechs Wochen Programm von ARD und ZDF wurden quantitativ ausgewertet.
3 Das Frauen- und
Männerbild im Deutschen Fernsehen - Eine inhaltsanalytische
Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTLplus. 320 Programmstunden
einer fiktiven Programmwoche wurden quantitativ ausgewertet.
4 YLE (Finnland),
ZDF (Germany), SVT (Schweden), NOS (Niederlande), DR (Dänemark)
und NRK (Norwegen). Nähere Informationen unter http://www.yle.fi/gender/dijck.html
5Ausnahme hierzu
bilden die Rechte für "Casino Royal" und "Feuerball",
der im Remake unter dem Titel: "Sag niemals nie"
(1982/83), mit Sean Connery und Kim Basinger von der Thalia
Filmproduction umgesetzt wurde.
6 Im Feuerball Remake
"Sag niemals nie" 52 Jahre.
7Ausnahme hierbei
sind Moneypenny sowie andere Sekretärinnen und Telefonistinnen
sowie die Figuren der Rosa Klebb (1963) und der Irma Bund
(1969), beides im Typ nicht erotisierte rothaarige militärische
Gouvernanten über 40 Jahre. Sie sind die einzigen nicht
sexualisierten Frauenfiguren.
8 Verstehen Sie
mich nicht falsch, das ist keine Kampagne gegen lustvolles
Fernsehen. Das Entscheidende ist, dass hier ein geschlechterspezifischer
Unterschied besteht. Wir haben sehr genaue Vorstellungen von
der Körperlichkeit der Frauen, denn sie wird durch die
Kleidung erotisch inszeniert. Von James Bond sehen wir nicht
mal die Wade oder den Oberschenkel, denn sie bleiben stets
verhüllt. Das Einzige, was wir von seinem 007 Körper
wissen, ist, dass Sean Connery eine behaarte Brust hat.
9 vgl. hierzu auch
Mühlen Achs 1998, 81
10 Regisseur in
Bond-Film 1,2 und 4 war Terence Young; in Bond-Film 3 und
7 bis 9 Guy Hamilton oder auch Nummer 12 bis 15 John Glen.
(vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
11 Beispielsweise
Ted Moore, der Kameramann bei Bond-Film 1 bis 4 sowie 7 und
8. (vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
12 Drehbuchautor
für die Filme 1 bis 7 sowie 9 bis 16 war Richard Maibaum.
(vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
13 Ein Grundprinzip,
auf den bereits Simone de Beauvoir in ihrem vielgelesenen
Buch "Das andere Geschlecht" aufmerksam machte: "Die Menschheit
ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht als
solche, sondern im Vergleich zu sich selbst, sie wird nicht
als autonomes Wesen angesehen." (1949 /1996, 12)
14 Dies ist ein
Grundmotiv vieler Filme. Frauenfiguren - und hier spannt sich
der große Bogen zu den Bond-Filmen - verändern
sich, wechseln die Seiten und gehen die Wege, von denen sie
sich am meisten versprechen. Mittlerweile sind ihre Motive
hierbei durchaus "ehrenwert", das Grundmotiv bleibt
jedoch: Frauen versuchen sich zu verändern, die Konsequenzen
durchschauen sie jedoch nicht.
15 Die Soap Opera
funktioniert, gerade weil ihre Schauspielenden "flach"
spielen und die Dramaturgie Offenstellen lässt. Soap-Figuren
sind quasi Spiegelflächen, in denen die Zuschauenden
sich sehen. Alle individuellen Ecken und Kanten würden
der Aneignung schaden. So müssen die Figuren der Soap
Opera extrem konsumorientiert sein, d.h. für möglichst
viele auf möglichst unterschiedliche Weise nutzbar. Es
entstehen zwangsläufig "frisierte Pudel". Auf
die Oberfläche von schönen und leicht verdaulichen
Figuren werden hier Accessoires von Berufstätigkeit,
Selbstständigkeit und Beziehungsproblemen geklebt. Das
braucht die Soap, zu viel Tiefgang ist in dem Genre nicht
angelegt, Plätschern statt Rauschen gefragt. In der Aneignung
ist die Soap Opera Zeitvertreib und dient vor allem zur Entspannung
oder als Gesprächsthema. (vgl. Mikos 1994)
Literatur:
- Beauvoir,
Simone de: Das andere Geschlecht - Sitte und Sexus der
Frau, Reinbek: Rohwohlt, 1949/1996.
