Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, IZI

Ausgabe 12/1999/2 - TEXTAUSZUG:

Maya Götz

Begeisterung bei den Kindern, Besorgnis bei den Eltern

Forschungsergebnisse aus Deutschland spiegeln einen weltweiten Trend: Die Kinder haben Spaß mit den "Teletubbies", die Erwachsenen ihre Probleme mit diesem neuen Programmformat.

Die "Teletubbies" werden weltweit von Kindern geliebt, von den Erwachsenen mit wohlwollendem Erstaunen oder auch deutlich ablehnender Haltung betrachtet. In der Bundesrepublik Deutschland waren die "Teletubbies" spätestens seit ihrem Sendestart am 29.3.1999 Teil der öffentlichen Diskussion, und kaum eine deutsche Zeitung verpaßte es, einen kritischen Beitrag zu dieser Serie zu veröffentlichen. Die monatlichen GfK-Daten des Kinderkanals ARD/ZDF weisen der Serie Spitzenquoten nach und bescheren dem Sender tagsüber die Marktführerschaft. Nicht zuletzt die zeitweise leergefegten "Teletubby"-Regale in den Kaufhäusern sind Beweis für den überraschend großen Erfolg, der - zumindest in diesem Ausmaß - nicht nur für ExpertInnen ein Rätsel ist. Was begeistert Kinder ausgerechnet an dieser Serie? Wie nutzen sie eine Sendung, die so redundant und wenig inhaltsreich ist? Wie schätzen Eltern die "Teletubbies"-Rezeption ihrer Kinder ein? Welche Bedeutung kommt der merkwürdigen Sprache oder den von Jerry Falwell angeprangerten homosexuellen Symbolen für Kinder zu? Um erste Erklärungsansätze anbieten zu können, ging das IZI in einer Studie diesen Fragen nach. Da Rezeptionsforschung mit dieser sehr jungen Zielgruppe ausgesprochen schwierig und das Programmformat (zumindest in Deutschland) neu ist, war zunächst eine breitere explorative Phase nötig, in der verschiedene bewährte Methoden zum Einsatz kamen. Anschließend wurden Einschätzungen der Eltern sowie die Rezeptionssituation im Alltag der Kinder untersucht.

  1. Explorative Phase1:

  2. Morgenkreisgespräche in Kindergarten und Grundschule (42 Kinder); Spiel- und Malaktionen im Kindergarten (39 Kinder); Falluntersuchungen in Familien mit Kindern, die gerne "Teletubbies" sehen (5 Familien); Auswertung der Zuschauerpost und Bilder an das "Teletubby"-Magazin (Monat August); Umfrage an Eltern per Internet in dem Forum von Familie & Co; Sichtung von über 800 Presseberichten in den Monaten Februar, März, April 1999.

  3. Analyse natürlicher Rezeptionssituationen von Kindern zwischen 1 und 6 Jahren
  4. 2
    Es wurden Eltern zur Mitarbeit gewonnen, deren Kinder gerne "Teletubbies" sehen. Mit einer neben den Fernseher gelegten Videokamera filmten sie pro Kind 2-3 "ganz normale" "Teletubbies"-Rezeptionen. Der Kontakt zu den Eltern entstand über den Kindergarten und das Internet, insbesondere über die Internet Community Urbia.de. Auf diese Weise liegen 114 Aufnahmen einer weitestgehend natürlichen Rezeptionssituation von 40 Kindern vor. In die Aufnahmen ist die jeweils gesehene "Teletubbies"-Folge als kleines Bild ‘eingestanzt’, so dass es möglich ist, sowohl das Kind als auch die von ihm gesehene Sendung zu verfolgen.3

  5. Umfrage an Eltern per Internet, Analyse des AOL-Chatforums4

  6. Das IZI stellte eine Umfrage an Eltern in insgesamt 11 Internet-Foren5 im Themenbereich Familie, Eltern und Kleinkinder. Die Fragen wurden bewußt offen gehalten und richteten sich auf drei Bereiche: Erfahrungen mit den "Teletubbies" im Alltag, Beobachtung von Kindern während der "Teletubbies"-Rezeption sowie Einschätzung der Sendung durch die Eltern. Auf diese Umfrage gingen 248 Antworten ein. Der Provider AOL richtete auf seiner Startseite ein Chatforum zum Thema "Teletubbies" ein. Innerhalb von drei Tagen gingen hier 346 Äußerungen ein, die hinsichtlich der Positionen und angebrachten Argumente ausgewertet wurden.
Im folgenden werden Ergebnisse zusammengefaßt, um Perspektiven zu eröffnen, was Kinder an den "Teletubbies" begeistert, wie sich Eltern tendenziell dazu positionieren und welche Argumente sie anbringen. Anhand der Beispiele Sprache und Inszenierung von Geschlecht werden die Unterschiede in der Bedeutungszuweisung durch Eltern und Kinder deutlich und theoretisch nachvollziehbar.


1. Was begeistert Kinder an den "Teletubbies"?

Die Figuren und ihre Bewegungsrituale
Im Mittelpunkt der Faszination "Teletubbies" stehen für Kinder die Figuren. Sie sind es, die sie malen und benennen, und die schon beim Erstkontakt Aufmerksamkeit erregen. Was die Figuren interessant macht, sind nicht nur ihre eindeutigen Farben und Wiederkennungsmerkmale, sondern vor allem ihre mollige Leiblichkeit und ihre Bewegungen. Am häufigsten genannt und nachgespielt werden die ungewöhnlichen Bewegungsmuster mit lustigen Geräuschen und die Bewegungsanlässe, die in festgelegte Rituale eingebunden sind. Nach Aufforderung erzählen Kinder auch von den Geschichten der "Teletubbies", bleiben hier aber im Vergleich zu anderen Kindersendungen ausgesprochen kurz und stellen immer die Figuren in den Mittelpunkt.6 Die Faszination liegt vermutlich weniger in dem Inhalt der erzählten Geschichten als zu einem großen Teil in den Figuren selber. Die "Teletubbies" und ihr "Teletubbyland" sind geschickt gewählt und bilden sicherlich die Grundlage für den Erfolg der Sendung. Neben dem "hohen Teddypotential" (Groebel 1999) und einem körperlichen Appeal, der zum Anfassen reizt (Brudny 1999), muss es aber noch etwas Besonderes mit den "Teletubbies" auf sich haben, um diesen Erfolg zu erzielen und ganze Zuschauergruppen neu zu akquirieren.7


Die Rezeptionssituation
In der Rezeption sind die Kinder ausgesprochen aktiv. Sie reden viel, vor allem wenn Erwachsene anwesend sind, erklären und kommentieren die Szenen. Neben den sprachlichen Aktivitäten zeigen sich überraschend häufig Bewegungen als Teil der Rezeption. Die Kinder winken, tanzen und springen auf dem Sofa oder legen sich auf den Boden, um mit den Beinen zu strampeln. Es zeigen sich typische Momente der "Teletubbies"-Rezeption, die sich in unterschiedlichen Ausprägungen bei fast allen Kindern der Untersuchungsgruppe in einer der Aufnahmen nachweisen lassen. Anhand von kurzen Szenen der Video-Aufzeichnungen werden im folgenden diese typischen Momente anhand der Fälle Anne (3 Jahre), Lara (2 ½ Jahre), Lars (3 Jahre) sowie Tim (4 Jahre) und Tobias (6) illustriert.


Erklären / Bemerken / Kommentieren: Die Kinder sagen etwas zu dem Serieninhalt.

Anne (3 Jahre) ist ganz begeistert von den "Teletubbies". Als die Sendung beginnt und sie die Anfangstakte hört, kommt sie sichtlich aufgeregt ins Zimmer gestürzt: "Mein, mein Teletubby, autsch, autsch, meine". Sie flitzt zu ihrem Fernsehsessel und stößt sich dabei an dem Tischbein, doch selbst das kann ihre Freude nicht mindern. Sie beginnt einen Satz, bricht dann ab, lacht das Baby an und imitiert seine Gestik. Anne erklärt: "Das Baby in der Sonne, ne, das lacht immer. Bäh, bäh, bäh, bäh." Aufmerksam verfolgt sie den Schwenk über die Hügel des "Teletubbylandes" und erklärt "Guck, jetzt, jetzt siehst du die gleich".

Die Kinder reden während der Rezeption. Oftmals bemerken sie etwas, kommentieren es und machen die anwesenden Eltern darauf aufmerksam. Häufig erklären sie den Erwachsenen oder anderen anwesenden Kindern die Zusammenhänge, manchmal sprechen sie dies aber auch allein vor sich hin.


