Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, IZI

Ausgabe: 12/1999/2 - TEXTAUSZUG:



Sue Howard und Susan Roberts

Moralpanik

Viele Zeitungen in Australien haben die "Teletubbies" – wie in anderen Ländern auch – ohne jeglichen Beweis mit Homosexualität, Drogenkonsum u.ä. in Verbindung gebracht. Die ersten Ergebnisse einer Studie dagegen machen Hoffnung.

Einführung

Die "Teletubbies" kommen im australischen Fernsehen um 7.30 Uhr morgens zusammen mit anderen Sendungen für Vorschulkinder, daher ist es sehr wahrscheinlich, dass nur ein geringer Prozentsatz der australischen Bevölkerung tatsächlich eine Folge der Serie gesehen hat, und der Großteil des tatsächlichen Publikums dürfte unter 5 Jahre alt sein. Unstrittig ist jedoch, dass der vielsagende Name "Teletubby" (tub: Faß) Eingang in den australischen Wortschatz gefunden hat und einschlägige Bedeutung und Aussagekraft besitzt. Shane Warne zum Beispiel, ein australischer Kricket-Held mit Gewichtsproblemen, wurde von einem Journalisten der nationalen Tageszeitung als ‘sporttreibender Teletubby’ bezeichnet (Australian vom 19.12.97). Und wiederum in der Tageszeitung The Australian stand in einem Artikel über die Forschungsergebnisse zum Thema Fettleibigkeit bei Kindern in einer der Überschriften, ‘Zu nachsichtige und zu besorgte Eltern machen aus ihren Kindern "Teletubbies"...’ (Australian vom 1.9.99) - das Begleitphoto dazu zeigt ein übergewichtiges Grundschulkind, das Kartoffelchips ißt und dazu Limonade trinkt, währenddessen es auf dem Sofa vor dem Fernseher lümmelt.

Wie diese Beispiele zeigen, sind die Bedeutungsnuancen, die mit "Teletubby" (mit kleinem oder auch großem T) einhergehen, ein wenig widersprüchlich - zum Teil mit Vorurteilen besetzt, zum Teil liebenswert. Um es vereinfacht auszudrücken: Sportasse und kleine Kinder = gut; fett und Fernsehen = schlecht. Wir glauben, dass diese widersprüchlichen Bedeutungen (besonders bei Leuten, die die Sendung nie gesehen haben) zum größten Teil auf das kritische Medienecho zurückzuführen ist, das die Serie hatte, noch ehe sie in Australien Anfang 1998 ausgestrahlt wurde. Einerseits wurde, wenn auch nervös, eingeräumt, dass die Serie eine große Fangemeinde hat und die Figuren niedlich sind, andererseits hagelte es Kritik (meistens aufgrund der Sprache und des Fehlens kognitiver Inhalte). Außerdem kamen die "Teletubbies" in manchen Artikeln im Zusammenhang mit so kontroversen Themen wie Drogen, Homosexualität, ausartendem Konsumverhalten und so weiter vor. In vielen dieser Artikel fielen Begriffe aus der Militärsprache, und das kindliche Publikum wurde als das unschuldige Opfer hingestellt, das machtlos der raubgierigen und korrupten Gewalt der "Teletubbies" ausgeliefert sei. Unserer Ansicht nach ist das alles zusammengenommen nichts anderes als ein klassischer Fall von ‘Moralpanik’.

Wir möchten hier die Kontroverse beleuchten, die die Berichterstattung über die "Teletubbies" in Australien begleitet hat, indem wir uns eine Reihe von ausgewählten Kommentaren und Kritiken ansehen. Wir werden die Hauptanklagepunkte herausarbeiten und zeigen, dass sie mit tieferen Ängsten zu tun haben können, wie es bei einer ‚Moralpanik‘ gern vorkommt. Weiters werden wir über unsere eigene Studie berichten, mit der wir herausfinden wollten, was an den "Teletubbies" dran ist, und warum die Kleinen so enthusiastisch darauf reagieren.

Die Meinung der Medien

Obwohl es auch hin und wieder in australischen Frauen- und Elternmagazinen Artikel über die "Teletubbies" gegeben hat, haben wir unseren Presseüberblick auf Zeitungen begrenzt, die in der Zeit zwischen Dezember 1997 und September 1999 erschienen sind. Bei den Zeitungen hatten wir als Zielgruppe die landesweite Tageszeitung The Australian, die große Tageszeitung des Staates New South Wales, The Sydney Morning Herald, und die große Tageszeitung Südaustraliens, The Advertiser. Außerdem sammelten wir ein paar Ausschnitte aus kleineren Publikationen. Zum Schluß hatten wir 49 Artikel - und das ist eine ganze Menge Text, wie wir meinen - für eine Sendung, die an die ganz kleinen Kinder gerichtet ist.

Im ersten Schritt analysierten wir den Inhalt der Artikel dahingehend, welche Hauptthemen die Autoren ansprachen und kamen dabei auf drei Bereiche: den ersten nannten wir ‘Sex und Drogen’, beim zweiten ging es um ‘Sprachliche Themen und Verdummung’, und der dritte handelte vom ‘Merchandising’ im Zusammenhang mit den "Teletubbies".

Sex und Drogen

Seitdem mit der Ausstrahlung der "Teletubbies" in Australien begonnen wurde (16. Februar 1998), unterstellte man der Serie, dass sie entweder alarmierende Anspielungen auf Drogen und Homosexualität hätte, oder verdächtig ansprechend auf Drogenkonsumenten und schwule Männer wirke. Gern sprach man auch von einem ‚Kult‘ und von ‚Abhängigkeit‘, wenn man die Popularität der "Teletubbies" beschrieb. Es ist auch interessant festzustellen, dass anscheinend nur wenige der Journalisten, die sich zu der Serie äußerten, tatsächlich eine Folge davon gesehen haben. Die meisten Artikel sind wiederaufgewärmte Sensationslust, abgeschrieben aus britischen und anderen überseeischen Zeitungen.

