Margret Albers
Hauptsache bunt?
Ein kurzer Überblick über
die Entwicklung
des Kinderfernsehens privater TV-Sender
Nach mehr als zehn Jahren ist das Kinderprogramm
der privatrechtlichen Fernsehanbieter vielfältiger geworden:
durch Steigerung der Eigenproduktionen, Verbreiterung des Programmspektrums
und ein Mehr an hochwertigen Animationsserien.
Die Herrschaft der Klappmaulpuppen
Ende der 80er-Jahre begannen die privaten
Sender TELE 5 und RTL plus Kinderprogrammstrecken systematisch auszubauen.
Animationsserien, in der Regel "Paketware", die günstig und
verfügbar war, bildeten den Grundstock.1
Präsentiert wurden die Serien innerhalb eines mit wenig Kostenaufwand
herzustellenden Rahmens: Eine Klappmaulpuppe und ein menschlicher
Komoderator führten durch das Programm.
Es begann bei TELE 5 Anfang 1988 mit Bim Bam Bino, kurz nachdem
der Sender als Vollprogramm gestartet wurde. Der selbstbewusste
und neugierige Mäuserich Bino präsentierte gemeinsam mit
Gundis Zambo Zeichentrickserien wie Die Schlümpfe, Flash
Gordon und Saber Rider. Darüber hinaus gab es Infostrecken
und kleine Einspieler, die Kindern ab 6 Jahren Themen aus ihrer
Alltagsrealität zeigten.
Der Sender schrieb über das Programm: "TELE 5 hat ein Herz
für Zwerge. Das Kinderprogramm von TELE 5 kommt bei den Kleinen
besonders gut an. Mit Bino, der frechen Maus, und unendlich viel
Spaß und Spielen für Kinder."
Als
TELE 5 Ende 1992 zum Deutschen Sportfernsehen mutierte, bedeutete
dies für den Mäuserich jedoch nicht das Aus. Er wanderte
im Januar 1993 zum Kabelkanal und das Konzept wurde leicht modifiziert:
Zielgruppe waren nun die 8- bis 16-Jährigen, was auch eine
Erweiterung des thematischen Spektrums bedeutete. Themen, die Jugendliche
wie Erwachsene interessieren, wurden bearbeitet, z.B. Ausländerfeindlichkeit,
Drogen, Aids.
Bino hatte ab August 1993 mit Sonja Zietlov eine neue Komoderatorin
und eine bemerkenswerte Präsenz im Tagesprogramm des Kabelkanals:
Er war täglich durchschnittlich 5-mal zu sehen.
Über die Jahre entwickelte sich Bino auch zu einer international
gefragten Figur und wurde nach Japan, Polen, Süd-Korea und
Saudi-Arabien exportiert.
Einen ähnlichen Weg, das Kinderprogramm mit einer Figur zu
präsentieren, die zur "Dachmarke" des Angebotes avancierte,
beschrieb RTL plus, als im Februar 1989 Matthias Krings, alias Metty,
und der Li-La-Launebär auf Sendung gingen. Bis Anfang
1992 lief die Sendung am Sonntagmorgen von 8 bis 9.30 Uhr. Mit der
Einführung der Sendung Li-La-Launeland am Sonntagmorgen
von 6 bis 8 Uhr verkürzte sich die Sendezeit des Launebärs
von 90 auf 30 Minuten. Zeichentrickfilme, die früher in diesem
Rahmen ausgestrahlt wurden, verlegte man ins Launeland. Metty
und Launebär sind auf dem so genannten Launespeicher
zu Hause. Jede Folge des Launebärs hatte ein zentrales
Thema, das Inhalt der einzelnen Szenen war, die auf dem zugerümpelten
Launespeicher spielten und das in Filmberichten aufgegriffen wurde,
wie etwa der Weihnachstmann in Lappland oder Computer.
Darüber hinaus gab es eine Reihe von Specials, z.B. Metty
machts möglich oder auch einen Spielfilm Sherlock Metty.
Die stärkste tägliche Präsenz
hatte die dritte Klappmaulpuppe im Bunde: Vampy von RTL 2.
