IZI-Forschung
 
Forschungsschwerpunkt Gender

>> "Welches Geschlecht haben Helden?"

 

Dr. Maya Götz

Harte Kerle und schöne Frauen

Entwicklung der Geschlechterrollen in Film und Fernsehen

"Was, das ist immer noch ein Thema?" fragte eine verantwortliche Redakteurin des Kinderfernsehens. "Ach wissen Sie, das hat sich doch schon lange alles verändert" kommentiert ein Medienstudent. Sich am Ende der 90er Jahre noch mit Geschlechterstereotypen von "harten Kerlen und schönen Frauen" im Spielfilm zu beschäftigen, erscheint geradezu redundant. Beispiele wie "Terminator II", "Lola rennt" oder die vielen Kommissarinnen im Fernsehprogramm zeigen doch, dass mittlerweile alles anders ist, Männer geradezu unmännlich werden1 und fast schon "Allein unter Frauen" sind.
Einschlägige Studien zum Frauenbild im Fernsehen, z.B. von Erich Küchenhoff et al., arbeiteten 19752 heraus, dass Frauen erheblich unterrepräsentiert, nur auf äußerliche Attraktivität begrenzt sind und für die Handlung kaum eine Rolle spielten. In einer vergleichbaren Stichprobe von 1990 kommt Monika Weiderer3 jedoch zu erschreckend ähnlichen Ergebnissen.

"Im Vergleich zu den Resultaten von Küchenhoff (1975) und auch zu den Ergebnissen weiterer Analysen aus dem deutschen Sprachraum und den USA, die während der letzten zwanzig Jahre durchgeführt wurden, ist lediglich in wenigen Aspekten eine Weiterentwicklung der Geschlechterrollendarstellung feststellbar." (Weiderer 1993, 324 f.)

Auch die aktuelle quantitative Studie "Who speaks in television?", die sechs europäische Sendeanstalten4 zu Eigenproduktionen und Primetime-Programm durchführten, resümiert die nach wie vor eindeutig bestehende Unterrepräsentanz von Frauen. (Dijck 1999)
Was entspricht denn nun dem Angebot an Männer- und Frauenfiguren: die Alltagswahrnehmung "alles hätte sich verändert" oder die Studien, die nach wie vor bestehende Stereotypen herausarbeiten?
Wie immer ist die Antwort ein "sowohl als auch". Es hat sich einiges verändert, anderes ist gleich geblieben, bzw. hat sich sogar noch verstärkt. Im Folgenden möchte ich versuchen, über diese Tendenzen einen Überblick zu geben, und - vor dem Hintergrund der Diskussion im Anschluss an den Vortrag auf den Münchner Medientagen - nach Konsequenzen fragen.

Im ersten Schritt werden zentrale Momente der Inszenierung der Geschlechterrollen am Beispiel der 18 James-Bond-Filme verdeutlicht und Veränderungen in den letzten Jahrzehnten aufgezeigt.
Dem Einzelbeispiel folgt ein kurzer Blick ins aktuelle Fernsehprogramm.
Anschließend werden zwei zentrale Tendenzen in der Entwicklung von Frauenfiguren aufgezeigt: Die kämpferischen Schönen mit extrem sexualisierten Körperproportionen und die ‘andere’ Frau, die von dem Schönheitsideal scheinbar abweicht.
Bis zu einem gewissen Grad sind Rezipientinnen durchaus wehrhaft gegen diese nach wie vor bestehenden Strukturen, die von ihren Alltagserfahrungen und der real existierenden Vielfalt von Menschen abweichen. Dennoch werden durch die Angebote auch Grenzen gesetzt, die es zu erweitern gilt. Die Notwendigkeit der Erweiterung besteht dabei nicht nur aus "pädagogischen Gründen", sie ist innerhalb eines sich zunehmend ausdifferenzierenden Medienmarktes überlebenswichtig und kommerziell sinnvoll. Insofern sind Produzierende aufgerufen, nicht nur immer wieder die gleichen Strukturen und Stereotypen in konsumorientierter Form zu reproduzieren, sondern die Vielfalt gezielt zu erhöhen. Ein bisher kaum genutztes kreatives Potenzial liegt dabei bei den Frauen, die im Medienbetrieb nach wie vor in den entscheidungsfindenden Positionen kaum vorhanden sind.

