Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, IZI

Ausgabe 14/2001/1 - TEXTAUSZUG:

Familienfernsehen - ein Programm für alle und niemand?

Programmverantwortliche antworten

Matthias Alberti
Bereichsleiter Unterhaltung, RTL Television, Köln

Als Vollprogramm zielt RTL auf ein breites Publikum – mit einer gewissen Betonung bei den 14- bis 49-Jährigen, auf die sich die Werbewirtschaft konzentriert. Mit "Wer wird Millionär?" hat RTL ein Format etabliert, das mit seiner immensen Anziehungskraft ganze Familien vor dem Fernseher versammelt. Doch machen wir uns nichts vor: Das ist die Ausnahme. Längst gibt es in immer mehr Haushalten mindestens zwei Fernsehgeräte. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass immer mehr Zuschauer die fast einmalige Angebotsvielfalt im deutschen Fernsehen individuell nutzen können. Für uns Programm-Macher bleibt der Ansporn, trotz der hohen Wettbewerbsdichte ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Konturenlosigkeit können wir uns dabei nicht leisten, denn die straft das Publikum durch Nichtachtung ab.


Kristina Faßler

Leiterin Kommunikation, SAT.1, Berlin

In den Programmschemata der Sender, zumindest kann ich das mit Sicherheit für SAT.1 sagen, taucht der Begriff Familienfernsehen nicht auf. Den Begriff Familienprogramm verwenden wir jedoch häufig und halten ihn auch für richtig. Hiermit sind keinesfalls einzelne Sendungen gemeint, sondern das Angebot des Senders SAT.1 in der Gesamtheit. Wir machen ein Programm für wechselnde Mehrheiten und erreichen mit verschiedenen Sendungen dann im besten Fall die ganze Familie.

Die Stärke eines Familien-Vollprogramms muss nach unserer Aufassung darin liegen, dass die Interessen der verschiedenen Generationen, Geschlechter und relevanten Interessengruppen punktgenau mit bestimmten Angeboten getroffen werden. Wenn man den Begriff des Familienprogramms lockerer fasst, sind es sicher zuallererst die Quizshows, Serien wie "Kommisar Rex" oder auch große Spielfilme wie "Die Hochzeit meines besten Freundes", die sich hier einordnen ließen. Also Programme, die ein breites Publikum ansprechen und damit verschiedene Interessengruppen. Die heutigen sehr differenzierten Sehgewohnheiten sollte man nach unserer Meinung positiv sehen. Sie spiegeln eine größere Freiheit und Toleranz, weniger Zwang und einen entspannteren Umgang der Generationen untereinander sowie innerhalb der Familie wider.


Siegmund Grewenig

Leiter PG Kinder- und Tagesprogramme, Westdeutscher Rundfunk Fernsehen, Köln

  1. Solange die technische Erreichbarkeit des Kinderkanals nicht zu 95% gegeben ist, gehört Kinderprogramm mit den Bausteinen Information, Bildung und Unterhaltung zu den wesentlichen Bestandteilen einer öffentlich-rechtlichen Grundversorgung der ARD.
  2. Da allerdings in allen Vollprogrammen die Einschaltquote immer an der Gesamtzuschauerschaft ausgerichtet ist und nicht an der Zielgruppe, liegt die Zukunft des Kinderprogramms in den Spartenkanälen.
  3. Nur wenn es gelingt, das Kinderprogramm auch für Erwachsene interessant zu machen, wird es im Vollprogramm überleben. Deshalb liegt die Zukunft des Kinderprogramms im Familienfernsehen.
  4. Mit gutem Familienprogramm kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine seiner Stärken entwickeln: integrativ zu wirken und generationenübergreifendes Programm anzubieten, Family Entertainment eben.
  5. Familienprogramm gibt es in allen Genres: im Fernsehfilm, in der Serie, in der Unterhaltung, im Sport, im Informationsprogramm. Es vereinigt alles, was kleine und große Kinder (= Erwachsene ) interessiert: Emotionen mit Happy End, Abenteuer, Liebe, Lachen, am besten mit Protagonisten mit großem Identifikationspotenzial.
  6. Gutes Familienfernsehen zeichnet aus, dass es es versteht, eine gelungene Mischung aus Ritual und Ereignis zu schaffen: "Die Sendung mit der Maus" und "Wetten, dass...?" sind in diesem Sinne ideales Fernsehen.
  7. Die Aufgabe der Abteilungen Familienprogramme wird es sein, aus der Perspektive der Kinder attraktives Programm für die ganze Familie zu entwickeln. Unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg sind Sendeplätze, die auch für die ganze Familie attraktiv sind.


