IZI-Forschung
 
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Antiziganismus im Kinderfernsehen?
Wie Kinder den Film „Nellys Abenteuer“
verstehen (2017)

In einem wissenschaftlichen Gutachten wird dem vom SWR produzierten Kinderfilm Nellys Abenteuer vorgeworfen, er „produziert und reproduziert […] alle klassischen antiziganistischen Stereotype“. Inwieweit und in welcher Weise diese Vorwürfe zutreffen und der Film zu einer Prägung des Weltbildes von Kindern (8-11 Jahre) führt, wurde anhand einer Rezeptionsstudie untersucht. 72 Mädchen und Jungen wurden vor und nach der Rezeption des Filmes qualitativ und standardisiert entlang der Vorwürfe auf antiziganistische Stereotypen hin befragt.

Ergebnisse:

Der Film Nellys Abenteuer arbeitet mit klischeehaften Motiven, von denen einzelne medienanalytisch als antiziganistisch identifiziert werden können. Hier wäre mehr Sensibilität wünschenswert gewesen. Durch die Filmrezeption ist jedoch keine konkrete Förderung antiziganistischer Tendenzen zu erwarten, weil die Kinder den Zusammenhang zwischen den dargestellten RumänInnen und rumänischen Roma nicht herstellen. Vor der Filmrezeption hatte keines der Kinder eine Vorstellung zu Worten wie „Roma“ und „Zigeuner“ als Bezeichnung für eine ethnische Minderheit. Nach der Filmrezeption befragt gehen zwei Drittel der Kinder sicher davon aus, dass Roma die Einwohner von Rumänien sind, ein gutes Viertel sagt von sich, sie wüssten es (nach wie vor) nicht. Dies bedeutet, dass sich alle möglicherweise stattfindenden Stereotypisierungen auf das Bild von RumänInnen beziehen, was nicht falsch ist, denn um solche handelt es sich in dem Film. Da die meisten Kinder (78 %) nicht wissen oder verneinen, dass es Roma in Deutschland gibt, ist eine mögliche Übertragung des Gesehenen auf die eigene Lebenswelt eher unwahrscheinlich.

An einigen Stellen nehmen einige Kinder die kritisierten Motive wie das Stereotyp des „nicht arbeitenden Roma/Rumänen“ mit, was als problematisch zu werten ist. Auch das Motiv der Kinder- und Zwangsheirat wird memoriert, was aber leider für zwei Drittel der rumänischen Roma Realität ist. Insgesamt ist das Fazit der Studie: Kinder, die weit weniger antiziganistische Bilder im Kopf haben als Erwachsene, verstehen den Film an vielen Stellen deutlich anders, was nicht heißt, dass die Klischees im Film nicht hätten vermieden werden sollen. Für die meisten ist es ein spannender, lustiger bis klamaukhaft überzogener Film um eine spannende Abenteuergeschichte in einem fremden Land, bei der es darum geht, gefährliche Situationen zu bewältigen, Freunde in der Fremde zu finden und gemeinsam die Zukunft besser zu gestalten


Literatur
:
Götz, Maya: Nellys Abenteuer. Wie Kinder einen Spielfilm verstehen, dem antiziganistische Tendenzen vorgeworfen werden. TelevIZIon, 31/2018/2, S. 16-20.

 

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