Noch bevor die Sendung im Programm war, schrieb Robin Oliver im Sydney Morning Herald (9.2.98) einen längeren Artikel über das bevorstehende Eintreffen der "Teletubbies"-Serie. Er beschreibt Tinky Winky bösartig als...

"...einen etwas größeren verlotterten Kerl im lila Anzug, der am Kopf so etwas wie einen Sardinenbüchsenschlüssel herausstehen hat, etwas lasch winkt und, ahem, eine rote Handtasche trägt."

Des weiteren schafft er es auch, der Art und Weise, wie die "Teletubbies" physische Zuneigung füreinander zeigen, einen unguten Beigeschmack zu verpassen: ‘Sie kugeln in einem Kokon von Glückseligkeit herum. Bald werden sie Gruppenknuddeln’. Um dem Leser jeden Zweifel zu nehmen, worum es bei den "Teletubbies" geht, fügt er noch hinzu:

"Es gibt Berichte wonach [...] Tinky Winky zum Kulthelden unter den Homosexuellen geworden ist [...]. Andrew Medhurst von der Sussex Universität erhielt begeisterten Pressezuspruch, als er den handtäschchenschwingenden Tinky Winky als die erste Schwulenikone für Vorschüler bezeichnete." (Sydney Morning Herald vom 9.2.98)

Einen Tag vor der australischen Erstausstrahlung der "Teletubbies" setzt die Adelaider Zeitung Sunday Mail (15.2.98) zum Thema Homosexualität noch eins drauf: die Figuren ‘... genießen in der britischen Szene Kultstatus, besonders bei den Schwulen, die Tinky Winky für sich vereinnahmt haben...’.

Ein Jahr darauf lässt The Advertiser (14.1.99) die sexuellen Andeutungen über Tinky Winky wieder aufleben: ‘Tinky Winky wirkt suspekt, und zwar aufgrund seines violetten Farbtons, seiner dreieckigen Antenne, die wie das Wir-sind-schwul-und-stolz-darauf-Symbol aussieht, und der Tatsache, dass er eine Handtasche trägt...’ Jedoch wurden Eltern erst direkt darauf aufmerksam gemacht, ihre Kinder vor dem korrumpierenden Einfluß Tinky Winkys zu schützen, als Pfarrer Jerry Falwell die Figur in seinem amerikanischen National Liberty Journal outete. The Advertiser (12.2.99) berichtet, wie Falwell in Aktion getreten war:

"... nachdem er Material zusammengetragen hatte, das seiner Auffassung nach die homosexuelle Natur der Figur untermauert. Eine Handtasche zu tragen, lila zu sein und eine dreieckige Antenne am Kopf zu haben sind alles klare Zeichen und Kinder könnten in moralischer Gefahr sein..."

The Australian (10.2.99) zitiert ebenso die ‘eindeutigen’ Schwulensymbole und außerdem Falwells Worte, wonach ‘diese subtilen Charakteristika zweifellos beabsichtigt sind und die Eltern vor diesen Elementen der Serie gewarnt werden sollten.’ Obwohl Falwell seine Aussagen später nach reiflicher Überlegung zurücknahm (Australian 20.2.99), stand in einem anderen Bericht, dass das amerikanische Christian Action Network gefordert hatte, jede Folge von "Teletubbies" mit dem Hinweis HC (für Homosexual Content, engl. Inhalt) zu kennzeichnen, damit Eltern vor den darin enthaltenen Gefahren gewarnt werden können (Advertiser 25.2.99).

Enttäuschend ist, dass es den Leserbriefschreibern überlassen blieb, diese Absurditäten zu hinterfragen - von den Kommentatoren und Journalisten kam nichts. Ein Leserbriefschreiber beschwert sich über ‘... die unglaublich ausführliche Berichterstattung (fast eine ganze Seite) über Jerry Falwells unlogische, bizarre Aussagen zur Kindersendung "Teletubbies".’ Ein anderer schreibt ironisch: ‚Sehen wir solche Absurdität doch positiv: falls Tinky Winky schwul ist, lehren Dipsy, Po and Laa Laa unsere Kinder, keine Aversion gegenüber Homosexuellen zu haben, indem sie fröhlich zusammen spielen‘. (Advertiser vom 16.2.99 und 17.2.99)

Die Verbindung der "Teletubbies" mit Drogen verläuft nach einem ähnlichen Muster, das auch bei der Sexualität herhalten musste. Kommentar und Kritik entstehen kaum aus der eigenen Erfahrung mit der Sendung, sondern setzen sich aus Berichten über Berichte zusammen, die irgendwo herkommen. Noch vor der Ausstrahlung der Serie in Australien beschreibt beispielsweise The Australian (13.12.97), wie die "Teletubbies" bei manchen überseeischen Kritikern in Verruf kamen, denn

"... mit der halluzinogenen Optik und seligen Ignoranz von Realität war die Show, so sagen sie, nichts anderes als eine televisuelle Hommage an die transformative Kraft der Droge Ecstasy - ein Eindruck, der anscheinend noch verstärkt wurde, als sich die Tubbies in einem berüchtigten Moment um einen riesigen Buchstaben versammelten, der vom Himmel herabschwebte. Und bei dem Buchstaben handelte es sich (zufällig?) um ein großes, phosphorizierendes ‘E’." (Australian, vom 13.12.97)