Birgit Guth

Leiterin der Medienforschung und Jugendschutzbeauftragte bei Super RTL, Köln

Seit Sendestart 1995 hat sich Super RTL auf seine Fahnen geschrieben, zu jeder Tageszeit ein familiengerechtes Programm anzubieten. Für uns bedeutet dies, dass unsere Inhalte frei von Sex und der Darstellung von roher Gewalt sein sollen.

Sechs Jahre später stehen wir immer noch zum Konzept des Familienfernsehens, sehen es aber ein wenig differenzierter. Umfangreiche qualitative Untersuchungen haben uns gezeigt, dass Familienfernsehen eine Form von Fernsehen in der Familie ist. Die zunehmende Individualisierung und die bessere Ausstattung von Haushalten mit Zweit- und Drittfernsehern ermöglichen es Kindern aber auch, ihr eigenes Programm zu wählen und ungestört zu schauen. Aus diesem Grund passten wir das Programmschema an die Nutzungsgewohnheiten in den Familien an. Tagsüber, wenn die Kinder überwiegend alleine schauen, zeigen wir Programm, das sich vor allem an Kinder richtet. Ab 18 Uhr bieten wir dann hochwertige Zeichentrick-Serien, die einerseits den Kindern, andererseits aber auch den Erwachsenen gut gefallen. Und der Abend schließlich bietet Spielfilme, Specials und Serien, die den immer noch in der Familie vorhandenen Wunsch nach einem gemeinsamen Fernseherlebnis erfüllen.

Ich bin der Meinung, dass es Familienfernsehen immer geben wird. Es ermöglicht familiäre Zusammenkünfte, bei denen jedes Familienmitglied auf seine Kosten kommt. Und wenn man an bestimmte Angebote, wie Disney-Filme, Komödien etc. denkt, so vermag das Fernsehen in der Familie auch eine "selige" Atmosphäre familiärer Geborgenheit zu erzeugen. Dazu beitragen können z.B. Spielfilme wie "Ein Schweinchen namens Babe", "Familie Feuerstein", "Die Wüste lebt"; Serien wie "Die Dinos", "Der rosarote Panther", "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft" und Specials wie "Winni Puuh", "Peanuts"," Muppets", "Muttertag".


Ulrike Häfner

Redaktionsleitung Kinderprogramm, Südwestrundfunk Fernsehen, Stuttgart

Familienfernsehen ist, wenn Programme zum Ereignis werden und Alt und Jung gleichermaßen vor den Bildschirm locken. Voraussetzung ist jedoch nicht mehr das gemeinsame Erlebnis vor dem Bildschirm, sondern die Wirkung über die Sendung hinaus.

Solche Programme sind zwar meistens für eine bestimmte Kernzielgruppe konzipiert, lassen jedoch für jedes Alter genügend Beteiligungs- bzw. Identifikationsmöglichkeiten, um sukzessive die Kernzielgruppe in alle Richtungen zu erweitern. Die Bandbreite für erfolgreiches Familienfernsehen 2000 reicht von "Die Sendung mit der Maus" (ARD) über fiktionale Programme wie "Unser Charlie" (ZDF) bis zur Show "Wetten, dass...?"(ZDF) oder "Wer wird Millionär?"(RTL). Sendungsinhalte werden zum Gesprächsthema in der Familie, auf den Schulhöfen und bei der Arbeit; sie fördern die Kommunikation und suggerieren ein gemeinsames Indoor-Erlebnis.