Mitsprechen / Mitsingen: Kinder sprechen oder singen den Text parallel zur Sendung mit.

Lara (2 ½) singt und tanzt die Anfangssequenz komplett mit. Anschließend sitzt sie wieder auf der Couch. Als schließlich der Bär und der Löwe kommen, hält sie sich die Hand gewinkelt vors Gesicht und spricht die Passagen mit: "Ich bin der Bär, der Bär bin ich, mein Fell ist weich und fusselig." Je öfter der Bär dies aufsagt, desto genauer kann sie den Wortlaut mitsprechen.

Viele Kinder sprechen und singen die immer wiederkehrenden Texte mit und lernen die Reime und Zahlen innerhalb kurzer Zeit. Mit Begeisterung sprechen und singen sie die immer wiederkehrenden Passagen mit.


Verfolgen: Kinder sehen wie gebannt auf den Bildschirm.

Tim (4 Jahre) sitzt in seinem großen Sessel und ißt sein Abendbrot. Er ist durchaus auf die Handlung konzentriert, lächelt und winkt den "Teletubbies" zu. Als der Einspieler mit den Kindern kommt, blickt er wie gebannt auf die Mädchen, die mit Luftballons spielen. Zeitweise vergißt er sogar weiterzukauen. Einmal verharrt er über 15 Sekunden mit offenem Mund.

Bei vielen Kindern war diese Konzentration bei den Einspielern zu beobachten. Während kleine Kinder unter 1 ½ Jahren diese Szenen zu anderen Aktivitäten nutzen, sind die älteren zeitweise wie gebannt. Insbesondere Einspieler, bei denen Kinder aktiv etwas machen, erregen ihre Aufmerksamkeit. Vorführungen von Erwachsenen (z.B. Frau Ulkig oder Nena) verfolgen sie dagegen mit weniger Gespanntheit. Bei der Wiederholung ändert sich die Konzentration nicht und mit ausgesprochenem Interesse sehen sie sich die Geschichten komplett zum zweiten Mal an.


Antworten: Kinder nehmen die Antwort-Aufforderung der Sendung auf und sprechen mit dem Fernseher.

Die Bauchgeschichte beginnt und zwei Mädchen rufen "Hallo". Anne (3 Jahre) antwortet: "Hallo". Das englische Mädchen kommt näher und sagt nochmal: "Hallo" und wieder antwortet Anne, jetzt jedoch leiser und ganz in die Handlung vertieft: "Hallo". Das Mädchen fragt: "Wollt ihr mal sehen, was wir machen?" und Anne antwortet "Ja." Noch einmal schaut sie zu ihrer Mutter, dann richtet sich ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Fernseher und sie verfolgt wie gebannt die zwei Kinder mit dem Hund. Am Ende verabschieden sich die Mädchen: "Auf Wiedersehen", und Anne antwortet leise: "Auf Wiedersehen".

Tim (4 Jahre) sitzt in seinem Fernsehsessel und verfolgt still und aufmerksam die Sendung. Als Po direkt in die Kamera winkt und mit "Ah-Oh" die Zuschauenden begrüßt, winkt er mit einem lauten "Ah-Oh" zurück.

In der Serie sprechen die "Teletubbies", und in den Einspielern die Kinder und die Erwachsenen die Zuschauenden direkt an. Dies geschieht häufig und in einem relativ berechenbaren Ablauf. Meistens begrenzt sich die Ansprache auf Begrüßung und Verabschiedung. Die artikulierte Beantwortung dieser Aufforderungen durch die Kinder ist vermutlich Teil parasozialer Interaktion (Horten / Wohl 1956), die hier in einem ritualisierten Kontext steht.


Vorhersagen / Vorwegnehmen: Kinder verfügen schon nach wenigen Sendungen über genügend Medienwissen, so dass sie die Kommunikationsformen und Handlungen vorwegnehmen können.

In der ersten Szene nach dem Anfangslied ist der Innenraum des Iglus zu sehen. Die Tür öffnet sich, es ist jedoch noch niemand zu entdecken. Anne (3 Jahre) sagt: "Hier kommt der Dipsy, kommt ins Haus." Po, Laa-Laa und Dipsy betreten den Raum. Anne erklärt: "Dipsy, und Laa-Laa und Po und Dipsy." Die drei Teletubbies kommen in den Vordergrund und grüßen die Zuschauenden mit "Ah-Oh". Anne antwortet "Ah-Oh". Tinky Winky kommt ins Bild, stellt sich neben die anderen, zeigt ihnen einen Tubbytoast und sagt: "Hier!", was die anderen mit "Oh, da!" beantworten. Anne erkennt abermals, worum es geht und sagt: "Toasti". Tinky Winky sagt "Tubbytoast, Tubbytoast". Anne springt begeistert in ihrem Sessel auf und ab und ruft lachend zu ihrer Mutter gewendet: "Tubbytoast, Tubbytoast!"

Bereits zu Beginn der Szene weiß Anne, was als nächstes passieren wird. Die Tür geht auf und mindestens ein Teletubby wird in den Iglu kommen. Wenig später wird diese Vorannahme, wenn auch mit anderer Reihenfolge, von der Serie bestätigt. Es ergibt sich eine kleine Handlungssequenz, die Anne sofort versteht und in der Fortentwicklung antizipieren kann. Sie artikuliert dies mit der Verniedlichung des Wortes "Toast". Als die Figuren ihre Vorannahme abermals bestätigen, ist sie begeistert und springt freudestrahlend auf und ab. Das Vorhersagen und Vorwegnehmen ist in der Narration der Sendung angelegt. Die Handlungsentwicklung ist extrem langsam und vorhersehbar. Die Einstellungen ähneln sich. Wenn dies für Medienfachleute auch ein Manko der Serie ist (vgl. Hake in diesem Heft), so begeistert es doch die Kinder. Bereits nach wenig Seherfahrung entwickeln sie die Kompetenz, die Szenen zu antizipieren. Sie müssen die Handlung nicht nur "ver-folgen", sondern sie können sie bereits "vorweg-nehmen".


Mittanzen / Bewegen: Kinder entwickeln auf der Basis der festen Abläufe und der eingängigen Musik eine eigene Choreographie oder bewegen sich frei zur Musik

Lara tanzt mit den Teletubbies

Lara (2 ½) sitzt mit der Käsescheibe in der Hand auf dem Sofa. Aus dem Fernseher erklingt der Beginn der Serie, den sie mitspricht. Als der Rhythmus der Anfangsmusik ertönt und die Teletubbies den Hügel hinablaufen, springt Lara auf. Nach einem kurzen Blick zu Mutter und Vater, die am Tisch daneben sitzen, steppt sie im Takt der Musik mit angewinkelten Unterarmen und abgespreizten Fingern zum Fernseher. Sie dreht sich um die eigene Achse und singt das Lied mit. Laufen die Teletubbies durcheinander, geht sie vor dem Fernseher mit vier Schritten hin und her. Als die Teletubbies ihren Einzelauftritt haben, imitiert sie die jeweils prägnantesten Bewegungsmuster. Beim Weglaufen der Figuren läuft sie schnell im Kreis. Mit dem Erklingen des Satzes "Wo sind die Teletubbies hin?" läuft Lara, den Satz mitsprechend, zurück zum Sofa. Hier sitzt sie still, imitiert vor allem die Sonne und spricht besondere Teile mit. Als die Windmühle sich dreht, um einen Teletubby für die Bauchgeschichte auszuwählen, springt sie vom Sofa, läuft vor den Fernseher und legt sich wie die Teletubbies auf den Boden, um mit den Beinen zu strampeln. Anschließend steht sie auf, stemmt die Hände in die Lenden und drückt den Bauch heraus, während sie die Namen der Figuren mitspricht. Wieder läuft sie zum Sofa, wo sie die Geschichten mit Interesse verfolgt. Als am Ende die Sprechtröte aus dem Boden fährt, steht Lara abermals vor dem Fernseher, winkt den einzelnen Teletubbies und geht danach kurz in die Knie, so als wenn sie sich hinter einem imaginären Hügel versteckt. Als die Teletubbies in ihren Iglu springen, hüpft Lara ebenfalls. Dieser Ablauf wiederholt sich am nächsten Tag, allerdings mit einer Puppe, und am darauffolgenden mit einem 101-Dalmatiner-Stofftier in der Hand. Die Mutter erzählt, dass sie dies über Monate hinweg durchhält.