Eine Woche vor Sendebeginn berichtete The Sydney Morning Herald (9.2.98) in zwei aufeinanderfolgenden kurzen Absätzen, dass es Berichte gab, wonach bereits 6 Monate alte Babys ‘süchtig’ nach den "Teletubbies" seien und sich auch britische Drogenabhängige der Sendung völlig verschrieben hätten. Die Verbindung zwischen kleinen Kindern und Drogen wird schlauerweise nicht explizit hergestellt, ein starker begriffsentstellender Effekt ist aber dennoch da. Der Artikel fährt fort:

"Der New York Times zufolge, die sich mit den stark gefragten Zeitschriften der britischen Jugendkultur beschäftigt hat, ist es bei den Teenagern ‘in’ nach einer ‘mit Ecstasy durch-ravten Nacht’ heimzukommen und die ‘Teletubbies’ einzuschalten, um auf die verschlüsselten Drogen-Botschaften zu kommen...". (Sydney Morning Herald 9.2.98)

Einen Tag vor Sendebeginn der "Teletubbies" kamen von der Sunday Mail aus Adelaide noch exotischere Behauptungen:

"Attackiert wie auch bewundert werden die "Teletubbies" für die angebliche Symbolik, die Analytikern zufolge von Faschismus bis hin zu ‘religiösen Ritualen’ und drogeninspiriertem Verhalten reicht, das für die Psyche gefährlicher ist, als Crack zu rauchen’. " (Sunday Mail 15.2.98)

Auch im Zusammenhang mit völlig harmlosen Abschnitten der Sendung kommt immer wieder Vokabular aus dem Suchtbereich vor. Anne Wood, die die "Teletubbies" erfunden hat und produziert, wird nachgesagt, dass sie noch andere Figuren erfunden habe (z.B. Roland the Rat, Rosie and Jim), die ‘... Kleinkinder zu Fernsehsüchtigen machen...’ (Australian vom 7.7.98). Die Sendung ‘lässt [2- bis 3jährige] vor dem Bildschirm kleben’ (Australian vom 17.10.98) und eine Journalistin behauptet, dass ihr 2jähriger Neffe von den "Teletubbies" ‘innerhalb von 24 Stunden nach dem Erstkontakt nicht mehr davon loskam’ (Australian 10.1.98).

Das Enttäuschende an den Presseberichten zu diesen Themen ist, dass sie meist aus früheren Sensationsberichten zusammengeschrieben werden, z.B. wie sich diese oder jene Gruppe über die so verstandenen Anspielungen auf Drogen oder homosexuelle Neigungen und Symbole bei den "Teletubbies" entsetzt. Es wird kaum der Versuch gemacht, selbst eine Analyse durchzuführen, um diese Ansichten zu untermauern oder in Frage zu stellen. Ironischerweise kommen die klarsichtigsten Beurteilungen zu den "Teletubbies" von den Leserbriefschreibern, die wahrscheinlich Eltern von "Teletubbies"-Fans sind und daher mit dem Material wesentlich vertrauter sind, als es bei den Journalisten den Anschein hat.

Sprache und "Verdummung"

Als ob Sex und Drogen noch nicht reichen, die "Teletubbies" bekamen auch recht harsche Kritik bezüglich der Art der Sprache der Figuren und über den empfundenen Mangel an edukativem Inhalt des Programms. Der Hauptgrund für die Attacken ist die Babysprache, die die Figuren für ihre Kommunikation benutzen, denn sie wird als ungeeignetes Vorbild für Kinder in der frühen Sprechphase empfunden. Und das, obwohl jede Sendung im allgemeinen verschiedene Sprecharten enthält, angefangen beim 4jährigen mit Cockney-Akzent bis hin zur gewählten Sprechweise der Schauspielerin Penelope Keith. Wiederum geht es bei vielen Einwänden um britische Bedenken, weniger um die Sendung als solche. Die folgenden Auszüge aus der australischen Presse sind typische Beispiele dafür, wie die britische Angstmache, dass die Kinder das "Tubby-Kauderwelsch" imitieren könnten, anstatt richtig sprechen zu lernen, wiederaufgewärmt wird:

"Die bunten ‘Teletubbies’ leben im ‘Teletubby-Land’ und sprechen wie die Kleinkinder - oft lassen sie Verben und Pronomen einfach weg. Sie kommunizieren mit Blicken, Lachen und Worten, die nicht immer stimmen. Eltern und Lehrer in Großbritannien haben sich besorgt darüber geäußert, dass Kinder das Kauderwelsch nachahmen, anstatt richtiges Englisch zu verwenden." (Advertiser vom 15.2.98)

"Die ‘Teletubby’-Sprache - wenn denn überhaupt gesprochen wird - ist reduziert, ja ‘verdummt’, so drücken es viele Eltern und Lehrer aus. Anstatt richtige Worte zu fördern, mit denen kleine Kinder dann fertig werden müssen, kommt die ‘Teletubbies’-Sprache sozusagen schon vorgegurgelt, und der bei den Kindern - die ja große Imitatoren sind - einsetzende Sprachlernprozeß wird praktisch vorweggenommen. Die Regeln der Babysprache: Aus dem Roller (engl.: scooter), den Po, das Baby der Gruppe fährt, wird ‘cooter’, aus Vanillesauce (engl.: custard) wird ‘tustard’." (Sydney Morning Herald vom 9.2.98)

The Advertiser (12.11.98) führt immerhin Beweise an, dass australische Eltern und Lehrer die Besorgnis ihrer britischen Kollegen teilen:

"Viele australische Eltern sind über die Sendung ebenso verärgert. Das Problem bei den ‘Teletubbies’ ist, dass sie Babysprache sprechen. Also geht der Sprachtrend in diesem Monat in Richtung ‘ah-oh’ anstatt ‘hallo’, ‘coo-ta’ anstatt ‘scooter’ und ‘cu-ded’ anstatt ‘custard’... Kinderbetreuer in Adelaide haben ihre Besorgnis über die Art und Weise zum Ausdruck gebracht, wie die Kinder statt richtigem Englisch ‘Tubby’-Sprache verwenden." (Advertiser vom 12.11.98)

Der einzige Artikel, bei dem tatsächlich der Eindruck entsteht, dass der Autor die Sendung wirklich gesehen und eigene Schlüsse gezogen hat, anstatt sich Meinungen aus zweiter Hand zu bedienen, steht interessanterweise in einer Computerspielbesprechung einer wöchentlichen Computerbeilage:

"Zunächst scheint es, dass die ‘Teletubbies’ mit der Regel ‘keine Babysprache’, wenn’s ums Lernen geht, brechen. Sie sagen ‘ahoh’ statt ‘hallo’ und ‘gain a gain’‘ statt ‘again’. Das wird jedoch ausgeglichen, indem ein Sprecher mit klaren Worten erklärt, was sie gerade tun. Es gibt gar keinen Zweifel darüber, dass sich 2jährige sofort ‘zu Hause’ fühlen und ihnen die ‘Teletubbies’ und die Babysonne Spaß machen." (Australian 17.10.98)

Neben dem Vorwurf, sprachlich ein schlechtes Vorbild zu sein, befindet man auch, dass der ‘zweifelhafte edukative Inhalt’ der "Teletubbies" allgemein zur ‘Verdummung’ beim Kinderfernsehen beiträgt (Sydney Morning Herald vom 9.2.98). Patricia Edgar, die Leiterin der australischen Children’s Television Foundation ist bei der Beurteilung der Sendung hin- und hergerissen, hauptsächlich aufgrund des von ihr empfundenen Mangels an intellektueller Herausforderung:

"In Wirklichkeit lernen die Kinder von den ‘Teletubbies’ recht Widersprüchliches. Kinder [in der von der Sendung angepeilten Altersgruppe] lernen in diesen Jahren schneller, als jeder von uns später im Leben dazu in der Lage ist. Die Farben sind spektakulär, die Produktion ist hervorragend und die Themen sind gut, aber eigentlich bringt es die Kinder nicht weiter." (Advertiser vom 11.2.98)

Phillip Adams, den in Australien jeder kennt, und der ein bekannter Medienkommentator ist, nennt die "Teletubbies" ‘abscheulich’ und wirft die Sendung zusammen mit anderen Programmen - wie z.B. "Bananas in Pyjamas" und "The Wiggles" (beide sind in Australien extrem beliebt) - in einen Topf, nämlich, dass sie intellektuell auf dem Stand von ‘klebriger Vanillesauce’ sind. Er sagt:

"Kindersendungen sollten den Kindern helfen, geistig zu wachsen. Sie sollen helfen, ihnen Lebensfreude zu vermitteln und die Neugier zu befriedigen. Laßt uns um Himmels willen damit aufhören, kleine Kinder wie Hirntote zu behandeln. Ich bin absolut dafür, dass man zu sechs Monate alten Babys gu-gu sagt, aber wenn die Kinder drei oder vier sind, haben sie mehr verdient als dieses televisuelle Gegenstück zu klebriger Vanillesauce. Es kommt die Zeit, in der Kinder richtige, substantielle Kost anschauen und auch essen müssen." (Australian vom 2.1.99)

Mit einer allgemeinen Schrift zum Thema Fernsehen und Kleinkinder hat sich die American Academy of Pediatrics AAP (die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde) ebenfalls an der Diskussion über den Einfluß sogenannter ‘geisttötender’ Programme auf Kleinkinder beteiligt. The Australian fing wie folgt mit dem Bericht an:

"Mit ‘Play School’ ist es für Kinder unter zwei Jahren vorbei. Das gleiche gilt für ‘Sesamstraße’ und sogar für den Megahit ‘Teletubbies’ - wenn es nach der Amerikanischen Akademie für Kinderheilkunde geht... Der Fernseher ist alles andere als ein ‘elektronischer Babysitter’ und sollte für Kinder unter zwei Jahren, den entscheidenden Jahren für die Gehirnentwicklung, tabu sein."

Es folgten vage und unbelegte Behauptungen, wonach das Fernsehen bei unter 2jährigen die Entwicklung in einer ‘entscheidenden’ Phase behindert und die Kinder dazu verleitet, geistlos, tumb und fett zu werden.

Zwar wies der Sydney Morning Herald (5.8.99) den Rat der AAP zurück, Fernsehen für die unter 2jährigen zu verbieten, berichtete dafür aber vom Royal Australasian College of Physicians (RACP), dass man dort praktischen Ärzten empfiehlt, Eltern über die Fernsehgewohnheiten ihrer Kinder (welche Programme, wie lange) zu befragen, denn nach Meinung des Direktors für Gesundheitspolitik:

"... kann Fernsehen die geistige, soziale und körperliche Gesundheit von Kindern beeinträchtigen, und das sollte bei der Krankheitsdiagnose bedacht werden, insbesondere bei Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen." (Sydney Morning Herald vom 5.8.99)

