Bayern 2 - Zündfunk

Psychologie und Pop Was ist dran an der "Post Concert Depression"?

Wenn das Konzert vorbei ist, fallen viele Menschen in ein tiefes Loch. Das Phänomen wird in den sozialen Medien neuerdings als "Post Concert Depression" beschrieben. Aber passt der Begriff? Denn hinter dem Phänomen steckt eigentlich etwas ganz anderes.

Von: Tanja Munsch

Stand: 18.08.2023

Ennio auf der Bühne während des PULS Open Air Festivals 2023 auf Schloss Kaltenberg. | Bild: BR/Käthe deKoe

Schon der Ticketkauf war aufregend, gefolgt von monatelanger Vorfreude. Man plant sein Outfit, hört die Songs so lange, bis man sie auswendig kann. Und dann passiert es endlich: Mit dutzenden, manchmal hunderten oder tausenden anderen erlebt man seine Lieblingsband auf der Bühne. Es ist ein richtiger Glücksrausch. Doch auf manche wartet danach - ein tiefes Loch: Immer öfter berichten Menschen in den sozialen Medien davon, dass sie sich nach einem Konzert traurig oder leer fühlen.

Sie nennen es „Post Concert Depression“ oder Post-Konzert-Depression. Das hat auch Illayda erlebt. Sie war auf dem iÇ İÇE Festival in München, ein Festival für neue anatolische Musik: "Nach dem Festival fühlte es sich für mich so an, als würde ich in ein Loch ohne Boden fallen. Ich war auf jeden Fall die Woche danach sehr demotiviert und habe mich sozial sehr stark zurückgezogen. Ich tat mich schwer damit, in die Arbeit zu gehen oder darin, meinen Verpflichtungen nachzugehen. Ich lag wirklich nur noch im Bett und wollte es einfach nicht wahrhaben, dass es zu Ende ist."

Katerstimmung oder innere Leere?

Alle Endorphine aufgebraucht.

Aber was genau ist das eigentlich, eine Post Concert Depression? Das weiß Sophie Einwächter. Sie ist Medienwissenschaftlerin an der Uni Marburg und forscht zu Fankultur: "Eigentlich ist dieses Phänomen die Kehrseite der Einzigartigkeit eines großen Glücksgefühls. Das was sich bei vielen Leuten einstellt, wenn sie auf Konzerte gehen. Dann ist das Konzert vorbei und es stellt sich ein großes Gefühl der Leere bei ihnen ein." Eine Post Concert Depression entsteht, weil man sich intensiv mit dem Konzert auseinandersetzt. Sophie Einwächter sagt, das das Event für Fans schon mit der Vorbereitung darauf beginnt und Struktur in ihren Alltag bringt: "Und danach muss es so eine Art Entzugsgefühl sein. Ich denke, deswegen vergleichen es viele es einerseits mit Depression, andererseits mit solchen Katerstimmungserlebnissen. Weil etwas, das einem vorher Glück geben hat, dann wegfällt."

Die Vertreibung aus dem Paradies?

Konzerte sind intensive Erlebnisse. Fans sehen jemanden auf der Bühne, den sie vielleicht schon lange bewundern. Und Menschen spüren die Verbundenheit mit anderen, fühlen sich als Teil eines großen Ganzen. Als queere Person oder Person mit Rassismus oder anderen Ausgrenzungserfahrungen, fühlt man sich auf bestimmten Konzerten vielleicht besonders sicher und angenommen.  

Da war die Welt noch in Ordnung

Auch Illayda spricht von einem starken Gemeinschaftsgefühl auf dem Ic-Ice Festival, das vor allem für PoCs/nicht-weiße Menschen/Menschen mit migrantischer Geschichte eine Art Schutzraum schafft: "Ich habe es so empfunden, dass Menschen mit denselben Interessen zusammentreffen und sich wirklich eine Familie gefunden hat, die vorher irgendwie nicht da war und eine Community entstanden ist, die das Gefühl der Zugehörigkeit und der Liebe in einem hat wachsen lassen. Und für mich persönlich gibt es nur ein vor und ein nach dem iÇ İÇE."

Depression ist nicht gleich Depression

Der Begriff Post Concert Depression ist aber nicht unumstritten. Klinisch wurde der Begriff bisher noch nicht untersucht. Eine Psychologin hat mir am Telefon erzählt, dass es keine offizielle Diagnose ist. Dementsprechend gibt es auch keine eindeutigen Symptome oder Behandlungsansätze. Sophie Einwächter sagt: "Wobei eigentlich alle Leute, die diesen Begriff verwenden, sich auch sehr bewusst sind: Es handelt sich nicht um eine richtige Depression, eine klinische, sondern einfach um ein tiefes Gefühl der Leere und der Trauer, manchmal auch der Verlassenheit."

Ob aus einer Post Concert Depression eine richtige Depression werden kann, das wurde bisher noch nicht erforscht. Wenn man sie aber schon einmal erlebt hat, dann kann man sich beim nächsten Konzert dagegen wappnen. Illayda hat sich folgendes vorgenommen: "Für zukünftige Konzerte und Festivals nehme ich mir mit, dass ich die schönen erlebten Gefühle immer wieder erleben kann und keine Angst davor haben brauche, mich nie wieder so frei und sicher fühlen zu können. Ich nehme mir daher auch das Recht, mich auch außerhalb von solchen Veranstaltungen sicher und frei zu fühlen und gehe mit dieser Haltung auch in eine gewisse politische Haltung, denn jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, sich zugehörig, respektiert und gehört zu fühlen."