Anders als in der Diskussion zum Thema Fernsehen und Kinder bisher wahrgenommen, gehört Bewegung zu einem häufig auftretenden Teil der "Teletubbies"-Rezeption - fast immer in Form von Armbewegungen (z.B. Winken), oft als Mitschaukeln mit der Musik, und zum Teil in Tänzen und Sprüngen. Für Lara ist es zu einem festen Ritual geworden, wie die Sing- und Tanzspiele, die sie später im Kindergarten begeistert mitmachen wird. Erstaunlich hierbei ist vor allem die gezeigte Bewegungsvielfalt, aber auch die festen Muster, die sie selber, in Imitation der Teletubby-Figuren, entwickelt hat.


Nachfragen: An einigen Stellen fragen sich Kinder nach tiefergehenden Zusammenhängen, die sie von ihren Eltern erklärt bekommen möchten.

Lars (3 Jahre) sitzt auf dem Sofa und sieht "Teletubbies", während seine Eltern frühstücken. Lars wendet sich zum Frühstückstisch: "Papa, warum haben die Teletubbies keinen Penis?" Der Vater ist etwas verblüfft: "Was? Ja, äh, weil die was an haben." Lars erwidert "Nein". Der Vater überlegt kurz, dann bietet er eine neue Antwort an: "Na, weil das keine richtigen Männchen sind." Lars ist zwar nicht besonders zufrieden mit der Antwort, wendet ich aber trotzdem wieder der Sendung zu.

Die Kinder bewegt etwas, was sie selber nicht lösen können. In weiten Teilen ist die Sendung selbsterklärend. Bei den "Teletubbies" kommen nach Beschreibung der Eltern und in den natürlichen Rezeptionssituationen relativ wenige Fragen, außer bei der Animation "Tierparade", wo die Kinder mehrfach nach bestimmten Tiernamen (z.B. Flamingo) fragen.


Spiele während der Rezeption:Die Sendung muss nicht zwangsläufig die ganze Zeit im Mittelpunkt stehen. An einigen Stellen laufen Kinder raus oder beschäftigen sich intensiv mit etwas anderem.

Anne (3 Jahre) steht direkt vor dem Fernseher und hält die Po-Puppe in der Hand. Sie spricht die Teletubbies direkt an: "Hier ist auch ein Po. Ich hab auch ein Po. Guck mal Teletubbies (laut), Guck mal, Guck mal, Guck mal." Dies wiederholt sie in den nächsten 5 Minuten mehrere Male, wobei sie immer lauter wird. Anne hat ein Anliegen: sie will ihre neue Puppe den Teletubbies zeigen. Die Handlung auf dem Bildschirm verfolgt sie nur insofern, dass sie das jeweils im Vordergrund stehende Teletubby anspricht. Als sich Tinky Winky, ohne ihr Anliegen zu erhören, abwendet, sagt sie "Das geht jetzt nicht" und wartet, bis sich wieder eine Figur mit der Front zu ihr dreht. Verunsicherung, dass die Teletubbies ihr nicht direkt antworten, ist zumindest in ihrem Gesicht nicht zu erkennen. Anne ist in ihre Spielwelt vertieft.

In mehreren Rezeptionssituationen beginnen die Kinder ein Spiel. Hier mit einer Puppe vor dem Fernseher, manchmal mit anwesenden Kindern.
Tobias (6 Jahre) und seine Schwester (1 Jahr) sehen regelmäßig die "Teletubbies". Mehrfach stupsen die beiden sich vorsichtig mit der Nase an und kugeln gemeinsam über das Sofa. Gelegentlich verfolgen beide aufmerksam die Sendung. Dann holt Tobias seine drei "Saban-Plastik-Figuren" heraus und spielt mit ihnen: "Ich kämpfe, du wirst jetzt böse. Schnell! Du musst Dich retten." Kurz sieht er wieder auf den Bildschirm und erklärt der Mutter die Zusammenhänge. Dann vertieft er sich wieder in sein Spiel auf und unter dem Sofa. Als die Mutter dies mitbekommt und fragt, ob sie den Fernseher ausstellen soll, verneint Tobias sehr bestimmt.

Tobias und seine Schwester nutzen die Sendung u.a. zum gemeinsamen Spiel. Die "Teletubbies" werden für bestimmte Zeit zum Begleitmedium und scheinen, vor allem für ältere Kinder, in einer Art Hörspielfunktion attraktiv. Mehrere Kinder wenden ihre visuelle Aufmerksamkeit zeitweise vom Fernseher ab, spielen etwas anderes oder verlassen sogar für kurze Zeit den Raum.

Aufbau der Sendung
Vorspann
Kleine Geschichte
Auswahlverfahren


Bauchgeschichte
mit Wiederholung



Große Geschichte
im Teletubbyland

Tänze/Animation
Verabschiedung

Grafik 1

Die Erzählstruktur mit angelegten Aneignungsformen
Die einzelnen "Teletubbies"-Sendungen folgen einer relativ festen Struktur aus 8 Elementen (vgl. Graphik 1). Allerdings sind die Elemente 6 oder 7 nur in einigen "Teletubbies"-Sendungen zu finden. Fast ein Viertel des Programms ist von Sendung zu Sendung nahezu identisch.

  • Element 1: Vorspann (2 Min. 30 Sek.)
    Die Babysonne geht auf und die Teletubbies stellen sich mit dem markanten Teletubby-Lied vor.
  • Element 2: Kleine Geschichte im Teletubbyland (durchschnittl. 1 Min.)
    Im Bunker oder in der Hügellandschaft erleben die Teletubbies kleine Spiele mit sich, den aus den Sprechtröten tönenden Reimen, den Lieblingsgegenständen oder den Gerätschaften des Iglus.
  • Element 3: Auswahlverfahren (1 Min. 25 Sek.)
    Mit einem immer wiederkehrenden Verfahren wird das Teletubby ausgesucht, in dessen Bauch anschließend der Einspieler mit den Kindern zu sehen ist.
  • Element 4: Bauchgeschichten (2 x ca. 3 Min. 30 Sek.)
    Die Einspieler zeigen Kinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren. Es werden Erlebnisse aus dem häuslichen Bereich, ein Besuch am Arbeitsplatz der Eltern, Bastelaktionen, Erlebnisse mit Tieren und Natur oder kleine Filme gezeigt, in denen Erwachsene für Kinder lesen, ihnen etwas vortragen oder mit ihnen singen. Wenn die Kinder sich zum ersten Mal verabschieden, rufen die 4 Teletubbies im Teletubbyland solange "no-mal", bis der Film komplett wiederholt wird.
  • Element 5: Große Geschichte im Teletubbyland (durchschnittl. 5 Min.)
    Durch eine Männerstimme mit den Worten: "Eines Tages im Teletubbyland ..." eingeleitet, werden Geschichten erzählt. Aus alltäglichen Begebenheiten, wie beispielsweise dem Wunsch nach einem Tubbypudding oder Spiele im Freien, z.B. "Drachen steigen lassen", ergeben sich lustige Vorkommnisse.
  • Element 6: Tubbytänze (ca. 2 Min.)
    Nach einer einfachen und eingängigen Musik im Viervierteltakt tanzen die 4 Teletubbies insgesamt 8 verschiedene Tänze.
  • Element 7: Vorführungen im Teletubbyland (ca. 2 Min. 30 Sek. / Bär und Löwe ca. 4 Min.)
    Die Teletubbies versammeln sich, um eine der 6 verschiedenen Computeranimationen oder das Versteckspiel von Bär und Löwe zu verfolgen.
  • Element 8: Verabschiedung (2 Min. 30 Sek.)
    Die vier Teletubbies verabschieden sich zweimal von den Zuschauenden und springen schließlich nach einem erneuten Winken in den Hausberg. Die Babysonne geht unter.
  • Zwischenelemente: Sonne und Schwenk über die Hügel (bis zu 10 Sek.)
    Innerhalb und zwischen den einzelnen Elemente erscheint das Gesicht eines Babys in der computeranimierten Sonne.
In der Rezeption werden die Tubbytänze, die immer wiederkehrenden "Teletubby"-Szenen in den Elementen 1, 3 und 8 oder die Zwischenelemente nicht hochkonzentriert verfolgt. Im Unterschied dazu sehen die Kinder - zumindest die älteren - bei den Bauchgeschichten oftmals wie gebannt auf den Fernseher. Hierbei sitzen sie meist still, während sie sich bei anderen Elementen häufig bewegen. Zwischen den typischen Momenten der Rezeption und den Elementen der Sendung gibt es einen Zusammenhang (vgl. Graphik 2). Diese Erkenntnis scheint zunächst völlig banal, ist jedoch für das Verständnis und letztendlich auch für den Erfolg der "Teletubbies" grundlegend. Die verschiedenen Elemente legen innerhalb der Sendung verschiedene Formen der Nutzung nahe.

