Krieg im
Kinderfernsehen
EDITORIAL
Der Krieg im Irak 2003 oder die
Terroranschläge vom 11. September 2001 rücken nicht
zuletzt durch ihre hohe Medienpräsenz ins Wahrnehmungsfeld
von Kindern. Der Versuch, sie von diesen Themen fernzuhalten, wie
in den USA beim Irak-Krieg propagiert, geht mittlerweile an der
Realität vorbei.
In einer zunehmend globalisierten Welt werden auch Krisen und Katastrophen
weit von dem eigenen Lebensumfeld entfernt zum Thema im Kinderalltag.
Was bedeutet das?
Es sind (auch) für Kinder beängstigende und verunsichernde
Themen, von denen sie hören und sehen und die sie für
sich einordnen müssen. Das Bild, das Kinder von den Ereignissen
entwerfen, schließt dabei eindeutig an das politische Klima
des jeweiligen Umfelds an. Die Konsequenz, mit der amerikanische
Kinder den Angriff befürworten, israelische Kinder Saddam Hussein
den Tod wünschen und deutsche Kinder sich gegen den Krieg stellen,
ist bemerkenswert. Die Details von durchgeschnittenen Kehlen und
tödlichen Tricks oder das Bild von amerikanischen Soldaten,
die mit einem Lächeln auf irakische Kinder schießen,
machen aber auch nachdenklich. Aus einer analytischen Perspektive
verdeutlichen diese Ergebnisse, wie sehr Kinder nach einer Einordnung
der Informationsbruchstücke suchen und wie begrenzt das ist,
was ihnen für eine Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt
wird. Doch wie ist es möglich, Kindern ein Verständnis
für Geschehnisse wie Krieg oder Terroranschläge zu ermöglichen,
ohne sie emotional zu überfordern? In diesem Themenheft berichten
engagierte Redaktionen, wie sie sich diesen Herausforderungen stellen
und das Komplexe für Kinder verstehbar machen. In aktuellen
Studien zum Irak-Krieg 2003 wird das Thema medienanalytisch und
aus Sicht der Kinder untersucht. Mit einem pädagogischem Blick
wird deutlich: Es sind von allen Beteiligten Kompetenzen und Zusammenarbeit
gefragt denn sicherlich war dieser Krieg nicht der letzte,
der Kinder weltweit beschäftigt.
Maya Götz
PROGRAMM
Markus Schächter
logo!
Krieg, Terror und andere Katastrophen im Kinderfernsehen
Eine Berichterstattung für Kinder darf Krisensituationen nicht
außen vor lassen. logo! bietet gerade in diesen Situationen
durch Einordnungshilfe und Erklärstücke Unterstützung.
Dramatisierung und Sensationsmache werden gezielt vermieden.
Frank Beckmann
»Warum
machen die das?«
Fragen zum Krieg
In Krisensituationen bietet der Kinderkanal von ARD und ZDF Informationen,
die Kindern die Zusammenhänge verständlich machen, ohne
sie zu überfordern. Menschliches Leid wird bewusst nicht in
Großaufnahme gezeigt. Sendungen und Internetangebote werden
in Krisensituationen zum Forum, das Kindern eine Stimme gibt.
Astrid Hammer
CONFETTI TiVi
Informieren, ohne Angst zu schüren
Das österreichische Kinderfernsehen legte seinen Schwerpunkt
im Umgang mit dem Krieg auf die Perspektive der Kinder. Um den Kindern
ihre Ängste zu nehmen, wurden die Themen Frieden und Konfliktlösung
behandelt.
Ralf Schauer
Der Irak-Krieg
im Internet
Das Tagesangebot bei kinderrelevanten Sendern auf den Kinder-Webseiten
In der ersten Woche nach Beginn des Krieges im Irak boten verschiedene
deutschsprachige Kindersender auch Informationen zu diesem Thema
im Internet an, die in einer kurzen deskriptiven Inhaltsanalyse
vorgestellt werden.
Ian Prince
Newsround
Childrens BBC Berichterstattung über den Irak-Krieg
2003
Das Kindernachrichtenprogramm der BBC berichtete täglich über
den Fortgang der Ereignisse. Selbst auferlegte Richtlinien gaben
dabei Orientierung für eine verantwortungsbewusste Berichterstattung.
Débora Garcia
Canal Futura
Eine andere Art, über den Krieg zu sprechen
Der brasilianische Bildungssender Canal Futura legte seinen Schwerpunkt
bei der Thematisierung des Krieges im Irak bewusst nicht ausschließlich
auf die Berichterstattung, sondern forderte mit Spots und Kunst-Olympiade
Kinder zur Toleranz auf.
Dafna Lemish
Vorbereitung
auf den Kriegsfall
Das israelische Kinder- und Jugendfernsehen in Kriegszeiten
Die FernsehproduzentInnen in Israel bereiteten sich intensiv auf
den Irak-Krieg vor, nicht zuletzt deshalb, weil der Ausbruch eines
Krieges in Israel ebenso möglich schien. Aufgrund der großen
Erfahrung mit derartigen Krisensituationen waren die Sendeanstalten
gut gerüstet und versuchten, einen Weg zu finden, um ihr junges
Fernsehpublikum einerseits über den Krieg zu informieren, andererseits
jedoch so etwas wie Normalität und Alltag zu vermitteln.