In diesem Artikel stellt die RACP auf der Basis eines Indikators - dem Umfang des Fernsehkonsums - die Verbindung zwischen Fernsehen in früher Kindheit und den damit verbundenen Geistes- und Persönlichkeitsstörungen her. Einer kürzlich von der Australian Broadcasting Authority (ABA) veröffentlichten Studie (Cuppitt et al. 1998) war unter vielen anderen Dingen zu entnehmen, dass Zweieinhalbjährige etwas unter anderthalb Stunden pro Tag fernsehen und Vierjährige bis zu zweieinhalb Stunden vor dem Fernseher sitzen. Ein Wirbel an ‘Schock-Horror’-Schlagzeilen ging mit dieser Studie einher: "Die TV-Süchtigen in Windeln" (Advertiser vom 20.7.99); "Kinder verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher als in der Schule" (Australian vom 20.7.99); "Kleinkinder sehen zu viel fern" (Sun-Herald vom 18.7.99); "Das Fernsehen bemächtigt sich des Lebens von Kleinkindern" (Herald Sun vom 20.7.99) und "Sklaven der Glotze" (Daily Telegraph vom 20.7.99).

In dem gesamten Presse-Echo befindet sich kein Hinweis darauf, dass ein beachtlicher Teil der Studie überzeugend die zu simple Auffassung ‘das Kind ist das Opfer des Fernsehens’ in Frage gestellt hat, die in den Artikeln zum Ausdruck kommt. Es werden auch keine Forschungsergebnisse der letzten Zeit zitiert, wonach Kinder eben nicht hirnlos vor dem Fernseher sitzen, sondern sich das Fernsehen vielfach genauso zunutze machen wie alles andere in ihrem Umfeld, um dadurch über die Welt nachzudenken und sie begreifen zu lernen (siehe Lealand 1998; Howard 1998). Die alte Überzeugung der Verhaltensforscher, dass die vom Fernsehen ausgehende ‘Wirkung’ zwangsläufig einseitig und korrumpierend ist (siehe z.B. Winn 1985), kommt in diesen Berichten überall deutlich durch.

Zwei weitere überraschende Dinge fallen in der Presse zu den Themen ‘Sprache und Verdummung’ auf. Als erstes stellt man fest, dass die Kritiker nur sehr wenig mit der Programmgeschichte des Fernsehens vertraut sind. Zahlreiche beliebte Fernsehshows der 50er Jahre, wie z.B. "Watch With Mother" und "Bill und Ben", beinhalteten ‘Babysprache’ und prägten solch denkwürdige Wortschöpfungen wie ‘Flobabdob’! Seit den 50er Jahren scheinen die Alternative für australische Vorschulkinder Sendungen mit stummen Figuren zu sein, für die ein Erwachsener spricht (z.B. Humphrey B. Bear in "Here’s Humphrey" oder Big Ted und Jemima in "Play School").

Zweitens hat es wieder einmal den Anschein, dass die Leute nicht von vornherein darum bemüht sind, sich eine eigene Meinung über die Sendung zu bilden oder Rat von Fachleuten auf diesem Gebiet einzuholen. Von den 49 Presseartikeln, die wir durchgesehen haben, enthielt nur einer die Aussage von Fachleuten über die Struktur des Programms und die Sprachmodelle, die darin enthalten sind: Eine Studie, die von Wissenschaftlern der Sheffield Hallam Universität in Großbritannien durchgeführt wurde, kam zu dem Schluß:

"Ganz klar waren Linguisten an der Entstehung dieser ansprechenden Figuren beteiligt, die so geschickt mit Wiederholungen und Reimen umzugehen verstehen [...] Die ‘Teletubbies’ zeigen beeindruckend, wie Populärkultur eine wertvolle Anregung für die Arbeit mit Sprache und Literatur bei Kindern sein kann. [...] Kinder, die normalerweise am Schreiben weniger interessiert sind, überschlagen sich fast vor Eifer, wenn sie über diese vertrauten Figuren schreiben dürfen." (Sydney Morning Herald vom 25.8.99)

Es gibt noch weitere Fachstimmen: zum Beispiel sagt die anerkannte amerikanische Linguistin Lois Bloom über den potentiellen Wert der "Teletubbies":

"Folgende Bestandteile empfinde ich als beachtenswert... Erstens die Wiederholung [...], die kurzen Segmente werden zweimal, oft dreimal gezeigt, somit können kleine 1- bis 2jährige, die beim ersten Mal etwas verpaßt haben, noch einen Versuch starten, beim nächsten Mal alles zu verstehen. Zweitens spiegeln die Kurzszenen Konzepte wissenschaftlicher Arbeit im Bereich der normalen Sprachaneignung von mir und anderen wider: besonders den Gebrauch von Beziehungswörtern wie ‚’more’, ‘again’, ‘ah-oh’ und ‘gone’ - ziemlich grundlegende Begriffs- bzw. Wort-Verbindungen von Einjährigen [...]. Alles ist ganz langsam, einfach, bunt und ansprechend, Erwartungen werden geweckt und es gibt Überraschungen. [...] Wirkt sich der Gebrauch von sogenannter ‘Babysprache’ schädigend aus? Vielleicht gibt es irgendwann einmal eine Studie, die das bejaht, ich bezweifle es jedoch sehr." (Bloom, 1999)

Angesichts der schlechten Presse bezüglich der Sprache und des ‘zweifelhaften edukativen Wertes’ der "Teletubbies" ist es verständlich, dass es heißt, australische Eltern, Kindergärten und Vorschulen verbannen die Sendung, das Spielzeug, die Bücher und Videos. Wäre man der Diskussion um die Serie mit etwas mehr Information begegnet, hätte das geholfen, Ängste zu minimieren, aber zugegebenermaßen wäre das Thema so wesentlich weniger pressewirksam gewesen.