Typische Momente der Rezeptionssituation
Vorspann Mitsprechen/
-singen/
-tanzen, Vorhersagen/
Vorwegnehmen,
Antworten
Auswahlverfahren
Verabschiedung
Bauchgeschichte
mit Wiederholung
Verfolgen, Antworten (Begrüßung), Bemerken/
Erkennen
Kleine Geschichte Verfolgen,
Vorhersagen/
Vorwegnehmen,
Bemerken/
Erklären/
Kommentieren,
Mitsprechen
Große Geschichte
im Teletubbyland
Tänze/Animation Mittanzen/
Bewegen,
Anderes spielen,
Nachfragen,
Bemerken (Tierparage),
Mitsprechen (Bär/Löwe)

Grafik 2


Bisher wird davon ausgegangen, dass das ideale Rezeptionsverhalten - wenn es denn schon sein muss – so sein soll, dass das Kind konzentriert und wie gebannt die erzählte Geschichte verfolgt, d.h. dass es eine Sendung ansieht, versteht und wenn möglich behält. Um nun den Blick zu "fangen" und die Aufmerksamkeit zu halten, werden Farben, Töne und Schnittrhythmen usw. der Wahrnehmung und dem Aufmerksamkeitsvermögen von Kindern angepaßt. In lernorientierten Programmen übernimmt ein Moderator die Führung und erklärt den Zuschauenden die Zusammenhänge der Welt. Im Fiktion-Bereich übernehmen bestimmte Figuren sowie Dramaturgie und Kameraperspektive die Erklärungsfunktion. Den jungen Rezipierenden ist hier eine relativ feste Position zugedacht, in der sie von pädagogisch verantwortungsvoll handelnden Menschen geführt und belehrt werden.

Die "Teletubbies" bieten hier etwas Neues an. Was gezeigt wird, ist vereinfacht und abstrahiert. Die Kameraperspektive lässt den Betrachtenden viel Raum, der nicht von einem focussierenden Kommentar eingeschränkt wird. Der ruhige Schnittrhythmus gibt Zeit, auf dem Gesehenen auszuruhen, es zu verfolgen oder je nach Motivation und individuellem Thema, die Handlung sogar zu überholen. Dies ermöglicht die Erfahrung von Kompetenz und aktiviert Kommunikationsformen, wie sie im pädagogisch intendierten Programm bisher zumindest nicht in dieser Konsequenz möglich sind. In einigen Elementen, vor allem den Zwischenelementen und den Tubbytänzen, entlässt die Sendung die Rezipierenden sogar vom "Bildmagnet Fernsehen" (Böhme-Dürr 1999). Die Kinder wenden ihren Blick ab, spielen etwas anderes oder bewegen sich. Was auf den ersten Blick wie ein dramaturgisches Mißgeschick aussieht, ist für die Kinder ein willkommener Freiraum. Gerade weil die "Teletubbies" von den Zuschauenden etwas anderes fordern, als nur die fortschreitende Handlung zu verfolgen, sind sie gerade für Kleinkinder interessant. Viele Eltern wundern sich über die lange Aufmerksamkeitsspanne und die emotionale (Ein-) Bindung der Kinder. Sie entsteht, weil die Zuschauenden von farblich geschickt gewählten Figuren mit einer attraktiven Körperlichkeit und interessanten Bewegungen immer wieder neu und direkt angesprochen werden und durch den Aufbau der Sendung immer wieder unterschiedliche Rezeptionsräume angeboten bekommen. Die "Teletubbies" sind für die jungen Zuschauenden ein Magazin. Es besteht aber nicht, wie sonst im Kinderfernsehen üblich, aus verschiedenen Geschichten, die verfolgt werden müssen, sondern aus einer Ansammlung von Rezeptionsräumen, die unterschiedliche Aneignungsformen nahelegen. Die vier Teletubbies bilden dabei Bindeglieder. Sie sind nicht nur die Protagonierenden, sondern innerhalb der Sendung der Rahmen für die anderen Elemente. So sehen die Zuschauenden zusammen mit den Teletubbies die Bauchgeschichten oder die Vorführungen im "Teletubbyland" an. Dadurch, dass alle Elemente in der einen oder anderen Form an die Teletubbies gebunden sind, überträgt sich das Wohlbefinden der Rezeptionssituation auch auf die Merchandisingartikel und macht unter anderem so die enorme Nachfrage aus.



2. Die besorgte Sicht der Eltern und Erwachsenen

Angesichts dieser Vielfalt von Aktivitäten scheint die Sendung harmlos, wenn nicht sogar kompetenzfördernd. Dennoch ist die Meinung von Erwachsenen über die Sendung geteilt.

Die Positionen der Eltern
Auf die Internet-Umfrage des IZI gingen 248 Antworten ein. Das Alter der Kinder, deren Eltern sich an der Umfrage beteiligten, lag schwerpunktmäßig zwischen 1 ½ und 3 ½ Jahren. Auch wenn die hier erreichten Eltern statistisch sicherlich nicht repräsentativ sind, wird ein Einblick in ihre Haltung möglich. Sie lässt sich in drei Positionen untergliedern:

    Anne sieht zusammen mit ihrer Mutter fern.
  • Die erste Gruppe sind Eltern, fast ausschließlich Mütter, die die Sendung ablehnen. Häufig argumentieren sie, dass Kleinkinder ohnehin nicht vor den Fernseher gehören, doch wenn, sollten es die "Klassiker" des Kinderfernsehens wie "Die Sendung mit der Maus" oder die "Sesamstraße" sein. Hier sehen sie ihre Kinder am meisten gefördert und berichten von der Freude, die sie auch selber an diesen Sendungen hatten und haben.
  • Eine zweite, kleinere Gruppe steht den "Teletubbies" kritisch und mit einem gewissen Unverständnis gegenüber. Diese Eltern bemerken eine Differenz zwischen ihrem eigenen Geschmack und dem der Kinder, und "trotzdem" lassen sie vor diesem Hintergrund die Kinder meist die Sendung sehen.
  • Die dritte Gruppe findet die "Teletubbies" gut, bezeichnet sie als kindgerecht und sogar geeigneter für Fernsehanfänger als die "Sesamstraße". Diese Eltern sehen sich durchaus mit Gefallen zusammen mit ihren Kindern die Sendungen an.

Auch im AOL-Chatforum ließ sich eine derartige Dreiteilung ausmachen. Wenn die zwei Stichproben auch nur sehr vorsichtig verallgemeinert werden dürfen, so weisen sie doch darauf hin, dass die Meinung der Erwachsenen in Deutschland zum Thema "Teletubbies" zumindest geteilt ist. Argumente hierfür sind neben grundsätzlichen Erziehungsvorstellungen bestimmte Aspekte der Sendung. In den Begründungen der jeweiligen Einschätzung werden spezifische Momente der Sendung - wie der spezielle "Teletubbies"-Sprachgebrauch, die redundante Erzählstruktur oder etwas, was mit "pädagogischem Gehalt" umschrieben wird - als Pro oder Kontra angeführt. Die folgende Tabelle zeigt die Hitliste der angebrachten Argumente von Erwachsenen für oder gegen die "Teletubbies".