- Bohnacker,
Anke; Eckart, Christel; Jansen, Mechthild; Köhler-Enders,
Christiane (Hg.): Körperpolitik mit dem Frauenleib.
Espenau: Verlag Jenior & Pressler, 1998, 244 Seiten
- Fröhlich,
Romy; Holtz-Bacha, Christina (Hg.): Frauen und Medien:
Eine Synopse der deutschen Forschung. Opladen: Westdeutscher
Verlag, 1995, 319 Seiten
- Ganz-Blättler,
Ursula: Serienhelden auf der Suche nach sich selbst: Ein
paar Überlegungen zu deutschen Detektivserien. In:
Christiane Hackl; Elizabeth Prommer; Brigitte Scherer
(Hg.): Models und Machos? Frauen- und Männerbilder
in den Medien. Konstanz: UVK Medien, S. 151-182
- Götz,
Maya: Männer sind die Helden: Geschlchterverhältnisse
im Kinderfernsehen. In: TelevIZIon 12/1999/1, Seite 33-35
- Henschel,
Angelika: Jungfrau, Nymphe, Femme fatale. Zum Wandel des
Frauenbildes in Männerfilmen. In: Schaulust. Frauen
betrachten Frauenbilder im Film. Segeberg: Wäser
Verlag, 1989
- Hollstein,
Miriam: Emanzipation in Cinemascope: Starke Frauen im
Kino. In: Medien Praktisch, 21/1997/3, S.45-48
- Hunke, Brigitte:
Macht, Medien und Geschlecht: Eine Fallstudie zur Berichterstattungspraxis
der DPA, der TAZ sowie der Wochenzeitung die Zeit und
der Spiegel von 1980-1999. Opladen: Westdeutscher Verlag,
1996, 292 S.
- Kaufmann,
Jean-Claude: Frauenkörper Männerblicke. Konstanz:
UVK, 1996. 333 S.
- Klaus, Elisabeth:
Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung.
Zur Bedeutung der Frau in den Massenmedien und im Journalismus.
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, 469 S.
- Kocian, Erich:
Die James Bond Filme. München: Wilhelm Heyne Verlag,
1998, 428 Seiten.
- Küchenhoff,
Erich: Die Darstellung der Frau und die Behandlung von
Frauenfragen im Fernsehen. Schriften des Bundesministeriums
für Jugend, Familie und Gesundheit Bd. 34, Stuttgart,
1975
- Mikos, Lothar:
Es wird dein Leben! Familienserien im Fernsehen und im
Alltag der Zuschauer. Münster: MAkS Publikationen
1994
- Mühlen-Achs,
Gitta: Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts.
In: Gitta Mühlen Achs; Bernd Schorb (Hg.): Geschlecht
und Medien, München: KoPäd 1995, S. 13-38
- Mühlen-Achs,
Gitta: Geschlecht bewußt gemacht: Körpersprachliche
Inszenierungen. München: Frauenoffensive 1998
- Mulvey, Laura:
Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Screen 16/1975/3,
S. 6-18
- Rye, Graham:
Die James Bond Girls: Von Dr. No bis Goldeneye. Königswinter:
Heel Verlag 1995, 70 Seiten
- van Dijck,
Bernadette: Successful International Co-operation in the
Promoting Good Practice in Gender Portrayal Project. http://www.yle.fi/gender/dijck.html;
(Auch als Broschüre: Project: Promoting Good Practice
in Gender Portrayal in Television. Who speaks in television
- An international comparative study on female participation
in television programmes. NRK Research Department (Hg.).
Oslo: NRK 1999
- Weiderer,
Monika: Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen
- Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von
ARD, ZDF und RTLplus. Regensburg: S. Roeder Verlag1993.
- Wolf, Naomi: Der Mythos Schönheit.
Reinbek: Rohwohlt1991.
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