TelevIZIon
 
Artikel in TelevIZIon suchen

>> Übersicht TelevIZIon

TELEVIZION 35/2022/2

DER KRIEG IN DER UKRAINE


EDITORIAL
24.2.2022 – Noch vor Sonnenaufgang weckte die Mutter Oleg. 10 Minuten später saßen sie im Auto und fuhren durch die Nacht. Eine Rakete flog am Himmel und durch die Explosion war mit einem Mal alles hell. Oleg sagte noch »Wow, das ist schön«, dann erklärten die Eltern ihm, was diese Rakete bedeutete.
Berichten ukrainische Kinder und Jugendliche über ihre Erlebnisse während des Kriegs, beschreiben sie u. a. das Gefühl einer allumfassenden Bedrohung ohne Sicherheit, die Zerstörung der zivilen Lebensgrundlage und die Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Verfilmen ukrainische Kinder und Jugendliche, die schon seit Beginn des russischen Expansionskriegs 2014 als Binnengeflüchtete leben, ihre Gefühlswelt, werden die Zerrissenheit und die psychischen Folgen eines Lebens unter ständigem Beschuss deutlich (Schüpp). Es sind Erfahrungen, die sie, so der Forschungsstand, ein Leben lang prägen und zumeist auch in ihrer Entwicklung einschränken werden (vom Orde). Gleichzeitig erweisen sich ukrainische Jugendliche als durchaus kompetent in der Nutzung von Medien zur Kommunikation, zur Informationsbeschaffung oder Regulierung der eigenen Gefühle (Lopatovska). Kinder aus der Ukraine setzen – bei allem Leid – ihre Hoffnung in die ukrainische Armee, die russische Soldat*innen zurückdrängt, besiegt und damit eine Rückkehr und Vereinigung der Familien ermöglicht (Götz, Pohling & Pütz). Wie zu erwarten sehen die Vorstellungen von der aktuellen Situation in der Ukraine bei russischen Kindern ganz anders aus, denn sie haben ihre Informationen zumeist fast ausschließlich aus den russischen Staatsmedien. Sie werden von klein auf durch eine Kultur des Militarismus und der Propaganda geprägt (Nouri). Die Tiefe, mit der ihre inneren Bilder von russischen Propagandanarrativen durchdrungen sind, gibt wenig Hoffnung auf ein gegenseitiges Verständnis (Götz). Der Angriffskrieg auf die Ukraine gilt schon jetzt als eine Zeitenwende, die in diversen Bereichen – von der Sicherheits- und Energiepolitik bis zur aktuellen Inflation – als historisch bezeichnet werden kann. Der Ukrainekonflikt ist auch eine der ersten großen Krisen, bei denen soziale Netzwerke wie TikTok (Bösch) und Twitter (Msughter) eine Vorreiterrolle bei der Information und Desinformation übernahmen. Die großen Nachrichtensendungen zeigten zwar keine Fake News, doch berichteten einige Sender z. T. deutlich dramatisierter und emotionaler als andere (Holler & Fößel). Gerade diese zusätzliche Emotionalisierung, Bilder von leidenden Kindern, Toten und Verletzten würden Kinder in einer Berichterstattung für ihre Altersgruppe gern vermeiden (Mlapa). Umso wichtiger ist, dass sich Kindermedien in Deutschland (Baranowski) und weltweit des Themas mit großer Sorgfalt annehmen und eine medienpädagogische Aufbereitung, zum Beispiel im Rahmen von Projekten von »Journalismus macht Schule«, erfolgt (Sadrozinski & Schröter).

Dr. Maya Götz


FORSCHUNG

Marcus Bösch
WARTOK – TikTok und der Krieg in der Ukraine

Der Autor zeigt auf, wie die Videoplattform TikTok zu einem zentralen Ort für Bilder und Deutungen aus dem Kriegsgebiet 2022 geworden ist.

Aondover Eric Msughter
Internet-Memes zur Verbreitung von Fake News auf Twitter

Andrea Holler/Miriam Fößel
Was Fernsehnachrichten berichten

Eine IZI-Studie untersuchte die Berichterstattung über den Ukrainekrieg in den Hauptnachrichtensendungen des deutschen Fernsehens für Erwachsene und Kinder hinsichtlich verschiedener Motive.

Maya Götz/Lara-Sophie Pohling/ Anne Pütz
»Aufstehen! Heute ist keine Schule, denn es ist Krieg«
In einer qualitativen Studie wurden 21 ukrainische (nach Deutschland geflüchtete) Kinder zu ihrem Erleben
des Kriegsbeginns und ihren Vorstellungen zur aktuellen Lage befragt.

Irene Lopatovska
»Kein Spiel oder Film bereitet dich auf dieses Gefühl der Angst vor«

Maya Götz
»Die ganze Welt lügt über Russland!«

Manda Mlapa
»Bomben fallen vom Himmel und alles wird zerstört«

Maya Götz/Andrea Holler
Das Wissen Jugendlicher zu Beginn des Ukrainekriegs

 

STANDPUNKT

Ekaterina Nouri

Der Alltag russischer Kinder im Jahr 2022

 

PROGRAMM

Genia Baranowski

Die Wahrheit sagen, ohne Angst zu schüren

Anne Dreesen/Josephine Hattevig/Eirin Nilssen Vikøren/Geir Evensen/Tina Antončič/Lisa Fender/Marie McCann/Elke Franke/Marcela Benavides/Sandra Téllez/Yasuda Shin
Wie wurde der Ukrainekrieg im Kinderprogramm weltweit thematisiert?
Fernsehverantwortliche und Programmmacher* innen weltweit wurden gefragt, wie sie auf den Angriff auf die Ukraine reagiert und ob sie Beiträge und Sendungen für Kinder zum Thema produziert haben.

 

MEDIENPÄDAGOGIK

Chris Schüpp

»OneMinutesJr«: Ukrainische Jugendliche teilen ihre Kriegserlebnisse

Jörg Sadrozinski/Kerstin Schröter
Schlechte Nachrichten kindgerecht aufbereiten – Der Ukrainekrieg im Unterricht

 

FORSCHUNGSDOKUMENTATION

Heike vom Orde

Kinder und Jugendliche im Belastungskontext Krieg

 


Die Fachzeitschrift TELEVIZION kann kostenlos beim IZI bestellt werden.