IZI-Umfrage, 248 Beiträge von Eltern:
85 positive, 70 negative,
32 unentschiedene,
61 nicht Eltern oder unseriöse
  AOL-Chatforum, 346 Beiträge von Erwachsenen:
109 positive, 132 negative,
34 unentschiedene, 71 unseriöse
positiv negativ   positiv negativ
Die Kinder sind bei der Rezeption konzentriert, aktiv, denken und machen mit. (20) Kleinkinder gehören nicht vor den Fernseher. (30) 1. Die "Teletubbies" sind gewaltfrei. (33) Sie sind besser geeignet als andere Kindersendungen, oft genannt werden hierbei die "Power Rangers". (33) Die verwendete Sprache ist ungeeignet und führt zu Sprachstörungen. (50)
Die "Teletubbies" sind geeignet für Kinder, zum Teil sogar eher als andere Kindersendungen. Häufig genannt "Sesamstraße". (18) Die verwendete Sprache ist ungeeignet und führt evtl. zu Sprachstörungen. (26) 2. Die verwendete Sprache ist gut geeignet und ist nicht gefährlich für die Sprachentwicklung. (23) Die "Teletubbies" sind eine Verdummung für Kinder. (47)
Die verwendete Sprache ist gut geeignet und ist nicht gefährlich, bzw. fördert sogar die Sprachentwicklung. (14) Die "Teletubbies" nehmen Kinder nicht ernst und sind zu anspruchslos. (12) 3. Die "Teletubbies" sind Spaß und Unterhaltung für die Kinder ohne lehrreichen Hintergrund. (11) Kleinkinder gehören nicht vor den Fernseher. (28)
Die Sendung ist gewaltfrei. (12) Die "Teletubbies" sind eine bloße Vermarktung der Kinder. (11) 4. Die "Teletubbies" sind lehrreich und pädagogisch wertvoll. (10) Die Sendung ist nicht lehrreich und hat keinen pädagogischen Gehalt. (21)

Das von den Eltern der IZI-Umfrage meist genannte Argument für die "Teletubbies" ist die Beobachtung der Kinder während der Rezeption. Das meist eingebrachte Argument gegen die "Teletubbies" ist, dass Kinder in diesem Alter nicht vor den Fernseher gehören. In diesem Zusammenhang wird immer wieder das "Parken der Kinder", d.h. der Fernseher in einer Babysitter-Funktion, genannt und abgelehnt. Pädagogisch engagierte Positionen stehen pragmatischen Überlegungen der Organisation des Haushalts mit mehreren Kindern gegenüber. Auf einer tieferliegenden Ebene geht es in den Beiträgen daher oftmals um die Definition "der guten Mutter" und darum, inwieweit sich Fernsehen und insbesondere die "Teletubbies" mit dieser Vorstellung vertragen.
Typisiert argumentierten die die "Teletubbies"ablehnenden Eltern auf der Basis relativ fester Vorstellungen von Bildungsinhalten und wie sie erworben werden. Die zu den "Teletubbies" positiv eingestellten Eltern argumentierten in dem Versuch, die Perspektive ihrer Kinder nachzuvollziehen. Entsprechend kann insgesamt gesagt werden: Die Positionierung der Eltern zur Sendung "Teletubbies" ist eng mit allgemeinen Vorstellungen zum Umgang mit Kindern verbunden. Dabei werden die jeweiligen Wahrnehmungen und Einschätzungen von Kindheit und Gesellschaft in die jeweilige Sendung hineinprojiziert.

Die Angst der Erwachsenen vor dem Sprachverfall
Ein immer wieder genanntes Argument ist der Sprachgebrauch in der Sendung und seine potentielle Bedeutung für Kinder. Während die einen Rückschritte in der Sprachentwicklung befürchten, beurteilen andere Eltern sie als kindgerecht und sprachfördernd. Beide Einschätzungen beziehen sich interessanterweise ausschließlich auf den Sprachgebrauch der Teletubby-Figuren. Der Einsatz der Sprache in der Sendung findet jedoch auf drei Ebenen statt:

  1. Die Stimmen von Erwachsenen umrahmen die Sendung. Der Sprecher (Fabian Harloff) leitet die Szenen ein, spricht mit den Teletubbies und beschreibt die Handlung. Aus den Sprechtröten erschallen Lieder und Reime, die von Erwachsenen vorgetragen werden. Insgesamt sind es einfache kurze Satzkonstruktionen in hochdeutscher Aussprache.
  2. In den Bauchgeschichten stehen die Kinder im Mittelpunkt der Handlung. Sie sprechen während ihrer Aktionen, kommentieren die Szenen aus dem OFF und benutzen hierbei die Sprache, die ihrem derzeitigen Sprachschatz und ihren Artikulationsfähigkeiten entspricht.
  3. Die Teletubby-Figuren setzen die Sprache in einer eigenen Form ein. Neben den Teletubby-Ausdrücken (Ah-Oh, Tubbytoast, Tubbypudding usw.) haben die Teletubbies einen speziellen Sprachgebrauch. Zum einen sind dies Sprachfragmente zum Ausdruck der eigenen Befindlichkeit (Oh-Oh, Ohh-Nein, Laalila, Peidi-Peidi-Po usw.). Zum anderen ist es eine Verkürzung von Worten ("no-mal" statt "noch mal") und Satzkonstruktionen. Gelegentlich sprechen die Teletubbies kurze Sätze vollständig (Was ist das?), meistens lassen sie Verben und Artikel einfach aus ("Ball wieder" statt "Der Ball ist wieder da"). Die Figur Laa-Laa hängt zudem oftmals ein "i" an ein Wort, und die Figur Po spricht zeitweise bestimmte Konsonanten nicht.
Der Sprachgebrauch der Sendung ist eher ein Spiel mit Sprache, in dem verschiedene Ebenen ineinandergreifen. Eltern bemerken die spezielle Sprechweise der Teletubbies, und eine ganze Reihe befürchtet negative Folgen für die Sprachentwicklung der Kinder. Die Grundannahme ist hierbei, dass der Sprachgebrauch der Teletubbies - und nicht etwa der des Sprechers oder der Kinder in den Bauchgeschichten - sich direkt auf den Spracherwerb auswirken. Ihre Befürchtungen sehen sie von der Beobachtung ihrer Kinder bestätigt:

"Der gesamte KIGA meiner Tochter befindet sich zwischenzeitlich in einer Art Sprachauflösung. Bald kann gar kein Kind mehr Hallo sagen. Ich höre schon jetzt fast nur noch Ah-Oh, Ah-Oh." (Ilona 2.07.99)

"Meine Kinder (5 und 3 Jahre alt) lieben die Tubbies, allerdings begannen sie, sich schnell auf das Sprachniveau der Tubbies nach unten zu begeben, worauf die Sendung sofort aus dem Programm gestrichen wurde." (Petra 30.6.99)

Andere, in ihrer Position eher unentschiedene Eltern, heben die Bedeutung der Eltern als korrigierende Instanz hervor.

"Sanja (3 Jahre) sieht für ihr Leben gerne "Teletubbies". (...) Was mich wirklich stört, ist die vereinfachte Sprache. Ich muss meine Tochter ständig korrigieren, wenn sie nach einer "Teletubbies"-Folge anfängt mit "Ah-Oh" oder "Nomal, nomal". (Kirsten 2.8.1999)

Die Beobachtungen der Eltern stimmen darin überein, dass Kinder bestimmte Ausdrücke aus der Sendung mit in ihren Alltag nehmen. Diese Wahrnehmung wird unterschiedlich gedeutet und führt zu unterschiedlichen Erziehungsmaßnahmen.

"Ah-Oh, Hallo und Grüß Gott" - Was Kinder aus dem Sprachgebrauch der "Teletubbies" mit in den Alltag nehmen.
In den Morgenkreisgesprächen erzählen die 3- bis 6jährigen Kinder ebenfalls von der Ausdrucksweise der Teletubbies.

Beispiel:

Interv.: Mhm. Die haben ja manchmal 'ne ganz eigene Sprache, ne?
Julian: Ah-Oh heißt Hallo!
Interv.: Ah-Oh heißt Hallo. Was sagen die denn noch so?
Torben: Winke-winke heißt, ähm, heißt Tschüs. Und Hallo, ähm, Ah-Oh heißt Hallo.

Kinder kennen die spezielle Ausdrucksweise der Teletubbies und übersetzen sie ins Hochdeutsch: "Ah-Oh heißt Hallo!". Zum Teil diskutieren sie auch über die Bedeutung, z.B. bei dem "Oh-Oh", dem Überraschungslaut der Teletubbies. Dies weist darauf hin, dass Kinder die Ausdrücke nicht mit ihrer eigenen Sprache verwechseln, sondern sie sich wie Vokabeln aneignen.
Die 2 ½ Jahre alte Lara aus Ingolstadt sieht mit Begeisterung die "Teletubbies" (s.o.). In den Videoaufzeichnungen der Rezeptionssituationen singt sie jedesmal das Anfangslied mit. Dieses endet mit den Worten: "Die Teletubbies sagen Hallo. (Teletubbies antworten zum Zuschauenden hin:) Ah-Oh." Lara singt: "Ah-Oh, Hallo und Grüß Gott". Lara benutzt Grußformeln in drei verschiedenen Varianten. Nach Aussage der Mutter ist "Grüß Gott" Laras einziges bayerisches Wort, da die Familie aus Thüringen stammt. Neben der ihr bekannten Grußformel: "Hallo" (hochdeutsche Grußformel) verwendet sie zwei neu gelernte: "Ah-Oh" (Teletubby-Grußformel) und "Grüß Gott" (süddeutsche Grußformel).
Das Lernen dieser Vokabeln ist vermutlich eng mit der redundanten Narrationsform der Sendung, der Körpersprache der Figuren und dem Vorwissen der Kinder verbunden. Die Kinder verfolgen die Handlung, deuten die nonverbale Sprache und verbinden diese mit den neuen Worten. Schon bald erraten sie die Bedeutung der Teletubby-Vokabeln und erklären diese. So ist es u.a. auch möglich, fremdsprachliche Ausdrücke zu lernen. Mehrfach kamen Zuschriften, in denen die "Teletubbies" in ihrer positiven Bedeutung für Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, genannt wurden. Bei einer Familie mit 4 Kindern, die aus beruflichen Gründen mehrere Monate in Spanien verbringen muss, werden die "Teletubbies" zum Lernen der ersten spanischen Wörter genutzt:

Das Ergebnis waren 3 Kleinkinder, die binnen 2 Tagen anfingen, Spanisch zu sprechen (z.B.: "Ist das mein pelota?" (Cornelia 29.08.1999)

Kinder eignen sich die Ausdrücke der "Teletubbies" an und setzen sie im Alltag ein. Die Ausdrücke erinnern Erwachsene an eine frühere Entwicklungsphase, so dass sie dieses Medienhandeln (vgl. Paus-Haase 1998) als ‘Babysprache’, d.h. noch nicht fertig ausgebildete Sprache, deuten. Eine Reihe von Eltern und PädagogInnen fühlen sich in ihren Erziehungsbemühungen korrumpiert. Andere Eltern sehen hierin kein Problem, bezeichnen es als kurzzeitige Phase oder sehen ihre Kinder hier sogar gefördert. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die "Teletubbies" nicht zu einer sprachlichen Rückentwicklung, sondern zu einer Erweiterung des Sprachrepertoires führen. Da diese Wörter der Vorstellung vieler Erwachsenen von einem ‘richtigen Sprachgebrauch’ widersprechen, unterlaufen die Kinder mit der Integration der "Teletubbies"-Ausdrücke die dominante Vorstellung von dem, wie Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung voranschreiten sollten. Die Aneignung der "Teletubbies"-Ausdrücke ist also vor allem ein Problem der Erwachsenen, die ihre Definitionsmacht hinsichtlich der vom Kind benutzten Vokabeln untergraben sehen.8 Da insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen bemüht ist, die Vorstellungen von Erwachsenen zum Kinderfernsehen zu berücksichtigen, markieren die "Teletubbies" durchaus einen Wendepunkt. Das Argument, eine vor allem für Kinder attraktive Sendung anzubieten, ist dabei genauso nachvollziehbar, wie das Gefühl von einigen Eltern mit festen Vorstellungen über Bildung und Erziehung, der Kinderkanal ARD/ZDF sei nicht mehr auf ihrer Seite.

Wie nutzen die Kinder den Sprachgebrauch der "Teletubbies"?
Wenn Kinder Wörter der "Teletubbies" wie zusätzliche Vokabeln lernen und sie zu ihrer Sprache hinzufügen, bleibt zu fragen, wozu sie diese Wörter einsetzen. Hierzu einige Beispiele aus der Studie:

  • Eine typische Wortwendung als Spielanlaß
    Kay und Chantal bezeichnen sich im freien Spiel beide als Laa-Laa. Zunächst spielen sie mit zwei anderen Kindern mit einem großen Ball. Als die beiden anderen Kinder sich abwenden, erklärt Kay: "Komm wir sagen jetzt: Laa-Laa mit Ball spielen". Daraufhin beide: "Laa-Laa mit Ball spielen". Sie schubsen den Ball und laufen ihm quietschend hinterher. Es folgt ein Rollenspiel, in dem Bewegung das zentrale Moment ist.
Im freien Spiel wird der Sprung in den "Teletubbies"-Sprachgebrauch zum Spielanlaß und eine typische Phrase der Sendung zum Rahmen für ein bewegungsorientiertes Spiel.
  • Die Sprache der "Teletubbies" als Geheimsprache
    In der dritten Klasse einer Reformschule wird die Sprache der "Teletubbies" bzw. eine Interpretation davon zur Geheimsprache. In den Pausen sprechen die 4 fest befreundeten Jungen in einer Art Babysprache, die sie Teletubby nennen. Die Eltern der 4 Jungen regen sich hierüber auf, was die Freunde jedoch nur noch fester zusammenschweißt. Kommen Mädchen oder Lehrerinnen in der Pause zu ihnen, sind sie stumm und kichern los, wenn die Außenseiterinnen wieder weg sind.
Der Medienbezug wird zum Pausenspaß, wobei die geheime Sprache zur Gruppenbildung und Abgrenzung genutzt wird.
  • Die Teletubby-Sprechweise als Abwehrmechanismus
    In einem Fall berichtet eine Mutter, wie die Sprache der Teletubbies sich negativ auf die Fähigkeit ihres 5jährigen Sohnes, Wörter auszusprechen, auswirkte. Der Sohn ist in der Sprachtherapie. In den Sommerferien sieht er mit seiner Schwester die Sendung und die Mutter nimmt Veränderungen wahr: "Die Wörter, die er richtig spricht, kamen auf einmal falsch raus. (...) jetzt wo er in den KiTa wieder geht, redet Andreas wieder vernünftig. GOTT sei DANK!! (...)" (Bettina, 21.08.1999) Auf direktes Nachfragen führt die Mutter die Zusammenhänge weiter aus: "Andreas hat sich dadurch verschlechtert, indem er die Teletubbies nachgeäfft hat. Die sprechen ja auch nicht richtig, und vor allem nicht klar und deutlich. Das hat Andreas nachgeahmt."(Bettina 23.08.1999)
Ein Fünfjähriger, der in Sprachtherapie ist, "äffte" in den Sommerferien die Sprache der Teletubbies nach. Die Probleme der Mutter sind nachvollziehbar. Vermutlich ist der Alltag der Familie durch die Bemühungen gekennzeichnet, den Jungen zum deutlichen Sprechen zu animieren, wozu sie auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Nachdem Andreas die "Teletubbies" sah, ist es durchaus denkbar, dass er die einfacher auszusprechenden Wörter der Teletubbies in seinen Wortschatz dankbar aufnahm. Vermutlich nutzte Andreas die "Teletubbies" als eine Art Rückzugsraum, um sich (gerade in den Sommerferien) den Bemühungen der Mutter zu entziehen.
Kinder setzten die "Teletubbies"-Ausdrücke subjektiv sinnhaft ein. Die Wortwendungen werden beispielsweise zum Spielanlaß, zur Geheimsprache oder zum Abwehrmechanismus.