Merchandising

Ein Großteil der Berichterstattung über den Erfolg der "Teletubbies"-Artikel geschieht unter kommerziellem Aspekt und die Sprache strotzt geradezu vor Militarismen: Die "Teletubbies" ‘sind auf dem Weg, sich die Welt untertan zu machen’ (The Sydney Morning Herald vom 9.2.98), ‘nehmen die Welt im Sturm ein’ (Advertiser vom 25.8.98) und ‘haben Großbritannien erobert’ (The Sydney Morning Herald vom 9.2.98), wo ihr Debut ‘vergangenes Weihnachten Mini-Aufstände und Rationierungsmaßnahmen auslöste’ (Advertiser vom 26.3.98). Der Aufruhr geht in Neuseeland weiter:

"Die ‘Teletubbies’ gehören in den ABC-Läden in Adelaide zu den Bestsellern unter den Spielsachen und jetzt hat die Manie auch Neuseeland erreicht. Gestern wurden Kinder aus ihren Buggys gekippt und ältere Leute auf die Seite gerempelt, als etwa 100 Leute das Geschäft ‘The Warehouse’ in Hamilton stürmten, um sich die erste ‘Teletubbies’-Lieferung zu schnappen. Die Ware war in weniger als einer Minute weg. Die Polizei erhielt mehrere Beschwerden von Leuten, die überrannt worden waren." (Advertiser vom 30.7.98)

Im Wirtschaftsteil geht es schwerpunktmäßig um das Geld, das die "Teletubbies"-Artikel für die BBC einbringen - ein geschätzter Betrag zwischen 50 Millionen (Australian vom 2.1.99) und 62,57 Millionen australischen Dollars (Herald Sun vom 18.7.98). Mit Ehrfurcht begegnet man den gewaltigen Umsätzen, die in Großbritannien im vergangenen Weihnachtsgeschäft erzielt wurden, wo "Teletubby"-Puppen sogar noch vor Spice Girls-Puppen lagen (Advertiser vom 11.2.98) und es ein "Teletubby"-Lied (zum größten Teil aus Babygeräuschen bestehend) bis in die Hitparade schaffte (Sydney Morning Herald vom 9.2.98). In einem anderen Beitrag steht, dass in Großbritannien innerhalb eines knappen Jahres 2 Millionen "Teletubbies"-Videos verkauft wurden (Australian vom 12.3.98). Natürlich herrscht eine gewisse freudige Erwartung darüber, dass die Produkte in Australien genauso erfolgreich sein werden: "Die Nachfrage nach ‘Teletubby’-Puppen übersteigt das Angebot bei weitem, eine Situation, so vertrauen die Händler im stillen, die hier auch eintreten wird." (Advertiser vom 11.2.98).

lässt man die Triumphberichte der Wirtschaftsseiten beiseite, zeigt sich eine etwas zwiespältigere Haltung zum Erfolg der "Teletubbies"-Merchandisingartikel. Buckingham (1993, S. 242) weist darauf hin, dass es bei den Befürchtungen im Zusammenhang mit der Fernsehwerbung - anders als bei Gewalt im Fernsehen (Kinder könnten dadurch unsozial werden) - darum geht, dass die Kinder zu willig werden und zu brav die dominante, materialistische Konsumideologie der kapitalistischen Gesellschaft hinnehmen. Es hat immer Stimmen gegen an Kinder gerichtete Werbung im Fernsehen und gegen die Marketingmethode gegeben, Ware an beliebte TV-Sendungen zu koppeln (z.B. Varney 1994; Kunkel 1994; Wartella 1980, 1984). Sie argumentieren, dass diese Praktiken die Kinder verleiten und sie sowohl ausnutzen als auch manipulieren. Young (1986) charakterisierte diese Ansicht mit den Worten ‘das Kind ist unschuldig, der Werber der Verführer’. Manche Berichte spiegeln diese Vorbehalte wider. Das Bild vom kleinen Kind, das vom habgierigen ‘Big Business’ manipuliert wird, steckt auch in den folgenden Auszügen:

"Die Sendung zieht täglich über zwei Millionen Kleinkinder an. In den Marketingstraßen, die zu den allgegenwärtigen ABC-Läden führen, tönt es, dass es beim Verkaufsbeginn von ‘Teletubbies’-Artikeln nicht zu unerwünschten Kontroversen in den Medien kommen sollte. Was dahintersteckt ist klar: Die Lieferungen von ‘Tubby’-Produkten, Büchern, Videos, CDs, Plüschteilen, Kostümen, Pins, Puzzles, T-Shirts und möglicherweise auch Essen, werden vor Ostern in Australien ankommen, und bis dahin erwartet man, dass die Nachfrage tubby-mäßig hartnäckig ist" . (Sydney Morning Herald vom 9.2.98)

"Obwohl in Großbritannien die ‘Teletubbies’ inzwischen größtenteils aus dem Rampenlicht der Medien gerückt sind, steigen die Umsätze nach wie vor, und der Sendebeginn von ‘Teletubbies’ im nicht-kommerziellen amerikanischen Fernsehen [...] wird von kühl rechnenden Geschäftsleuten als potentielle Goldgrube eingeschätzt (Australian vom 7.7.98)

Ein Artikel im The Australian (7.7.98) trug die Überschrift: ‘Erfinderin mästet sich an Teletubby Fan-Kost’ und berichtete darüber, dass sich "Teletubbies"-Produkte derartig erfolgreich verkaufen, dass Anne Wood für die ‘Liste der Reichen’ (Leute mit mindestens 20 Millionen Pfund) in Großbritanniens Zeitung Sunday Times bald in Frage kommt. Der Tenor des Artikels ist allgemein bewundernd (wie das in der australischen Presse oft der Fall ist, wenn es um Leute geht, die es geschafft haben, wirklich reich zu werden), trotzdem herrscht auch Zweideutigkeit. Im Titel ist von ‘mästen’ die Rede, das klingt abschätzig und auch habgierig, und im weiteren Verlauf des Artikels setzt sich das Bild vom habgierigen Geschäft auch fort, wenn im Zusammenhang mit dem Erfolg der "Teletubbies"-Spielsachen in Übersee abwechselnd von einer ‘Produktgier’, von ‘Tubby-Manie’ und dem ‘Marsch zur Weltvorherrschaft’ gesprochen wird.

