Ich dachte früher, Liebe wäre ein bisschen spektakulärer. Liebe hätte ein bisschen mehr Hintergrundmusik und Stimmungsleuchten. Aber es wird nie spektakulärer, als die letzte Zigarette mit ein bisschen mehr Andacht zu rauchen als alle vorigen, in Andacht und alleine und danach den Stummel in einen Abfluss zu kicken. Es gibt Tage, an denen ich glaube, dass ich das mit dem Lieben ganz gut hinbekomme; es gibt Nächte, da bin ich mir sicher. Wenn jemand raucht und das Gesicht beim Ausatmen wegdreht, ist das für mich schon ein Liebesbeweis. Die Sprachnachrichten, die Anrufe bei Kleinigkeiten, die Orte, an denen ich schon Haarspangen verloren habe, die kommentarlos versendeten Bilder oder Lieder, die Einladungen, die Gänsehaut in der Dämmerung, irgendjemand wird immer gerade verlassen, irgendjemand weiß immer nicht, wohin, und einer kann alle zum Lachen bringen mit seiner Art, eine Mandarine zu essen. (…) In der Bibel steht, die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Die Liebe handelt nicht ungehörig, sie sucht nicht ihren Vorteil, sie lässt sich nicht zum Zorn reizen, sie trägt das Böse nicht nach. Ich sage, die Liebe ist blind, die Liebe hat einen Schwerbehindertenausweis, die Liebe darf immer vorne sitzen.

Entnommen aus: Sophia Fritz "Gott hat mir nie das Du angeboten", Herder Verlag, Freiburg 2019