Am 13. September 1993 wurde sie ins Rennen um die Publikumsgunst
geschickt und moderierte gemeinsam mit Thea (Dorothea Riemer) das
Kinderprogramm. Trickfilmserien wie Mila Superstar oder Wunderbare
Pollyanna wurden gerahmt mit Episoden und Sketchen. Das Kinderprogramm
von RTL 2 umfasste in dieser Zeit ca. 8 Stunden täglich an
den Werktagen und Vampy war bis zu 11-mal präsent.
Klappmaulpuppen als Moderatoren und Sympathieträger einzuführen,
war nicht neu – man denke beispielsweise an Hase Cäsar
und die Sendungen Schlager für Schlappohren oder Spaß
muss sein.
Neu war jedoch, dass Faktoren wie Senderbindung der jungen Zuschauer
über die Figur und das Merchandising-Potenzial genutzt wurden,
um mit relativ geringem Aufwand – nicht einmal ein Viertel des Programms
waren Eigenproduktionen und viele Einspieler hatten lediglich eine
Lauflänge von 1 Minute – eine hohe Akzeptanz beim jungen Publikum
zu erreichen.
Eine Vorgehensweise, die aufging: Der Li-La-Launebär
hatte in Spitzenzeiten bis zu 1 Million Zuschauer; Vampy
konnte bis zu 40% Marktanteil bei den 6- bis 13-Jährigen erzielen.
Laut einer IFAK-Untersuchung im Mai 1995 unter 997 Kindern im Alter
von 6 bis13 Jahren nimmt die Sendung Bim Bam Bino in der
Skala der beliebtesten Kinder- und Jugendsendungen mit 39% den ersten
Platz ein, gefolgt von Vampy mit 24% , dem Disney Club
mit 7% und Käpt'n Blaubär mit 3% (beides ARD) –
und dies, obwohl der Bekanntheitsgrad von Käpt'n Blaubär
und dem Disney Club erheblich höher war als der der
Sendungen Bim Bam Bino und Vampy.
Zur guten Quote gesellte sich beim Li-La-Launebär auch
ein Preis der deutschen Spielzeugindustrie: 1991 erhält Metty
Krings den "Kulturpreis Spiel", weil "er in seiner Sendung den Kindern
ständig neue Impulse zur aktiven spielerischen Beschäftigung
gibt und damit die Eigenkreativität der Kinder fördert."
Es gab jedoch nicht nur viele Zuschauer und Lob, sondern auch jede
Menge Kritik, die insbesondere bei der Werbung im Umfeld des Kinderprogramms
bei den privaten Sendern ansetzte. Das teilweise sehr offensive
Product Placement beim Launespeicher-Frühstück
führte 1990 zu einer Abmahnung seitens der Niedersächsischen
Landesmedienanstalt.
Mitte der 90er-Jahre – Euphorie
Die Entdeckung der Kinder als kaufkräftige
Zielgruppe und der Erfolg der günstig herzustellenden Programmstrecken
führte Mitte der 90er-Jahre zu einem wahren Boom: Im April 1995
startete der Familiensender Super RTL, im Juli folgte der private
Kinderkanal Nickelodeon. Als am 1. Januar 1997 in Erfurt der öffentlich-rechtliche
Kinderkanal auf Sendung ging, war das Programmangebot für Kinder
so gross wie nie: Wochentags rund 54 Stunden und am Wochenende etwa
80 Stunden im Free-TV.
Auch in diesen Boomzeiten bestand das Kinderprogramm der Privaten
in großem Maße aus Kaufprogrammen: Pro Sieben sendete
ausschliesslich Kaufprogramme, Nickelodeon und Super RTL bestritten
ihr Angebot ebenso fast ausschließlich mit Fremdproduktionen.
Eine Ausnahme bildete Kabel 1, ein Sender, der 1996 etwa 60 % seines
Kinderprogramms selbst produzierte und damit fast mit den Öffentlich-Rechtlichen
gleichauf lag. Abgesehen von der Spielshow Hugo wurde auch
das Konzept von Bim Bam Bino überarbeitet und zur ersten
Comedy für Kids umgebaut: Bino und die Luxuskatze Lucy erhielten
zwei neue Komoderatoren, die als Bim Bam Bino-Familie den einzelnen
Teilen (Serien wie Snoopy, Garfield u.a.) einen monothematischen
roten Faden (z.B. "Schlaflosigkeit") verliehen.