Es kommt deutlich die Besorgnis heraus, dass man mit einer Sache, die den Kleinen so sehr gefällt, eine Riesenmenge Geld macht; jedoch sind die gängigen Argumente zur Untermauerung dieser These nicht genau geprüft. Beim Leser entsteht lediglich der Eindruck, dass kleine Kinder dem "Teletubbies"-Geschäftsimperium ausgeliefert sind, und dass es ein paar einzelne Personen und Organisationen gibt, die dadurch unglaublich reich werden, im wahrsten Sinne auf Kosten der Kinder (oder ihrer Eltern).

Zusammenfassung

Was soll man nun aus dieser kurzen Untersuchung über die Art und Weise der Berichterstattung über die "Teletubbies" in der australischen Presse folgern? Die Begeisterung der Kinder für die "Teletubbies" wird überall bestätigt, jedoch kaum näher untersucht. Gleichzeitig sieht man in der Serie Parallelen zu Homosexualität und Drogen, und es wird Alarm geschlagen, dass die Sprechweise der "Teletubbies" zu Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung bei Kleinkindern führt. Außerdem wirft man dem Programm vor, es sei aufgrund seines simplen und repetitiven Inhalts nicht anspruchsvoll genug und ‘verdumme’ die australischen Kinder. Noch dazu hat man die "Teletubbies" als Marketing-Verschwörung entlarvt, mit der man Kleinkinder ausnutzt.

Wie soll man ein solches Aufsehen um eine Sendung verstehen, die sich an Kinder unter zwei Jahren richtet? Unserer Ansicht nach ist es die Tatsache, dass die "Teletubbies" gerade für Kinder unter zwei Jahren gemacht sind; es ist das erste Programm dieser Art. Daher sind so viele Ängste um die Serie entstanden.

Im Laufe der Zeit mussten verschiedene Arten der Populärkultur als Blitzableiter für die Ängste vor sozialen Störungen und moralischem Niedergang herhalten (siehe Pearson 1984; Barker 1984). Fernsehen, Video, Computerspiele und das Internet sind einfach die jüngsten Stationen in einer langen Reihe ‘neuer Medien’, die dafür verantwortlich sind, was Kritiker für den Niedergang der Sexualmoral, das Absinken des Bildungsstandards und eine Lockerung der Moralvorstellungen im allgemeinen halten.

Gleichzeitig entspricht es dem westlichen Ideologiekonstrukt, die Kindheit zu einer Zeit der Unschuld und Unverletzlichkeit zu machen. Sefton-Green drückt es folgendermaßen aus:

"Das moderne Leben im Industriezeitalter hat die Kindheit als einen speziellen und privilegierten Zeitraum konstruiert, gleich einem Garten mit Gartenmauer, an den die Belange der Erwachsenenwelt nicht herankommen sollen und - wenn man bei der Gartensprache bleiben will - um aus dem Samen eine kräftige Pflanze wachsen zu lassen." (Sefton-Green 1991:1)

Mit dem gestiegenen Bewußtsein - beispielsweise bei Kindesmißbrauch, von Kindern begangenen Gewaltverbrechen oder Drogenmißbrauch bei immer jüngeren Menschen - hat dieses Gebilde jedoch arge Schläge hinnehmen müssen. Um bei Sefton-Greens Garten zu bleiben, setzt sich bei den Leuten die Vorstellung durch, dass die Gartenmauer eingerissen und es dem Samen versagt wird, gerade und stark zu wachsen. Die Konsequenz daraus ist, dass die Zeitspanne einer behüteten Kindheit im öffentlichen Verständnis auf die allerersten Jahre zusammenschrumpft und Freud-ähnliche Legenden, wonach diese Jahre die allerwichtigsten seien, nicht nur für die Persönlichkeit, sondern auch für die kognitive Entwicklung, verstärkt zurückkehren.

Es liegt nahe, dass die "Teletubbies" in den Mittelpunkt dieser Diskussionen gerückt sind. Die Tatsache, dass es sich dabei um das erste Fernsehprogramm handelt, das sich an Kinder unter zwei Jahren richtet, lässt es wie einen Rammbock erscheinen, getarnt als eine neue Art von Medium, das den letzten sicheren Ort der frühen Kindheit attackiert.

Wie alle neuen Medienformen sind auch die "Teletubbies" zum Ziel einer größeren Bandbreite von sozialen Ängsten geworden. Damit erklärt sich die Besorgnis über Tinky Winkys Sexualität und die Verbindung zu Drogen und Drogenkonsum bei jungen Leuten. Die Kritik über den Bildungswert der "Teletubbies" und der "Tubby-Sprache" lässt sich mit der in der Gesellschaft tiefverwurzelten Angst erklären, dass es mit den schriftsprachlichen Fertigkeiten und.oder dem Bildungsstandard bergab geht. Ein allgemeines Unwohlsein bezüglich der Geschäftsmoral in einem deregulierten Markt lässt uns jemandem (einer Frau!) mit zwiespältigen Gefühlen begegnen, der an einer guten Idee viel Geld verdient. Gleichzeitig zeigen wiederum die Anschuldigungen, dass kleine Kinder vom ‘Big Business’ manipuliert und ausgenutzt werden und dass der Zufluchtsort der Kindheit als angegriffen empfunden wird - diesmal vom blanken Kommerz.

