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„3 Body Problem“ Warum die neue Hype-Serie kein Whitewashing der Trisolaris Romanvorlagen betreibt

Die neue Sci-Fi-Serie der „Game of Thrones“-Macher verlegt die Handlung der Romanvorlagen aus China in den Westen.Warum der Autor der Trisolaris-Trilogie damit kein kein Problem haben dürfte und was die Serie trotz aller Mankos sehenswert macht.

Von: Moritz Jelting

Stand: 25.03.2024

Szene aus "3 Body Problem" | Bild: Courtesey of Netflix

Die Teilchenbeschleuniger der ganzen Welt spielen verrückt, eine unbeschreibliche Selbstmordserie führender Wissenschaftler*innen und dann, eines Nachts, blinken die Sterne, als ob sie einen Morsecode versenden. Die gehypte Netflix Serie „3 Body Problem“ startet wie eine typische Science-Fiction-Serie mit vielen spannenden Rätseln, die es Folge für Folge herauszufinden gilt.

Wer sind die? Wer ist da draußen und will anscheinend der gesamten Menschheit etwas sagen? Fragen, der die Serie auf mehreren Zeitebenen hinterher jagt. Im Jahr 1977 versucht die chinesische Physikerin Ye Wenjie das kosmische Rätsel zu lösen, in der Jetztzeit sind es die sogenannten „Oxford 5“ – die fünf vielversprechendsten Wissenschafts-Protegés der bekannten Universität. Schon in den ersten Folgen wird klar: Es kommt eine Bedrohung auf die Erde zu und die Menschen haben 400 Jahre Zeit, sich darauf vorzubereiten.

„Game of Thrones"-Macher führen bei „3 Body Problem“ Regie

Auch wenn die Geschichte der derzeit von Netflix wohl am meisten beworbenen Serie sehr spannend ist: allein damit bekommt man heutzutage niemanden mehr dazu, nicht doch lieber zum zehnten Mal Friends durchzusuchten. Dafür braucht es schon Geschichten hinter der Serie. Hier zumindest liefert „3 Body Problem“ ab.

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3 Body Problem | Final Trailer | Netflix | Bild: Netflix (via YouTube)

3 Body Problem | Final Trailer | Netflix

Schon die Namen der Regisseure sorgen unter Serien-Fans für gemischte Gefühle. David Benioff und D.B. Weis waren zwar für die Serie „Game of Thrones“ verantwortlich – aber eben auch für die misslungene letzte Staffel, für die es keine Buchvorlage mehr gab. Und dann wäre da noch Netflix selbst. Das Unternehmen hat schon längst seine Vormachtstellung im Streaming-Business aufgegeben, und diese Serie ist ein teurer Versuch, endlich wieder einen Riesen-Hit zu schaffen. Zahlt sich das Risiko aus?

Trisolaris-Trilogie: Sci-Fi-Bestseller als Romanvorlage für „3 Body Problem“

Vor allem aber ist da die Romanvorlage für die Serie: die Trisolaris-Trilogie von Cixin Liu. Die Bücher werden zu den besten Science-Fiction-Romanen des 21. Jahrhunderts gezählt und schafften es in mehreren Ländern mit Anhieb auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Cixin Liu gilt als Gallionsfigur einer unerwartet florierenden Science-Fiction-Szene in China. Ein Entwicklung, die der Autor selbst dem Zündfunk 2018 so beschreibt:

"Als die Science-Fiction-Literatur erstmals in China wahrgenommen und gefördert wurde, galt sie als Instrument, um populäre Wissenschaft zu verbreiten. Ihre erste Blütezeit erlebte sie in den 1950er-Jahren, als Kinderliteratur. Aber im 21. Jahrhundert hat Science-Fiction diese Aufgabe nicht mehr. Mit der Science-Fiction-Literatur, besonders aus Amerika, ändert sich auch die chinesische Science-Fiction zunehmend. Meine Romane folgen dem traditionellen Modell, es geht hauptsächlich um Fantasien, die ganz streng auf Wissenschaft basieren, oder es geht um unsere Träume, unsere Hoffnungen, das Universum zu erschließen und zu entdecken. Das sind die Themen meiner Bücher."

- Cixin Liu, Autor der Trisolaris-Trilogie

Die Herausforderungen einer Verfilmung der Trisolaris-Trilogie

Es handelt sich also um ein großes Vermächtnis, an das sich Netflix da wagt. Und es gab schon Versuche, die hochkomplexe Buchreihe zu verfilmen. Ein schon fertig gedrehter Kinofilm von 2016 wurde aufgrund von „bad quality“ für unbestimmte Zeit verschoben. Mit all diesem Hintergrundwissen wirkt der Ansatz, den Netflix beziehungsweise David Benioff und D.B. Weis verwenden, auf den ersten Blick verstörend, vor allem die großen Unterschiede zum Buch. Die Handlung wurde von China in den Westen, genauer gesagt nach Oxford in England verlegt. Hier stehen nun fünf Millenials verschiedener Nationalitäten im Mittelpunkt des Geschehens. Natürlich dürfen da auch Liebe, Verrat und Emotionen nicht fehlen – es soll sich ja jeder in die Charaktere reinfühlen können. Auch der Look wirkt generell eher unterwältigend. Gerade das CGI ist nicht ansatzweise so gut, wie etwa bei „Game of Thrones“ und ähnlichen Serien.

Und natürlich dürfen die sogenannten Needle-Drop-Songs, also die in Szenen integrierte Popmusik, nicht fehlen. Aber was bei „Stranger Things“ noch ganz gut funktioniert, fühlt sich bei „3 Body Problem“ etwas plump an. Zum Beispiel, wenn plötzlich Lana Del Rey abgespielt wird, obwohl es gerade um große wissenschaftliche Themen geht.

Was „3 Body Problem“ dennoch sehenswert macht

Drei Schauspieler aus "Game of Thrones" spielen auch bei "3 Body Problem" mit: Liam Cunningham, Jonathan Pryce und John Bradley.

Aber, und das ist ein großes Aber, mit all diesen Problemen darf man sich nicht aufhalten. Schon nach drei Folgen merkt man, wie gut die Chemie zwischen den neuen Charakteren eigentlich funktioniert. Die Arbeit von David Benioff und D.B. Weis erinnert hier viel eher an die frühen Staffeln von „Game of Thrones“, als an die letzte. Und wenn man einmal über den zurückhaltenden Look hinwegschaut, merkt man, wie gut die Serie die großen Fragen des Buches ins Hier und Heute überträgt. Was bringt einem ein Dienst für die Menschheit, wenn man selbst keinen Nutzen davonträgt? Was kann die Wissenschaft überhaupt noch beweisen? Und wie setzt man sich mit einer Bedrohung auseinander, die erst in 400 Jahren kommen soll?

Caro Matzko | Bild: Julia Müller zur Sendung Bayern 2 in der BR Radio App So könnt ihr den Zündfunk digital (nach)hören

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Auch das angeprangerte Whitewashing, also die Verwestlichung der Story, ist mehr als ein Marketing-Move von Netflix, um mehr Menschen abzuholen. Sie ist von den Rechteinhaber*innen explizit so gewollt. In China gibt es bereits eine sehr erfolgreiche Serie über die Bücher. Soll der Westen doch seine eigene Version haben. Das ist auch ganz im Sinne des Autors, der dem Zündfunk folgendes schon 2018 sagte: „Ich freue mich, wenn ein westlicher Leser meine Romane mag, weil er tolle Science-Fiction-Stories mag, nicht weil er in meinem Buch eine chinesische Story sucht.“