Ein kleiner Seitenblick zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern
sei hier erlaubt: Auch hier schlug in dieser Zeit die Tendenz zur
Programmstrecke durch und es begann die Zeit der Clubs. Der Disney-Club
(ab 1996 Nachfolge durch den Tigerenten Club), der Käpt’n
Blaubär Club (1993) und Tabaluga TV (1997) koppelten
eingeführte Marken und Figuren mit den Programminhalten von ARD
und ZDF.
Zaghaft wagten sich auch die Spartensender Nickelodeon und Super RTL
an die Entwicklung eigener Formate. So reaktivierte Super RTL den
1994 bei RTL eingestellten Li-La-Launebär und schickte
mit Super Metty eine weitere Klappmaulpuppe (wiederum eine
Maus, den flügelohrigen Ikarus) in Begleitung von Metty Krings
auf den Sender. Während beide Sendungen nach wie vor laufen,
erlebte Muh – Das Tiermagazin mit Ralph Caspers nur eine Staffel.
Nach kleineren Formaten wie Boss für einen Tag, wurde
im Auftrag von Nickelodeon die Kinder-Comedy Alles Klar produziert.
Verantwortlich war Pacific Productions, die auch für RTL Samstag
Nacht herstellte.
Insgesamt ist zu beobachten, dass die Eigenproduktionen vor allem
Unterhaltsames und kleine Portionen Informatives enthalten. Mit Alles
Klar unternahm Nickelodeon den Versuch, der mit Schloss Einstein
auch von den Öffentlich-Rechtlichen unternommen wurde: populäre
Erwachsenenformate kindgerecht zu adaptieren.
1998 – Katerstimmung
Die noch nie dagewesene Menge an Kinderprogramm,
über die Helmut Thoma spottete, es gäbe bald mehr Kinderkanäle
als Kinder, erwies sich als Overkill. Im Februar 1998 wird in einem
Artikel der "Welt" über ein mögliches Aus von Nickelodeon
spekuliert. Trotz heftiger Dementis wurde der Sendebetrieb quasi
über Nacht zum 1. Juni 1998 eingestellt. Kabel 1 schickte am
1. April Bino in den Ruhestand. Begründung des Senders:
"Überangebot an Kinderprogrammen". Ebenso kürzten RTL
2 und ProSieben im Verlauf des Jahres ihre Programmstrecken für
Kinder erheblich. Marktbereinigung und zunehmende Verspartung forderten
ihren Tribut.
Konsolidierung
Derzeit bieten nur RTL 2 und Super RTL wochentags
Kinderprogramme, wobei sich RTL 2 mit Pokémon, Digimon
und Dragonball Z in der Prime-Time zum Sender für actionorientierte
Zeichentrickserien aus Fernost entwickelt hat.
Super RTL setzt nicht mehr ausschliesslich auf Disney-Ware, sondern
hat zum Teil Programme vom ehemaligen Konkurrenten Nickelodeon,
wie z.B. Hey Arnold oder Clarissa, übernommen
und engagiert sich auf dem Gebiet der Animation verstärkt im
Bereich Koproduktion; z.B. bei Immer Ärger mit Newton.
Abgesehen von den unausweichlichen Schlümpfen, den Peanuts
und Familie Feuerstein findet sich im Samstagskinderprogramm
von Sat.1 mit Schweine nebenan eine interessant skurrile
Animationsserie, die im EM.TV-Boom koproduziert wurde.
Hinsichtlich der Eigenproduktionen wurde insbesondere bei Super
RTL investiert. Der Schwerpunkt liegt hier in der Unterhaltung,
wie die Spielshow Super Toy Club und die Wer wird Millionär?-Adaption
Q-Boot belegen. Beide Shows werden von David Willms in einer
angenehm unaufgeregten Art moderiert und haben attraktive Sendeplätze
(Samstag bzw. Sonntag 19.35 - 20.15 Uhr).