Wichtige Rahmenbedingungen für das Familienfernsehen sind feste Sendeplätze, "ideale" Sendezeiten, die es Schulkindern, Berufstätigen, Hausfrauen, -männern und Rentnern gleichermaßen erlauben, sich vor den Fernseher zu setzen.

Im Zeitalter der Digitalisierung und immer weiteren Verspartung der Kanäle steigt die soziale Bedeutung solcher Programme.


Joachim Lang

Redaktionsleitung "Tigerenten Club", Südwestrundfunk Fernsehen, Stuttgart

Das Wort "Familienprogramm" kann für Vieles stehen. Die Spielfilme, die an Feiertagen nachmittags über den Bildschirm flimmern, die Shows, die besonders samstags die Familie vor dem Fernseher versammeln, und die Kindersendungen, bei denen die Erwachsenen genauso viel Spaß haben wie die Kinder. Jeder Programm-Macher, der mehr möchte als nur eine Zielgruppe erreichen, wird für sich in Anspruch nehmen, Familienprogramm zu machen.

Für mich persönlich bedeutet Familienprogramm aber mehr, als nur verschiedene Altersklassen vor dem Bildschirm zu vereinigen. Es heißt, die Generationen miteinander ins Gespräch bringen. Und nach dieser Definition sind besonders zwei Formen klassisches Familienprogramm: Zum einen die wiederentdeckten Quizshows. Diese Sendungen selber sind Auslöser aktiver Familienunterhaltung, denn alle raten mit, debattieren über die Quizfragen und den jeweiligen Gemütszustand der Kandidaten. Zum anderen Sendungen mit Magazincharakter, die unterschiedliche Elemente in sich vereinigen und dazu anregen, zu diskutieren und zu spielen. Der "Tigerenten Club" ist sicher ein gutes Beispiel für diese Form des Familienprogramms.

Familienprogramm, das diesen Kriterien entspricht, hat auch in der heutigen Zeit seine Berechtigung und wird, wie die Quoten zeigen, auch immer seine Zuschauer finden.


Britta-Susann Lübke

Redaktionsleiterin Familienprogramm, Radio Bremen Fernsehen

Die Sendungen Radio Bremens für das ARD-Familienprogramm waren in den 70er Jahren geprägt vom kritischen Zeitgeist und erregten Aufsehen, wie die Jugendsendung "IN", wo junge Menschen sich kritisch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen äußern konnten – damals ungewöhnlich und bei der Brisanz der Diskussionen auch mutig: in einer Live-Sendung.

Die Nachfolgereihe "Nicht so passiv wie man denkt" stellte in 45-Minuten-Filmen soziale und politische Initiativen vor, wie die ersten Frauenhäuser oder Gruppen gegen Gewalt. Dann widmete sich Radio Bremen der Aufgabe, an einem neuen Bewusstsein über Frauen in der Gesellschaft mitzuwirken: durch die Porträtreihe "Frauengeschichten", in der ungewöhnliche Lebenswege und besondere Biographien von bekannten und unbekannten Frauen nachgezeichnet wurden, etwa die Journalistin Carola Stern, die Psychologin Annelie Keil, oder die Schauspielerin Kristina Söderbaum. In den 90er Jahren veränderte sich die Ausrichtung des Familienprogramms grundlegend. Auch am Nachmittag sollten die ARD-Zuschauerzahlen gesteigert werden, statt sozialkritischer Filme waren eher unterhaltende Programme gefragt. So entwickelte Radio Bremen zusammen mit dem Hessischen Rundfunk die Reihe "höchstpersönlich", die seit 1994 im Programm ist. Bisher sind über 260 Porträts über prominente Schauspieler, Stars der Musikszene und Sport-Idole gesendet worden. Die Ausrichtung auf Prominenz ist ein Tribut an die Quote, und dennoch hat die Reihe den Anspruch, nicht das klischeehafte Image der Protagonisten zu reproduzieren, sondern den privaten Menschen zu zeigen, seinen Lebensweg, Erfolge und Krisen, menschliche Stärken und Schwächen, sein familiäres Umfeld, hautnah und ungeschminkt. Über eine Million Zuschauer pro Sendung zeigen, dass die "höchstpersönlichen" Filme genau deshalb großes Interesse finden.