FORSCHUNG
Petra Strohmaier
Der Irak-Krieg
im Kinderfernsehen
Wie internationale Fernsehschaffende mit dem Krieg umgegangen
sind
Der Irak-Krieg wurde weltweit von den Produzierenden von Kinderfernsehen
unterschiedlich gehandhabt. Einige gestalteten ihr Kinderprogramm
als »kriegsfreien« sicheren Zufluchtsort für Kinder.
Andere versuchten, mit gezielt für Kinder aufbereiteten Programmen
zu informieren und so Unterstützung im Umgang mit dem Krieg
zu bieten.
Wiebke Landschulz
Berichterstattung
zum Krieg
Eine Inhaltsanalyse der deutschen und österreichischen Kinder-
und Erwachsenennachrichten
In einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung in der ersten Woche
nach Beginn der Kriegshandlungen zeigen Fernsehsender und besonders
Kindernachrichten deutlich häufiger kritische als zustimmende
Statements. Während die Erwachsenenprogramme George Bush öfter
im Bild zeigen als Saddam Hussein, sind die Kindernachrichten hier
ausgeglichen.
Maya Götz
»Wir sind
dagegen!«
Kinder in Deutschland und ihre Wahrnehmung vom Krieg im Irak
Kinder in Deutschland standen dem Krieg im Irak ablehnend gegenüber.
Von der Berichterstattung erwarteten sie sich mehr Informationen
vor allem über die Lage der Menschen im Irak. In ihren Fantasien
zum Krieg hätten einige von ihnen Saddam Hussein gerne unterstützt
und sahen in den Amerikanern die Angreifer, die mit hinterhältigen
Tricks und mit einem Lächeln Kinder erschießen.
Ellen Seiter/Megan Pincus
Beschützendes
Schweigen
Amerikanische Kinder und der Krieg im Irak
In der amerikanischen Presse wurden Eltern aufgefordert, ihre Kinder
vor der Medienberichterstattung zu beschützen. Eltern und LehrerInnen
vermieden es, mit Kindern über das Thema zu sprechen. Entsprechend
lückenhaft erschien das Wissen der US-amerikanischen Kinder
vom Krieg. Fast comicähnlich sind ihre Vorstellungen von den
Kampfhandlungen und viele Fragen blieben offen.
Dafna Lemish
»Dieser
Krieg ist unser Krieg!«
Israelische Kinder und ihre Wahrnehmung des Krieges im Irak
Die Kinder in Israel stellten einen direkten Zusammenhang zwischen
dem Irak-Krieg und dem Konflikt im eigenen Land her. Geprägt
vom vorherrschenden Mediendiskurs in Israel, der Krieg im Sinne
des nationalen Konflikts als »schicksalhaft« und »ohne
Aussicht auf ein Ende« darstellte, empfanden sie den Krieg
als gerechtfertigte Aktion von George Bush, sehnten sich aber dennoch
nach einem Ende der Auseinandersetzungen.
Maya Götz/Peter Nikken
Kinder schreiben
zum Krieg
Foreneinträge von Kindern in fernsehkonvergenten Websites
im deutsch-niederländischen Vergleich
Im Vergleich holländischer und deutscher Internet-Foreneinträge
bei Kindersendern positionieren sich die deutschen Kinder signifikant
häufiger gegen den Krieg, vor allem aus einer allgemeinen Ablehnung
des Krieges heraus. Holländische Kinder hingegen sind in ihren
Positionen, aber auch in ihren Argumenten wesentlich vielfältiger.
Insbesondere Saddam Hussein ist in den Argumenten der niederländischen
Kinder deutlich präsenter.
PÄDAGOGIK
Jan-Uwe Rogge
»Ob auch
Kinder überlebt haben?«
Wie Kinder mit Tod, Trauer und Sterben in den Fernsehnachrichten
umgehen
In therapeutischer Arbeit zeigt sich, wie Kinder mit den beängstigenden
Bildern der Berichterstattung umgehen. Eltern und Produzenten können
die Verarbeitung unterstützen, wenn sie die Perspektive der
Kinder einnehmen und entwicklungspsychologische Besonderheiten der
Heranwachsenden berücksichtigen.
Ingrid Geretschlaeger
Medienkompetenz
gefragt
Mut machen, mit Kindern dem Krieg in den Medien begegnen
Gerade in Krisensituationen müssen Pädagoginnen und Pädagogen
einen adäquaten Weg finden, Medienkompetenz zu vermitteln.
Neben inhaltlicher Auseinandersetzung bedeutet dies vor allem auch
eine Reflexion der medialen Berichterstattung und die Möglichkeit,
aktiv gestaltend die eigene Sichtweise zu artikulieren.
Norbert Neuß/Ira Neukirchen
Samson hat Angst
Sesamstraßen-Spots helfen Kindern und Eltern bei Angst
auslösenden Fernsehbildern
Eine Möglichkeit der Zusammenarbeit von Redaktion und Forschung
ist die medienpädagogische Beratung, so wie bei den Spots zur
Unterstützung in Krisensituationen mit den Sesamstraßen-Muppets.
Die
Fachzeitschrift TELEVIZION
kann kostenlos beim IZI
bestellt werden.
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