Bayern 2 - Zündfunk

Franz Dobler im Interview „Es gibt Bücher, die man erst mit fortgeschrittenem Alter schreiben kann“

Franz Dobler schreibt Krimis. Und Gedichte. Nun ist zum ersten Mal ein autobiografischer Roman von ihm erschienen. „Ein Sohn von zwei Müttern“ erzählt die Geschichte einer Adoption und von einem bayrischen Jungen mit persischen Wurzeln. Was macht einen zu demjenigen, der man ist, darüber hat der Zündfunk mit Franz Dobler gesprochen.

Von: Michael Bartle

Stand: 15.03.2024

Schriftsteller Franz Dobler | Bild: Ralf Illing / Tom Produkt

Zündfunk: Du hast ein autobiografisches Buch geschrieben, „Ein Sohn von zwei Müttern“. Warum hast Du das erst jetzt geschrieben?

Franz Dobler: Ich glaube, dass es Bücher gibt, die man erst mit fortgeschrittenem Alter schreiben kann, bis sich Erfahrungen ansammeln und auch setzen, bis man die besser überblicken kann. Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, da ist etwas, das beschäftigt mich immer wieder und dann dachte ich, ich muss dieses Buch aus dem Weg räumen, weil ich keine Lust habe, dass mich das immer wieder beschäftigt.

Gab es dann einen konkreten Auslöser für das Buch?

Der Kick war dann, dass eine Folge der Sitcom „Seinfeld“. Da ging es um einen New Yorker Serienkiller und da kam der Gag, der wurde zum Serienkiller, weil er ein adoptiertes Kind ist. In dem Moment bin ich echt vom Sofa aufgesprungen und dachte, hey, was ist das denn, das habe ich noch nie gehört. Und das habe ich mir genauer angeschaut…

Und hast dich gefragt, warum bist Du immer noch kein Serienkiller?

So ungefähr. Oder bin ich in Gefahr oder so. Und es gibt wirklich so ganz dubiose Wissenschaftler, die mit statistischen Zahlen, die auch dubios sind, in die Richtung gehen, dass also adoptierte Kinder für viele Sachen gefährdet sind: Faulheit, Lügen, schlecht in der Schule, Abhauen wollen, lauter so Zeug, dass das häufiger auftritt als bei sozusagen normal aufwachsenden Kindern. Dem nachzugehen, das war dann wie so ein Motor. Ich fand es eine unglaubliche Behauptung, die ist wissenschaftlich auch überhaupt nicht haltbar. Aber es gibt die eben und wenn morgen in München jemand ein paar Leute killt und das ist ein adoptiertes Kind, wird es garantiert von der Boulevardpresse ausgegraben. Dann kommt dieser ganze Mist wieder hoch.

Eine wichtige Frage für Dich war, ob Adoption ein Weggegeben oder Freigegeben ist. Wie hast du das für dich geklärt?

Franz Dobler: Franz Dobler: Ein Sohn von zwei Müttern ist im Tropen Verlag erschienen

In dem Fall des Erzählers – und in meinem Fall – bin ich der Meinung, dass es ein Freigegeben war. Adoption hat eigentlich immer mit sozialer Notlage zu tun, die Frauen betrifft, die eben ein Kind freigeben. Und meine Überlegung war: Was wäre eigentlich geworden, wenn ich bei dieser Frau geblieben wäre, in einer sozialen Notlage? Das hätte ja wahrscheinlich nur in den Graben gehen können. Also ist es doch gut, wenn sich eine Frau in so einer Situation entschließt, ein Kind freizugeben, weil auf der anderen Seite betrifft es dann Leute, die aus irgendeinem Grund kein Kind bekommen können oder keines mehr bekommen können. Das ist, glaube ich ein wesentlicher Punkt, den ich vermitteln wollte: Das es etwas Positives ist.

Bei deiner leiblichen Mutter oder der leiblichen Mutter des Erzählers war es ja auch so, dass sie die Schwangerschaft zunächst verheimlichen wollte oder musste.

Es war einfach die sehr häufige Situation einer unverheirateten und sehr jungen Frau, die einfach nicht wusste, wie sie damit umgehen soll. Das war natürlich typisch für die Zeit um 1960 herum, behaftet mit großen Schuldgefühlen. Es ist eine Schande, also immer noch, ein uneheliches Kind zu bekommen. In katholischen Kreisen war das eben so, und aus dieser Situation ist meine Geschichte entstanden. Das war eine sehr kurze Affäre mit einem persischen Austauschstudenten. Wobei ich jetzt gar nicht weiß, ob „die Schande“ damals größer war als heute, wo wir mit steigenden Neonazi- und AFD-Zahlen konfrontiert sind.

Prägend war für Dich später die Musik.

Ich habe einfach beschrieben, dass Einflüsse von außen wahnsinnig wichtig waren für mich. James Chanca zum Beispiel, der heute, glaube ich, ziemlich vergessen ist. Die bahnbrechende Platte „No New York“...

Von Brian Eno kompilliert.

Genau, Brian Eno war damals der Producer. Die Compilation hat mit einer Punk-Geste trotzdem diese engen Regeln von Punk auf den Kopf gestellt, hat eigentlich dagegen  angekämpft. Ähnlich bahnbrechend war die Entdeckung von Reggae of The Clash-Platten. Dadurch öffnen sich halt permanent neue Welten.