Dr. Michael Meyer

Leiter Familienprogramm, Saarländischer Rundfunk Fernsehen, Saarbrücken

Familie ist, wenn mindestens ein Kind und eine Mama und/oder ein Papa eine Lebensgemeinschaft bilden.

Familienfernsehen ist, wenn Familien fernsehen (mein großer Freund Müntefering möge mir diesen Ideenklau verzeihen...) - also dann, wenn mindestens ein Kind und ein verwandter Erwachsener (bei ARD und ZDF werden dies oft auch Oma und/oder Opa sein) gemeinsam eine Fernsehsendung anschauen: ein Familienprogramm.

Nun finden sich in den meisten Landesrundfunkanstalten Abteilungen, die sich Familienprogramm nennen. Die von diesen Abteilungen produzierten Sendungen können aber nur selten als Familienfernsehen im oben definierten Sinn bezeichnet werden.

Ausnahmen bilden da lediglich die an den Wochenenden ausgestrahlten Kinderprogramme: Vor ihnen sitzen gelegentlich auch Kleinfamilien, bei besonders erfolgreichen, wie der "Sendung mit der Maus", manchmal auch größere Familienverbände.

Eine der Konsequenzen aus dieser Feststellung lautet: Würde die ARD, wie immer häufiger zu vernehmen ist, auf ihr Kinderprogramm im "Ersten" verzichten bzw. dasselbe ins Exil des "Kinderkanals" vertreiben, hätte sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag, ein dezidiert integratives Familienfernsehen anzubieten, sträflich verfehlt.

Familienfernsehen fände dann nur noch beim einen oder anderen Spielfilm, an Tagen mit großen Sportübertragungen oder bei Sendungen à la "Wetten, dass...?" statt. Ob sich die ARD eine solche Entscheidung leisten kann?


Nicolas Paalzow

Geschäftsführer der ProSieben Television GmbH, Unterföhring

Dem Familienfernsehen einen Konturenverlust nachzusagen, ist sicher falsch. Zutreffender ist, dass sich die Auswahlmöglichkeiten durch die Vielzahl der empfangbaren Sender verändert haben. Das Angebot ist umfangreicher geworden und darauf ausgelegt, die individuellen Wünsche der Zuschauer bzw. Familien zu befriedigen. Familienfernsehen ist heute Show, Spielfilm-Highlight, Serie oder Dokumentation. Für jedes Unterhaltungs- oder Informationsbedürfnis gibt es das entsprechende Angebot, und das an jedem Tag der Woche.

Dass sich die Familienstrukturen in den letzten drei Jahrzehnten durch Rahmenbedingungen wie flexiblere Arbeitszeiten und die Berufstätigkeit beider Eltern verändert haben, ist richtig. Richtig ist auch, dass dem individuellen Interesse, dem individuellen Geschmack und dem individuellen Freizeitverhalten durch das große Angebot auf dem Fernsehmarkt Rechnung getragen wird. Trotzdem gibt es heute noch immer Programme, die die ganze Familie vor dem Bildschirm versammeln: ob "Wer wird Millionär?" bei RTL, "Wetten, dass...?" beim ZDF, der Zweiteiler "Der Tunnel" bei SAT.1 oder internationale Spielfilm-Highlights wie "Der Mann in der eisernen Maske" und "Deep Impact" bei ProSieben. Aber auch Magazine wie "Welt der Wunder" oder "Galileo" stehen im 21. Jahrhundert für modernes Familienprogramm.

