IZI-Forschung
 
Forschungsschwerpunkt Migration / Diversity
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Typisch deutsch/typisch türkisch – wie lesen Jugendliche humorvoll gebrochene kulturelle Klischees in Comedy-Programmen?

Diese IZI-Rezeptionsstudie im Forschungsschwerpunkt „Medien und Migration“ soll zeigen, wie humorvoll gebrochene Stereotype über deutsche und türkischstämmige Figuren in zwei aktuellen Comedy-Familienserien von 14- bis 16-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund gelesen werden.

Comedyprogramme sind nach Daily Soaps ein absolutes Lieblingsgenre von Jugendlichen und werden entsprechend oft rezipiert (JIM-Studie 2006). Ein breites Angebot an Humorsendungen, die – in vielen Wiederholungen – einen erheblichen Anteil am gesamten Programmangebot ausmachen, bedient diese Programmpräferenz. Die Sender PRO7 und RTL sind, was die Quantität und Beliebtheit der gesendeten Comedy-Formate angeht, führend (Schumacher/Hammer 2000, Knop 2007). Diese Sender stehen auch in der Gunst der Jugendlichen mit Migrationshintergrund ganz oben (ARD/ZDF-Studie zu Migranten und Medien 2007, Simon/Kloppenburg 2007).


Ziel

Wie gut gefallen Jugendlichen die sogenannten „Ethno-Comedys“, in denen der Alltag von Deutschen und (Deutsch-)Türken gezeigt wird und in denen Stereotype über Deutsche und MigrantInnen im Zentrum der Humorproduktion stehen? Worüber lachen Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund und wie verstehen sie diesen Humor? Am Beispiel der zwei aktuellen Serien Türkisch für Anfänger (ARD) und Alle lieben Jimmy (RTL) soll gezeigt werden, welche Anknüpfungspunkte Jugendliche in dem humorvollen Material finden. Beide Serien sind in Berlin angesiedelt, in beiden dreht es sich um den turbulenten Alltag von Teenagern und ihren Familien. Während in Türkisch für Anfänger die Perspektive der 16-jährigen deutschen Hauptfigur Lena in der frischgebackenen deutsch-türkischen Patchwork-Familie dominiert, wird in Alle lieben Jimmy die Welt aus der Sicht des 18-jährigen Deutsch-Türken Jimmy gezeigt, der in seiner Freizeit am liebsten mit seinem (deutschen) Kumpel Ben unterwegs ist. In der Studie werden Unterschiede und Ähnlichkeiten in der Rezeption von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, von Mädchen und Jungen sowie von „normalen ZuseherInnen“ und Fans herausgearbeitet. Um eine größtmögliche Bandbreite an Meinungen zu erhalten, werden Jugendliche aus verschiedenen Schultypen (Hauptschule, Realschule und Gymnasium) und Regionen (München und Berlin) befragt.



Datenerhebung

1. Medienanalyse
Je eine Folge von Türkisch für Anfänger und Alle lieben Jimmy wird auf folgende Fragen hin analysiert: Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede haben die ausgewählten Serien? Welche Erzählperspektive wird eingenommen? Welche Figuren und figurenbezogenen Stereotype finden sich in den Episoden? Wie werden diese gerahmt/kommentiert?

2. Befragung von 14- bis 16-jährigen Jugendlichen
Fragebogenerhebungen und Gruppendiskussionen werden mit insgesamt 150 Jugendlichen, die eine Folge von Türkisch für Anfänger bzw. Alle lieben Jimmy gesehen haben, in München und Berlin durchgeführt. Erhoben wird, wie die verschiedenen Charaktere in den Serien beurteilt werden, welche Szenen für die Jugendlichen besonders lustig sind und welche (kulturellen) Konflikte für sie zentral sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass im deutschen Fernsehprogramm von Daily Talks und Soaps, Gerichtsshows und Boulevardmagazinen bei Figuren mit Migrationshintergrund Stereotype des (männlichen) Türken in Rollen vom Macho bis hin zum Kriminellen bzw. des „Opfers der Umstände“ dominieren (Dorer/Marschik 2006; Schorb 2000), ist besonders interessant, die Rezeption der deutschen und türkischen bzw. türkischstämmigen Jugendlichen auf die humorvoll gebrochene Darstellung solcher Stereotype (die gleichermaßen über die deutschen und türkischstämmigen Seriencharaktere geäußert werden) miteinander zu vergleichen.

3. Forumsauswertung und Fan-Fragebogenaktion
Auf welche Aspekte der beiden Serien beziehen sich Fans, die sich von Senderseite angeboten Foren und in Fanforen im Internet engagieren? Welche Rolle spielt der unterschiedliche kulturelle Hintergrund der Seriencharaktere für die Rezeption der Figuren durch die Fans? Eine quantitative Auswertung der Themen, die in den Foren behandelt werden, und ein Fragebogen sollen diese Zusammenhänge genauer in den Blick nehmen.

Ergebnisse

Diese Studie soll einen Beitrag zum Verständnis darüber leisten, wie Jugendliche die humorvolle Brechung von Stereotypen über Deutsche und (Deutsch-)Türken vor dem Hintergrund des medialen Diskurses über MigrantInnen lesen und worüber sie lachen. Dies könnte auch für die Produktionsseite von Interesse sein. Außerdem sollen aus den Ergebnissen konkrete Tipps für den medienpädagogischen Umgang mit diesen populären Formaten gezogen werden. Die Ergebnisse aus dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift „TelevIZIon“ 21/2008/1" und in weiteren Publikationen veröffentlicht.


Literatur
:
Dorer, J.; Marschik, M.: Medien und Migration. In: medienimpulse, 14/2006/55, S. 24-28.

Feierabend, S.; Rathgeb, T.: JIM 2006 – Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: mpfs 2006.

Keding, K.; Struppert, A.: Ethno-Comedy im deutschen Fernsehen. Inhaltsanalyse und Rezipientenbefragung zu „Was guckst du?“ Berlin: Frank u. Timme 2006.

Knop, K.: Comedy in Serie. Medienwissenschaftliche Perspektiven auf ein TV-Format. Bielefeld: transcript 2007.

Migranten und Medien 2007. Ergebnisse einer repräsentativen Studie der ARD/ZDF-Medienkommission.

Schorb, B. u.a. (Hrsg.): Was guckst du, was denkst du? Der Einfluss des Fernsehens auf das Ausländerbild von Kindern und Jugendlichen. Kiel: ULR 2000.

Schumacher, G.; Hammer, D.: Humorsendungen im Fernsehen: Angebot, Nutzung, Anforderungen. In: Media Perspektiven, -/2000/12.

Simon, E.; Kloppenburg, G.: Das Fernsehpublikum türkischer Herkunft – Fernsehnutzung, Einstellungen und Programmerwartungen. In: Media Perspektiven, -/2007/3, S. 142-152.

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