Das Spiel mit Geschlechterklischees
Weniger direkt an den Erziehungsvorstellungen als an den eigenen Erfahrungen orientiert sind die Wahrnehmung und Einschätzung der Geschlechterinszenierung. In der offiziellen Lesart sind die beiden größeren Teletubbies Tinky Winky und Dipsy Jungen-Figuren und Laa-Laa und Po Mädchen-Figuren. Anders als bei Kinderprogrammen üblich, sind die Mädchen-Figuren nicht durch spezielle Kennzeichen wie Schleifchen oder sexualisierte Merkmale gekennzeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Geschlechter hätten oder nicht auf Geschlechterritualen aufbauen würden. Gitta Mühlen Achs weist mit Bezug auf Goffman die besondere Bedeutung der Körpersprache in medialen Inszenierungen nach (vgl. Mühlen Achs 1998, 1995). Vor allem Dipsy und Laa-Laa greifen in ihrer Körpersprache eine bestehende Ritualisierung zur Inszenierung von Geschlecht auf. Dipsy steht oftmals breitbeinig und zeigt expressive energische Gesten. Laa-Laa hingegen präsentiert sich mit balletteusen Bewegungen und einem Körperstand, der sie als "typisches Mädchen" ausweist. Die Bewegungen von Po hingegen sind weit weniger grazil. Oftmals steht sie breitbeinig oder springt im Schlußsprung auf und ab. Tinky Winky gestikuliert weniger als die anderen Teletubbies und seine Bewegungen sind etwas tapsig. Die Lieblingsgegenstände der drei kleineren Teletubbies (Dipsy: Hut, Laa-Laa: Ball, Po: Roller) sind nur bedingt geschlechtertypisch belegt. Tinky Winkys rote Damenhandtasche hingegen ist ein "weibliches" Accessoire. Während die Figuren Laa-Laa und Dipsy eher den bestehenden Stereotypen von Mädchen und Junge entsprechen, erweitern sich bei Tinky Winky und Po spielerisch die vorherrschenden Geschlechterklischees.
In der Rezeption führt dies zu einer erstaunlichen Entwicklung. Für Erwachsene ist die Figur Tinky Winky mit seiner Handtasche verwirrend. Nicht nur Reverend Falwell, sondern auch eine Reihe von Müttern in der Umfrage fühlen sich von dieser Kombination gestört. Die Vorstellung, ein Mitglied der dominanten Gruppe (Männer) würde sich freiwillig ein Accessoire der subdominanten Gruppe (Frauen) aneignen, paßt nicht in ihr Deutungsmuster, es sei denn im Kontext einer abweichenden "Männlichkeit" (subdominante Gruppe Männer mit homosexueller Orientierung).
Für die Kinder ist Tinky Winky in seiner Geschlechterzugehörigkeit eindeutig ein Junge. Einig sind sie sich auch bei Laa-Laa, die sie alle als Mädchen bezeichnen. Für Kinder ist Po die Figur, deren Geschlechterzugehörigkeit nicht eindeutig ist. Fast alle Kinder sprechen im Spiel und in den Erzählungen von ihr in der maskulinen Form. Werden ältere Kindergartenkinder und Grundschüler/innen direkt auf die Figur angesprochen, so formulieren sie, dass Po ein Mädchen ist. Wenig später, in den Nacherzählungen besonders spannender Folgen, sprechen sie jedoch schon wieder von ihr in der maskulinen Form. Selbst Mädchen der dritten Klasse sprechen von "dem Po", ähnlich wie die Kinder in den Briefen, die sie an das Magazin schreiben.9
Vermutlich ist die Benutzung der männlichen Form durch den Lars animiert seinen Vater erfolgreich zum Mittanzen.geschlechterspezifisch neutral gehaltenen Namen Po und ihre für Medieninszenierung ungewöhnliche Körpersprache mitbedingt. Fernseherfahrene Kinder sind zudem gewohnt, dass alle positiv besetzten Figuren selbstverständlich männlich sind, wenn sie nicht offensichtliche "weibliche" Merkmale tragen.
In der Aneignung der Figuren in den Spielaktionen zeigen sich weitere spannende Momente. Nachdem die Kinder sich mit den Stoffkissen ein Teletubbyland gebaut haben, spielen sie frei mit den "Teletubbies"-Puppen. Anschließend kommt die Spielaufforderung, selber ein Teletubby zu sein. Die Mädchen wollen vor allem Laa-Laa, aber auch Po, Tinky Winky und in einem Fall Dipsy sein. Die Jungen wählen vor allem Po, manchmal Tinky Winky und Laa-Laa, in wenigen Fällen Dipsy. Auch im Alltag richtet sich das Interesse der Kinder nicht automatisch auf die gleichgeschlechtliche Figur. So findet Anne (3 Jahre) Tinky Winky am interessantesten. Ihr handlungsleitendes Thema ist es, groß zu sein und Kompetenz zu beweisen. Ein italienischer Junge liebt Po über alles – Ricardo (3 ¼ Jahre) füttert liebevoll seine Laa-Laa Puppe.
Bisher dominiert in der Rezeptionsforschung die Vorstellung von zwei getrennten Welten: einer auf Harmonie und Gemeinsamkeit konzentrierten Mädchen-Medien-Welt und einer auf Kampf und Abgrenzung spezialisierten Jungen-Medien-Welt (vgl. z.B. Paus-Haase 1998, S. 9). Bei den Programmverantwortlichen wird davon ausgegangen, dass für Mädchen Aneignungsprozesse vor allem mit den wenigen Mädchen- und Frauen-Figuren und unter bestimmten Bedingungen mit den Jungen- und Männer-Figuren möglich sind. Für Jungen hingegen wird selbstverständlich angenommen, ihnen böten die weiblichen Figuren so gut wie nichts.10 Dies ist angesichts der stereotypen Rollenverteilung im Kinderfernsehen nachvollziehbar, doch ist dies eben auch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Im Kinderalltag haben sich die Varianten der Erfahrung mit Frauen und Männern vervielfältigt. Das Puzzelling-Gender, der spielerische Umgang mit Geschlechterklischees, ist heute bereits Teil der Kindheit. Der Beitrag einer Mutter hierzu:

"(...) Wer Kinder beobachtet, sieht, dass Jungs gerne Make-up tragen wie ihre Mütter und Mädchen sich das Gesicht rasieren wie ihre Väter, also trägt Tinky-Winky eine rote Tasche. Mein Sohn und meine Tochter streiten sich, wer meine Handtasche tragen darf. Ja und? Das ist normal. (K.Rykowski)

Die "Teletubbies" als Teil der individuellen Bedeutungskonstitution
Die Rezeption und Deutung der Sendung ist Teil der Medienaneignung und damit Teil der individuellen Bedeutungskonstitution. Bei den Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen mit Medien durchdringen sich individuelle Themen, sozialer Kontext, die Biographie und das spezifische Medium in ihren intertextuellen Einbindungen im Medienmarkt (Bachmair 1996). Eltern sehen ein Medium, das in vielen Dingen von dem Selbsterfahrenen und Bekannten abweicht. Sie selber sind mit den Programmen "Die Sendung mit der Maus" und "Sesamstraße" aufgewachsen und erfuhren sie als freudevoll und unschädlich. In der öffentlichen Diskussion wurde und wird das Thema Kinder und Fernsehen problematisiert und vor schädlichen Folgen gewarnt. Da die Eltern die "Klassiker" selber erfahren und für sich - oftmals auch entgegen der öffentlichen Debatte - als unschädlich konstatieren konnten, ist es ihnen möglich, hier eine eigene Position zu beziehen.
Nico, 4 Jahre, knuddelt seine Laa-Laa Die "Teletubbies" sind im Fernsehmarkt eine ungewöhnliche Erzählform, die mit dem bisherigen Verständnis für ein pädagogisch intendiertes, unterhaltendes oder aufregendes Kinderprogramm kaum zu fassen ist. Hinzu kommt die Erweiterung der Zielgruppe und der damit verbundene Tabubruch im deutschen Fernsehen. Hier berühren die "Teletubbies" tieferliegende Ängste und greifen die "letzte sichere Bastion frühe Kindheit" (Vgl. Howard & Roberts in diesem Heft) an. Presse und kommerzielle Sender nutzen die Gelegenheit, berichten über die Sendung in dem jeweils üblichen emotionsgeladenen und betont kritischen Stil.11Der privat-kommerzielle Sender SAT.1 strahlte sogar eine Fernsehtextseite aus, in der von der steigenden Zahl notwendiger Sprachtherapien aufgrund des "Teletubby"-Konsums berichtet wird. Hier werden potentiell vorhandene Ängste der Menschen aufgegriffen. (Schließlich geht es auch der Presse und SAT.1 vor allem darum, Leser/innen zu behalten und zu gewinnen.)
Eltern möchten ihren Kindern einen möglichst guten Start ins Leben bieten. Was die Eltern sich darunter vorstellen, ist individuell unterschiedlich. Sie selber können aufgrund ihrer eigenen (Fernseh)Erfahrungen die "Teletubbies" schwer einordnen und suchen nach Orientierung. Die öffentliche Diskussion erfahren sie vor allem als kritische Berichterstattung. In der Rezeptionssituation erleben Eltern ihre Kinder in einer zum Teil bis dahin noch nicht gekannten Faszination. Sie verwenden ihre bisherigen Deutungsmuster und beschreiben die "Teletubbies"-Begeisterung ihrer Kinder zum Beispiel mit Vokabeln wie Drogensucht oder Hypnose.
Für Vorschulkinder, die zum Teil erst mit den "Teletubbies" ihre Fernseherfahrungen machen, entsteht die Problematik der Deutung gar nicht. Sie nehmen das Spiel mit der Sprache und der Inszenierung von Geschlecht selbstverständlich an. Die ästhetische Gestaltung oder die redundante Dramaturgie ist für Kinder oft gar kein Thema, es sei denn im Erstkontakt (vgl. Best in diesem Heft). Erst mit dieser Serie entstehen ihre Deutungsmuster, ihre ästhetische und narrative Erfahrung, weil eine ganze Reihe von Kindern mit den "Teletubbies" ihre Fernsehzeit beginnen. Durch die Verschiebung der Sendezeit auf den Abend werden die "Teletubbies" und das "Sandmännchen" für viele das Einzige, was sie regelmäßig sehen dürfen. Dieses Vorschulprogramm wird also zumindest in Deutschland die Fernseherfahrungen einer ganzen Kleinkindergeneration prägen - mit sicherlich weitreichenden Konsequenzen.