Für mich ein deutliches Zeichen, dass das Familienprogramm 2001 seine Berechtigung nicht verloren hat. Bedingt durch die größere Auswahl sind aber die Zeiten für einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent bei allen Zuschauern vorbei. Dieses Ergebnis erreicht nicht einmal mehr das Endspiel der Fußball-WM.


Sabine Preuschof

Ressortleiterin Gesellschaft, Kultur und Familie sowie Redaktionsleiterin Familienprogramm, Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg Fernsehen, Potsdam

Als ich klein war, hatten wir noch keinen Fernsehapparat. Meine ersten Fernseherlebnisse waren Eiskunstlaufübertragungen. Mein Vater liebte Eiskunstlauf und so durften wir Kinder mitgucken. Auch abends. Das war dann eine Belohnung und ich werde diese gemeinsamen Fernsehabende nie vergessen. Der Apparat stand übrigens im Schrank, den ich allein nicht öffnen durfte, obwohl ich schon zwölf Jahre alt war.

Als meine Kinder heranwuchsen, stand unser Fernsehapparat auch im Schrank. Unsere ersten gemeinsamen Fernsehabende waren Filme mit Bud Spencer und Terence Hill. Unser Sohn hat jedesmal so herzhaft gelacht, dass sich die ganze Familie auf die nächsten Filme freute. Fernsehen war ein Familienereignis.

Heute bin ich Redaktionsleiterin für Familienprogramme im ORB-Fernsehen. Sicher hat sich die Struktur unserer Gesellschaft in den Jahrzehnten stark verändert. Sicher gibt es Fernsehprogramme, die von den Kindern heiß geliebt werden und bei den Eltern nur ein unverständliches Kopfschütteln hervorrufen. Und ganz sicher wissen viele Eltern gar nicht, was ihre Kinder sich so ansehen.

Aber wenn es Angebote für die ganze Familie gibt, werden sie auch genutzt. Prototyp für Familienfernsehen ist heute wohl "Wer wird Millionär?". Günther Jauch als Freund von Generationen. Er vereint gespalten geglaubte Familien vor dem Bildschirm.

Solche Phänomene kann man sonst nur an Sonn- und Feiertagen bei besonderen Spielfilmen oder Unterhaltungssendungen erleben (z.B. "Flimmerstunde"). Und in der Weihnachtszeit. Das ist dann die Stunde auch unserer Familienredaktion. Immer konsequenter setzen wir an den Advents- und Weihnachstnachmittagen Angebote für die ganze Familie ein (z.B. "Märchenrätsel"). Wenn wir dann die alten russischen Märchenfilme oder die DEFA-Klassiker, die schon die Oma kannte, anbieten, kommen begeisterte Dankesbriefe.

Dann hat die Redaktion das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Familienprogramm funktioniert, solange Angebote zu guten Sendezeiten gemacht werden.


Prof. Dr. Tilman Steiner

Leiter Redaktion Familie und Gesellschaft, Bayerisches Fernsehen, München

Familienfernsehen - was ist das? Die vagen Vorstellungen hierüber finden ihre Entsprechung in den so firmierenden Programmleisten und Formaten aller Sender.

Galt in den 50er und 60er Jahren die Metapher "das Fernsehen sprengt den Familienkreis zum Familienhalbkreis auf" als zitabel, so könnte man heute eine Auflösung der Familienstrukturen durchaus in Beziehung setzen zur Ausstattung der Wohnungen mit Empfängern: Das Einkind lugt durch schützende Kissen auf Monster Jason mit seiner Axt, der Vater im Wohnzimmer fiebert bei der Formel 1, Mutter schlüpft gerade bei "Rosamunde Pilcher" unters Seidenplumeau, Oma in der Kellerwohnung nickt bei den "Pokémons" ein - Familienfernsehen.

Macht das gemeinsame Sehen Fernsehen zum Familienereignis? So war das bei "Spiel ohne Grenzen". So ist’s manchmal noch bei "Wetten, dass...?" - vielleicht das einzige Familienprogramm in diesem Sinn. Nicht einmal die Fußball WM 2002 wird die Familie versammeln; sie erreicht vormittags gerade einmal die Mütter im Erziehungsurlaub.

