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Welchen Wert haben Klassiker des Kinderfernsehens für Kinder? – Eine qualitative Studie (2015)

Insgesamt 429 Kinder aus Bayern und Nordrhein-Westfalen durften sich eine für sie besonders bedeutsame Figur unter den Klassikern Pumuckl, Biene Maja, Wickie und Pippi Langstrumpf aussuchen. Sie malten und beschrieben die subjektive Bedeutsamkeit der Figur mittels offener Fragen. Das Besondere: Die Kinder wurden Akteure ihrer eigenen Vergangenheit, indem sie retrospektiv ihre Erfahrungen mit der Figur, die bedeutsamen Momente und den Gebrauchswert herausarbeiteten. Zudem wurden sie gebeten, im Sinne des Third-Person-Effects die Wirkung der Figur für jüngere Kinder sowie den Umgang ihrer Eltern mit der Figur zu beurteilen. Mit dieser phänomenologischen Vorgehensweise sollte der Wesenskern klassischer Fernsehfiguren unter Beachtung der kindlichen Perspektive beleuchtet werden.

Ergebnisse: Bei Pippi Langstrumpf ist es vor allem die Einzigartigkeit der Figur, ihre Kraft und Selbstständigkeit, die sie für Kinder attraktiv macht. Mit ihr können sich Kinder als besonders und einzigartig denken. Pippi bleibt in der Wahrnehmung der RezipientInnen unbegrenzt. Sie erlaubt es Kindern, die in ihrem Alltag ständig durch Regeln sowie körperliche und kognitive Defizite begrenzt sind, zu erleben, wie es wäre als Kind – nicht als Erwachsener – unbegrenzt zu sein. Sie lädt ein, die Welt eines Kindes mit den Mitteln eines Erwachsenen zu erleben. Diese Ambivalenz erzeugt ein interessantes Spannungsfeld, was Pippi besonders macht.

Beim Pumuckl faszinieren die Alltagsgeschichten, die dicht an der Erlebniswelt der Kinder sind. Sie erkennen sich in den impulsiven Wünschen von Pumuckl wieder und testen mit ihm gedanklich Grenzen aus. Besonders attraktiv ist dabei die Fähigkeit des Kobolds, sich unsichtbar zu machen. So ließen sich besser Streiche spielen und bei unangenehmen Konsequenzen kann man sich einfach entziehen. An Pumuckl können Kinder Erfahrungshorizonte abstecken. Pumuckl wird im Verlauf der Geschichten quasi sozialisiert wie ein Kind, mit viel Geduld und Sensibilität. Kinder können diesen Prozess stellvertretend mit durchleben und selbst entscheiden, wie sie sich – je nach ihrem Alter und Entwicklungsstand – positionieren.

Für Fans der Biene Maja geht es vor allem um die Figur selbst: Die Figur der Biene Maja steht im Zentrum, stets selbstbestimmt und mit hoher Selbstwirksamkeit. Die Serie erfüllt die zentralen psychischen Grundbedürfnisse von Kindern nach Anerkennung, Autonomie, Resonanz, Kompetenzerleben bei gleichzeitiger klarer Orientierung an einem prosozialen Wertekanon und der steten Versicherung: Die Biene Maja wird immer eingebunden, kompetent und nie wirklich allein oder gefährdet sein. Ein symbolisches Material, das Kinder für ihre Identitätsentwicklung, gerade in der früheren Kindheit gewinnbringend nutzen können.

In der Figur Wickie finden viele Kinder ihre eigene Lebenssituation wieder: als kleiner Mensch unter lauter großen, kraftvollen Erwachsenen. Sich hier nicht unterkriegen zu lassen, sondern den Großen zu zeigen, wie sich mit Köpfchen Probleme lösen lassen, gibt Mut und Orientierung. Zudem noch wild und zuweilen unflätig sein zu dürfen ist gerade für viele Jungen attraktiv. Die aufgrund der Androgynität von Wickie entstehenden Uneindeutigkeiten geben Freiräume für Fantasie.

Literatur:
Holler, Andrea: „Da muss ja der Bauch mitdenken, weil im Kopf gar nicht so viel Platz ist“. Was Pumuckl zum Klassiker macht. TelevIZIon 28/2015/2, S.81-85.
Götz, Maya: Die Biene Maya: nett, helfend und selbstbestimmt. TelevIZIon 28/2015/2, S.88-92.
Haager, Julia Sophie: Was macht Pippi Langstrumpf zum Klassiker? TelevIZIon 28/2015/2, S.77-80.
Holler, Andrea: Was Wickie aus Kindersicht zum Klassiker macht. TelevIZIon 28/2015/2, S.93-95.