Die "Teletubbies": Eine Kindersendung am Nerv der Zeit
Die "Teletubbies" sind am Zahn der Zeit. Sie treffen pädagogisch und ökonomisch konsequent den "Nerv" der Kinder mit Fingerspitzengefühl, Intuition und einem Quentchen Glück. Sie treffen aber auch blank liegende Nerven der Zeit. Für die Eltern ist es nicht nur die Last, mit dem Thema Fernsehen und Konsumangebot immer früher umgehen zu müssen, sondern ihnen fehlen vor allem Deutungsmuster, um dieses Programmformat verstehen und einordnen zu können. Spätestens bei den "Teletubbies" wird vielen klar, dass sie die Kinderkultur nicht mehr selbstverständlich aufgrund ihrer eigenen Kindheitserfahrungen verstehen können. Dies wäre mit zunehmendem Alter der Kinder ohnehin gekommen, doch jetzt werden auch noch die mythisierten ersten drei Lebensjahre angegangen. Andere Medien greifen diese Ängste auf und machen - ebenfalls nur ökonomisch konsequent - mit mehr oder weniger gut recherchierten Geschichten ihren Profit.
Die "Teletubbies" in diesem Geflecht als gut oder schlecht beurteilen zu wollen, heißt immer auch "den Zahn der Zeit" zu bewerten. Diese Fernsehreihe ist eine Innovation, die mit Risiko für alle Beteiligten verbunden war. Sie ist geglückt, hat der Produktionsfirma Ragdoll, BBC-Worldwide, Itsy-Bitsy Entertainment u.a. sehr viel Geld gebracht und Familien und Kindergärten in aller Welt vor das gleiche Problem gestellt: Sie müssen einen Weg finden, das Thema "Teletubbies" zu deuten, einzuordnen und zu bewältigen.


ANMERKUNGEN

1 Die Spiel- und Malaktionen im Kindergarten wurden von Bärbel Kopp initiiert und durchgeführt. Die Morgenkreisgespräche und Falluntersuchungen in Familien fanden in Zusammenarbeit mit Dipl.-Oec. Ole Hofmann statt, der auch die 90 "Teletubbies"-Folgen der ersten Staffel inhaltsanalytisch untersuchte.
2 Durchgeführt in Zusammenarbeit mit Dipl.-Oec. Ole Hofmann.
3 In gewisser Weise erinnert dieses Setting an experimentelle Forschungen zur Medienwirkung. Die Auswertung dieser Studie findet jedoch vor dem Hintergrund eines theoretischen Ansatzes qualitativer, alltagsorientierter Rezeptionsforschung statt (vgl. Bachmair 1996, Mikos 1994). Im Unterschied zu der australischen Studie von Susan Howard und Susan Roberts (vgl. Ankündigung in diesem Heft) sehen die Kinder in ihrem Alltag verschiedene Folgen der ersten Staffel. Schon von daher liegt der Schwerpunkt nicht auf der "Wirkung" einzelner Aspekte einer bestimmten Folge, sondern ist auf typische Momente der "Teletubbies"-Rezeption im allgemeinen angelegt.
4 Durchgeführt mit Unterstützung von Maria Monninger, Dieter Graßberger, Bärbel Kopp und Wolfgang Vogt.
5 Urbia.de / eltern.de / familie.de / familie-online.de / family.acw.at / elternnetz.de / elternwelt.de / kidnet.de / hausfrauenseite.de / babyzimmer.de / rund-ums-baby.de
6 Erzählanlaß im Morgenkreisgespräch in Kindergarten und Grundschule ist ein Korb mit verschiedenen Merchandising-Puppen. Neben den Teletubbies gibt es Maus und Elefant aus der "Sendung mit der Maus" oder Tigger und Ferkel von "Winnie Puuh", Ernie und Bert aus der "Sesamstraße" oder Rudi den Raben aus "Siebenstein" usw.. Die Kinder wurden gebeten, sich eine Figur herauszunehmen und über die Sendung und die Geschichten zu erzählen.
7 In der Umfrage an die Eltern wird deutlich, dass die Sendung nicht nur von fernsehgewohnten Kindern eingeschaltet wird, sondern viele bisher höchstens mitsehende Kleinkinder zum gezielten Fernsehen bringt.
8 Bei anderen Sendungen wie "Sesamstraße" tritt dieses Problem nicht auf. Auch hier werden Worte aus der Sendung in den Alltag mitgenommen. Hierzu gehören neben dem Lachen von Ernie die Zahlen von 1-30 oder die Benennung der Buchstaben. Dieses entspricht der dominanten Vorstellungen der Eltern von einem sinnvollen Lerninhalt. Grundschullehrer/innen beschweren sich schon seit vielen Jahren über "Sesamstraßen-verdorbene Kinder". Für den Erstleseunterricht ist die Benennung des Konsonanten "F" als "ef" hinderlich und die Kinder müssen ob dieses Vorwissens ermahnt werden. Wenn Lesen noch über Einzelbuchstaben gelernt wird, dann wird der Buchstabe "F" lautiert. Die Buchstabenbezeichnungen, die Kinder aus der "Sesamstraße" lernen, ist für die dominante Vorstellung jedoch unproblematisch. Daher sehen Eltern, anders als Grundschullehrer/innen, hier kein Problem, denn die Definitionsmacht der Eltern wird nicht unterlaufen.
9 In den Briefen sprechen viele der Schreiberinnen Po in der maskulinen Form an. Hierbei zeigt sich eine auffällige Ähnlichkeit zu Fan-Briefen 9- bis 11jähriger Mädchen an Boygroups und es deuten sich Formen parasozialer Beziehungen (Vgl. Götz 1999) an.
10 Albert Schäfer spricht von einem ehernen Gesetz des Kinderfernsehens: "Bei Produktionen mit fiktiven Heldinnen läuft man immer Gefahr, die Jungen vor dem Fernsehapparat auszuschließen" (zitiert nach Gangloff, 1999)
11 Eine der wenigen Ausnahmen hierzu ist die Zeitschrift "Familie & Co", die versucht, Eltern die Begeisterung ihrer Kinder für die Sendung verständlich zu machen. (Familie & Co Heft 6/1999)

 

LITERATUR

  • Bachmair, Ben: Fernsehkultur. Subjektivität in einer Welt bewegter Bilder. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, 357 S.
  • Böhme-Dürr, Karin: Bildmagnet Fernsehen. In: TelevIZIon,12/1999/1, S. 19-24.
  • Brudny, Wolfgang: Die "Teletubbies". Verunsichern sie die Medienpädagogen? In: TV-Diskurs, -/1999/Oktober, S. 67-73.
  • Gangloff, Tilmann: Lauter Superhelden und Sexbomben. Schon in den Sendungen des Kinderfernsehens dominieren die Geschlechterklischees. In: Stuttgarter Zeitung vom 17.09.1999. Götz, Maya: Mädchen und Fernsehen. Facetten der Medienaneignung in der weiblichen Adoleszenz. München: KoPäd 1999, 400 S.
  • Groebel, Jo: Stimmungsfernsehen, Wohlfühlfernsehen, ohne Angst vor Überzuckerung. Kinderkanal ARD/ZDF Pressemappe zu den Teletubbies 1999.
  • Horten, Donald; Wohl, Richard: Mass communication and para-social interaction. Observations on intimacy at the distance. In: Psychiatry, 19/1956/3, S. 215-229.
  • Mikos, Lothar: Es wird dein Leben! Familienserien im Fernsehen und im Alltag der Zuschauer. Münster: MAkS Publikationen 1994, 475 S.
  • Mühlen Achs, Gitta: Frauenbilder. Konstruktionen des anderen Geschlechts. In: Mühlen Achs, Gitta ; Schorb, Bernd (Hrsg.): Geschlecht und Medien. München: KoPäd 1995.
  • Mühlen Achs, Gitta: Geschlecht bewußt gemacht. Körpersprachliche Inszenierungen. München: Frauenoffensive 1998, 142 S.
  • Paus-Haase, Ingrid: Heldenbilder im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Symbolik von Fernsehfavoriten. Opladen u.a.: Westdeutscher Verlag 1998, 322 S.



DIE AUTORIN

Maya Götz, Dr. phil.,

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, München.
maya.goetz@brnet.de
www.maya-goetz.de


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Zentralinstitut
für das Jugend-
und Bildungsfernsehen
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