Wären da nicht die höchsten Richter im Land, die eine trendorientierte Politik zur (Verfassungs-) Ordnung rufen, damit Familie in der Ellbogengesellschaft noch überleben kann, würde die Preisfrage "Familie" langfristig scheitern. Auch im Programm.

In der beschriebenen Situation kann Familienprogramm dem Wert "Familie" nur helfen, wenn es die Familie heute auch thematisiert. Deshalb erarbeitete die Redaktion Familie und Gesellschaft des Bayerischen Fernsehens in den letzten Monaten für den "FamilienNachmittag" (jeden Samstag von 13.00 bis 16.00 bzw. 17.00 Uhr) ein Konzept, das einerseits der Familie Service bietet, was ja gerade vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwartet wird, und andererseits als Kontrapunkt zur Passivität der Fernsehnutzung ein aktivierendes Element hereinbringt. "Rätselbildern" nachzuspüren oder gemeinsame Unternehmungen in der Familie gerade außerhalb der Fernsehstuben sind ein Ziel.

Die Reihe "Familie leben!" bietet vier Entdeckungsreisen: "Partner entdecken" will angesichts der labilen Lebensabschnittsgemeinschaften zur Bindungsfähigkeit ermuntern, "Familie entdecken" will situativ und packend bei Erziehungsfragen helfen. "Gesundheit entdecken" und "Lernen entdecken" bieten unterhaltsam Wissen und Impulse, die vielleicht für die Zukunft der Familie entscheidend sein können. Diese vier Reihen, je Folge 15 Minuten, eine Folge an einem "FamilienNachmittag", sollen zusammen mit Zeitschriften wie "Eltern", "Natur", "Psychologie heute", einem Schulbuchverlag und anderen Zweitverwertern als repertoirefähig lange Zeit wirksam sein können.

Solche die Familie thematisierenden Inhalte sind als Innovation eine Ergänzung zu den weitgehend archivgespeisten Elementen des attraktiv aufbereiteten Angebots. Neben den bewährten Tieren und Landschaften begegnen wir vor allem Menschen. Franx Xaver Gernstl trifft sie unterwegs auf seine hinterkünftig neugierige Art und bringt uns ihre Eigenheiten und Anliegen nahe.

Unsere Zuschauer schätzen auch Quotenbringer wie die Reihe "Der Letzte seines Standes?", weil Authentizität, Nähe und Tradition Wesenselemente fürs Familienprogramm von heute darstellen.


Sandro Viroli

Programmchef Familien-/Tagesprogramm, Mitteldeutscher Rundfunk Fernsehen, Leipzig

Wann und wo schaut "Familie" womöglich noch gemeinsam Fernsehen?

Vielleicht trifft das noch bei Formaten wie "Die Sendung mit der Maus" oder "Schloss Einstein" zu, wenn die Kinder noch klein bzw. noch nicht erwachsen sind und Eltern interessehalber oder aus purer Neugierde mitschauen. Dann ist mit Familienfernsehen für lange Zeit Schluss.

Zwar bieten TV-Stationen allerhand an, das man mit Familienfernsehen verbinden kann, aber letztlich ist es wie mit "bio" bei Lebensmitteln: Fast jeder kann es verwenden und keiner weiß so recht, was drin ist.

Die Zielgruppe Familie ist m.E. nicht mehr eindeutig greifbar und entsprechend in den elektronischen Medien wenig ansprechbar. Was den familiären TV-Konsum angeht, zieht man sich in "seinen" jeweiligen Raum zurück und wählt "sein" Medium. Die Teilzielgruppe Jugend sieht "ihr" Programm zwischen Internet, CD-ROMs und den Musikkanälen, die Teilzielgruppe Eltern zwischen Wellness-Formaten, Börsen-TV, Quiz- und so genannten "Beschimpfformaten". Irgendwo ist es dann schon schwer, alles in eine Sendung zu packen und "Familienfernsehen" draufzuschreiben.


 




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