Jedoch sind auch Zuwächse im Informationssektor zu verzeichnen,
die lange die Domäne der öffentlich-rechtlichen Sender
waren. Hier seien zu nennen Was ist Was TV von Super RTL
und die Disney Club Specials von RTL. Eines dieser Specials
zum Thema "Spezialeffekte im Film" wurde 2001 beim Deutschen Kinder-Film&Fernseh-Festival
GOLDENER SPATZ in der Kategorie Dokumentation/Information von der
Kinderjury ausgezeichnet. Mit einer Lauflänge von 54 Minuten
ist diese Sendung für ein Non-Fiction-Programm sowohl für
private als auch für öffentlich-rechtliche Sender ungewöhnlich
ausführlich.
Fazit
Die Tatsache, dass in den Kinderprogrammstrecken
der privaten TV-Anbieter Werbung geschaltet wird und Branding wie
Merchandising eine zentrale Rolle spielen, hat immer wieder zu Kritik
am Programmangebot der Privaten herausgefordert.
Ebenso ein Kritikpunkt: Der große Anteil von Zeichentrickprogrammen
und actionorientierten Serien – man denke etwa an die heiß
geführte Power-Rangers-Debatte Mitte der 90er-Jahre
oder die ähnlich strukturierte jüngere Diskussion um Pokémon.
Führt man sich jedoch die breite Produktpalette um Tigerente,
Maus, Löwenzahn und Co. vor Augen und denkt an
die umfangreiche Teletubbies-Debatte, so haben in diesen
Bereichen die privaten TV-Sender ihr Monopol verloren.
Was die Bandbreite des Angebots anlangt, so hat sich gerade in den
letzten zwei Jahren, wie geschildert, einiges entwickelt:
- ein Mehr an hochwertigen Animationsserien
- Steigerung der Eigenproduktionen
- Verbreiterung des Spektrums (Non-Fiction
/ Spielfilmplatz bei Super RTL)
Die Vielfalt des Programms der öffentlich-rechtlichen
Anbieter haben die Privaten noch nicht erreicht; derzeit befinden
sie sich jedoch auf einem guten Weg: "Hauptsache bunt" ist keineswegs
mehr das einzige Kriterium bei den privaten Anbietern.
LITERATUR |
Basic, Natasa; Schnell,
Fred; Schorb, Bernd; Graf, Gerhard: Kinder sehen fern. Programmangebot
und Präferenzen. München: KoPäd 1997.
Hollstein, Birgit: Der Li-La-Launebär. Produktverbund bei
RTL. In: Erlinger, Hans Dieter (Hrsg.): Kinderfernsehen und Markt.
Berlin: Spiess 1994, S. 93-107.
Hollstein, Birgit: Das Kinderfernsehen der privaten Anbieter.
In: Erlinger, Hans Dieter u.a. (Hrsg.) Handbuch des Kinderfernsehens.
Konstanz: UVK Medien/Ölschläger 1995, S. 159-176.
Mikat, Claudia: Trick, Comedy und Fantasy. Das Angebot der privaten
Veranstalter. In: Schwanebeck, Axel; Cippitelli, Claudia (Hrsg.):
Käpt’n Blaubär, Schloß Einstein & Co. München:
Reinhard Fischer 2000, S. 43-54.
Stiftung GOLDENER SPATZ (Hrsg.): Deutsches Kinder-Film&Fernseh-Festival
GOLDENER SPATZ. Kataloge 1993, 1995, 1987, 1999, 2001.
www.tele5-chronik.de
ANMERKUNGEN |
1
RTL plus startete beispielsweise mit einem Jahresbudget von rund
20 Mio DM und schloss erst 1994 mit Disney einen Vertrag über
die Zulieferung von Programmen. Unter den Serien, die zwischen
1987 und 1994 liefen, befanden sich z.B. Biker Mice from Mars,
Captain America, Captain Planet, Cubitus, Dennis, Lucky Luke,
Snorkels, Simpsons, Teenage Mutant Hero Turtles, Transformers,
Suche nach dem Regenbogenland, Wish Kid - Der junge mit dem Zauberhandschuh,
Yogi Bär und Realserien wie Flucht aus dem Goldland, Lassie
und Tammy, das Mädchen vom Hausboot.
DIE AUTORIN |
Margret Albers, Dipl.-Medienwissenschaftlerin,
ist Geschäftsführerin der Stiftung GOLDENER SPATZ in Gera.
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