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Neu auf Netflix Die Doku-Serie „Depp vs. Heard“ wagt zu wenig und lohnt sich doch

Der Schlammschlacht, die sich Hollywoodstar Johnny Depp und seine Ex-Frau Amber Heard letztes Jahr vor Gericht lieferten, konnte man fast nicht entkommen. Nun beschäftigt sich eine neue Dokumentation auf Netflix mit dem Prozess. Sie wirft viele wichtige Fragen auf – aber Antworten gibt es nur oberflächlich.

Von: Tanja Munsch

Stand: 29.08.2023

Johnny Depp und Amber Heard im Gerichtssaal, 26.5.2022 | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Es war der wohl absurdeste und meistdiskutierte Gerichtsprozess des letzten Jahres. Monatelang berichtete die Klatschpresse über nichts anderes als: Johnny Depp gegen Amber Heard. Und auch diesen Sommer kommt man am Promi-Prozess nicht vorbei: Eine dreistündige Doku-Serie hat der Streamingdienstleister Netflix produziert, seit Tagen dominiert er dort die Seriencharts.

Angefangen hatte alles mit einem Gastbeitrag in der Washington Post, in dem Amber Heard Johnny Depp häusliche und sexuelle Gewalt vorwarf. Depp klagte sie wegen Verleumdung an, also wegen unwahren Aussagen, die seinen Ruf schädigten. Heard reagierte mit einer Gegenklage. Der Prozess wurde in Virginia ausgetragen – unter den Augen der Öffentlichkeit, die das Spektakel wochenlang per Live Stream verfolgt.

Der reinste Social Media-Zirkus

Fans vor dem Gericht: Entweder Team Depp oder Team Heard

Über 200 Stunden des Prozesses hat die Regisseurin Emma Cooper zusammengeschnitten. Das Positive: Es geht nicht nochmal um die Details dieser beispiellosen Schlammschlacht, man hätte es ja alles nochmal ausschlachten können. Hat Amber Heard aus Rache in Johnny Depps Bett gekackt oder war es doch der Hund? Darum geht es den Macher:innen aber nicht. Emma Cooper rückt stattdessen die Influencer in den Mittelpunkt, die Content-Creator, TikToker, Instagrammer, die sich an Depp vs. Heard ergötzt haben, und die Zuschauer, die das Verfahren gebannt am Smartphone verfolgt haben. Ein „ Dokument  der Zeitgeschichte“ wollte sie damit erschaffen. Aber ist es ihr auch gelungen?

Influencer als zweite Jury

Die zentralen Fragen der Dokuserie: Wie haben die sozialen Medien zur Desinformation beigetragen? Wieviel Geld haben Content Creator mit ihren Videos und Beiträgen verdient? Und wie hat die öffentliche Meinung das Verfahren beeinflusst? Hat die Öffentlichkeit als eine Art zweite Jury gehandelt?

Es fehlt an Einordnung

Ihre Doku soll unparteiisch sein, sagt die Regisseurin. Und ja, die Sprechanteile sind ausgewogen, Aussage wird gegen Aussage geschnitten, „Depp vs. Heard“ ergreift weder Partei für Heard noch für Depp. Aber die Einordnung fehlt zu häufig. Zum Beispiel Kontextinformationen oder Hintergrund zu den Sprecherinnen. Einer der Content Creator aus der Doku, Andy Signore, der über 300 Videos zu dem Prozess veröffentlicht hat, soll zum Beispiel wegen sexuellem Fehlverhalten entlassen worden sein. Davon aber kein Wort in der Doku. Und immer wieder fallen Schlagworte und verhallen dann wieder – MeToo, Männerrechte, häusliche Gewalt. Aber hat der Prozess die MeToo-Bewegung nun zurückgeworfen? Hat er für einen konservativen Backlash in feministischen Debatten gesorgt?

Was können wir als Gesellschaft lernen?

Und tschüss! Der Prozess "Depp vs Heard" dauerte sechs Wochen, die Auseinandersetzung mehrere Jahre.

Immerhin: Ganz am Ende wagt die Doku einen analytischeren Blick auf das, was im Gerichtssaal passiert ist. Und hält allen, die das ganze voyeuristisch verfolgt haben, den Spiegel vor. Der Hass, das Ausblenden von Widersprüchen, die Leidenschaft für Johnny Depp, einfach nur, weil man ihn als Jack Sparrow noch in guter Erinnerung hat. Und so fiel das Urteil schon, bevor die Richterin es im Gerichtssaal verkündete. Ob wir daraus als Gesellschaft etwas lernen? Vielleicht sollten einige Dinge besser im Gerichtssaal bleiben und sind nichts für die sozialen Medien. Und auch wenn es wehtut: Beim nächsten Prozess dieser Art sollte man sich auch nicht mehr darüber amüsieren, wo der Hund nun hingekackt hat.