Die "Teletubbies" sind ein Produkt der deregulierten Zeit, in der wir leben. Am alten, stillschweigenden Einverständnis, dass es irgendwie unpassend ist, Fernsehsendungen für Kinder unter zwei Jahren zu machen, und dass wir es nie wagen würden, so kleine Kinder mit attraktiver, an die Sendung gekoppelte Ware zu locken, wurde gerüttelt und es fiel. Unter diesem Aspekt ist klar, warum die "Teletubbies" eine so schlechte Presse bekommen, aber was weniger klar ist, bleibt die Tatsache, warum die "Teletubbies" ein solch phänomenaler Erfolg sind. Und das haben wir beschlossen herauszufinden.

Aktuelle Arbeit

Als Forscher, die wir stark am großen Thema Kinder und Fernsehen interessiert sind, haben wir die ersten Folgen von "Teletubbies" mit großem Interesse verfolgt. In der heutigen Zeit weiß man viel darüber, wie Vorschulkinder und ältere Kinder auf Fernsehen reagieren. Was uns besonders faszinierte, war die Art und Weise, wie kleine Kinder und Kinder, die noch nicht sprechen können, damit umgehen, und so beschlossen wir, die "Teletubbies" in unserer Studie als Stimulanzmaterial zu verwenden. Wir wählten die "Teletubbies", weil sie sich an Kinder unter zwei Jahren richten, nicht, weil sie umstritten sind.

Wir konzipierten eine beobachtende Untersuchung, mit der wir die Reaktionen der jungen Teilnehmer auf eine ganz bestimmte anregende Sendung genau festhalten konnten. Diese Sendung wurde nach Beratung mit mehreren Kollegen - Fachleuten für frühe Kindheit - aus verschiedenen Gründen ausgewählt: einer davon war, dass in der Mitte der Sendung ein Video gezeigt wird, in dem eine Jazzband vor einer Gruppe von Grundschülern spielt, die zu dieser Musik tanzt. Das Programm enthielt somit eine ungewöhnlich fortgeschrittene Musikform (für Kleinkinder) und gleichzeitig physische Aktivität.

Wir gingen daran, diese Aufzeichnung 40 Kindern unter zwei Jahren zu zeigen. Während sie sich die "Teletubbies" ansahen, nahmen wir sie gleichzeitig auf Video auf. Das geschah manchmal bei ihnen zu Hause, manchmal in der Kinderkrippe; einige der Kinder waren bereits erklärte "Teletubbies"-Fans und hatten schon eine ganze Sammlung von "Teletubbies"-Artikeln, andere Teilnehmer sahen kaum fern und.oder kannten die "Teletubbies" überhaupt noch nicht.

Um die Reaktionen der Kinder analysieren zu können, halfen unsere technischen Assistenten, das "Teletubbies"-Video in eine Ecke des Beobachtungs-Videos zu montieren, so dass die Kinder fernsehen und wir sie dabei aufzeichnen konnten. Auf diese Weise sehen wir im nachhinein die Reaktionen der Kinder und auch auf welche Bilder und Sequenzen sie genau reagieren (s. Abb.).

Wie schon erwähnt, ist unsere Studie noch in Arbeit, daher können wir unsere Analyse zu diesem Zeitpunkt noch nicht detailliert veröffentlichen. Wir können jedoch mit Gewißheit sagen, dass die meisten Kinder, mit Ausnahme eines 14 Monate alten Babys, das nach fünf Minuten einschlief, beachtliche Zeitspannen lang genau aufpaßten. Manche paßten auf, hielten sich ganz still und verfolgten mit großer Intensität das Programm. Andere paßten auf und waren quirlig, sie tanzten herum und patschten auf den Bildschirm, zeigten darauf usw. Besonders große Freude kam bei der Babysonne auf, und wenn die "Teletubbies" selbst erschienen (besonders bei Po, dem Baby der Gruppe). Die Jazzband ließ sie in der Regel kalt, aber interessanterweise schienen visuelle Formenspiele im Puzzle-Stil ihre Aufnahmefähigkeit zu vertiefen (z.B. Wolken, die sich zum Rhythmus einer Trommel in ihrer Form veränderten).

Wir sind kurz davor, mit der detaillierten Analyse unserer Ergebnisse zu beginnen, daher können wir momentan nicht weiter darauf eingehen. Es möge genügen zu sagen, dass eine Menge Material zusammengekommen ist, das zwei alte ‘Weisheiten’ in Frage stellt: Die erste, dass es nichts gibt, worauf sich Kleinkinder längere Zeit konzentrieren können, und die zweite, wonach das Gehirn der Kinder abschaltet, wenn sie fernsehen. Es könnte sehr gut sein, dass die "Teletubbies" überhaupt keine Gefahr für den Bildungsprozeß darstellen, sondern im Gegenteil, den ganz Kleinen verständliches, faszinierendes Material bieten, mit dem sie etwas anfangen können - genauso wie es Anne Woods Idee war!

 

LITERATUR


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DIE AUTORINNEN


Sue Howard, Dr. phil.,
ist Senior Lecturer, Faculty of Education, University of South Australia, Adelaide, Australien.

Susan Roberts, Dr. phil.,
ist Lecturer in Media Studies, Institute of Early Childhood, Macquarie University, Sydney, Australien.


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