Die Entwicklung der Inszenierung von Männer- und Frauenfiguren am Beispiel der 18 James Bond Filme

Um die Entwicklung von Geschlechterrollen über einen längeren Zeitraum aufzuzeigen, wurden neben Vergleichsuntersuchungen (vgl. Weiderer) auch zentrale Starfiguren (vgl. Henschel 1989, Hollstein 1997) analysiert. Zwei weitestgehend unabhängige Spielfilme gegeneinander zu halten, ist ein bisschen wie der Vergleich zwischen Apfel und Birne. Genre, Drehbuch, Produktionsteam usw. sind so viele Parameter, die das Werk prägen und den Vergleich eines bestimmten Aspekts, hier Frauen- und Männerrollen, schwierig machen. Daher hier eine Analyse einer Filmreihe, die über Jahre von einem relativ konstanten Produktionsteam gestaltet wurde und zudem eine der weltweit erfolgreichsten Spielfilmreihen ist: James Bond. Die Vorlage zu dieser Spielfilmreihe lieferte Ian Flemming (1908-1964). Bereits die Romane waren Besteller. Um den ersten Spielfilm zu produzieren, gründeten der damals 46-jährige Harry Saltzman zusammen mit Albert R. Broccoli (52 Jahre) die Filmproduktion "Eon Production" und erwarben die alleinigen Filmrechte der Flemming Bücher5. (Vgl. Kocian 1998) Nach dem Debüt mit "James Bond 007 jagt Dr. No" (1963) wurde das Filmkonzept weiter verfeinert, blieb aber in der Grundtendenz in den folgenden 17 Produktionen erhalten. Hierfür sorgten nicht nur die Produzenten, sondern auch die in bestimmten Zeiträumen konstante Gruppe von Drehbuchautoren und Kameramännern. Bis zu "Licence to Kill" (1988/89) stehen somit über 26 Jahre James-Bond-Produktionen zur Verfügung, die mit einem relativ gleichbleibenden Produktionsteam Männer und Frauen in bestimmten Rollen vor der Kamera inszenieren. Ab "Goldeneye" (1995) zeigte sich ein Generationenwechsel im Produktionsteam und mit ihm eine noch deutlichere Veränderung der Geschlechterrollen.

Casting

Die Hauptfigur 007 wurde von 5 verschiedenen (dunkelhaarigen) Schauspielern dargestellt. Sean Connery war beim Kinostart von "James Bond 007 jagt Dr. No" 32 Jahre alt, bei "Diamantenfieber" 426. Roger Moore stieg mit 46 Jahren in seine erste 007-Rolle ein. Bei seinem letzten Film "Im Angesicht des Todes" war er bereits 58. Dalton und Brosnan begannen im Alter von 41 Jahren ihre James-Bond-Karriere. Auch in den Nebenrollen sind vor allem Männer ‘reiferen’ Alters vertreten. Nur wenige der Schauspieler sind unter 30 Jahren. Vom Äußeren wurde nach dem jeweiligen Männerideal der Zeit besetzt. Während dies in den ersten Jahren eine große Variationsbreite zuließ, zeigt sich in den 90ern eine leichte Verengung des Schönheitsideals und eine potentielle Typ-Ähnlichkeit im Casting der Männerfiguren. Während die Schauspieler der James-Bond-Figur durchweg einen gut trainierten oder zumindest nicht auffälligen Körper haben, tauchen verschiedene Männerfiguren mit einem übergewichtigen Körper oder abweichenden Körpermaßen auf.

Beispiele:
Zwerg Nick Nack aus "Der Mann mit dem goldenen Colt",
Sheriff Pepper u.a. aus "Leben und sterben lassen",
Beißer in "Der Spion der mich liebte" und "Moonraker".

Das Casting der Frauenfiguren rekrutierte vor allem Fotomodelle und Gewinnerinnen von Schönheitswettbewerben.

Beispiele aus "Liebesgrüße aus Moskau": Daniela Biachi (21 Jahre), Miss Universe 1960, spielt die russische Botschaftsangestellte Tatianna Romanova. Die Zigeunerinnen wurden mit Aliza Gur, Miss Israel 1961, und Martine Beswick, Miss Jamaika 1961, besetzt. (vgl. Rye 1995, 6ff.)

Erst in den späteren Filmen wurden auch professionelle Schauspielerinnen engagiert. Die meisten der Frauenfiguren lassen sich auf unter 30 Jahre schätzen. Sie entsprechen dem jeweiligen Schönheitsideal der Zeit und tragen vor allem in den ersten zwei Jahrzehnten meist lange, offene Haare.7 Die so genannten "Bond-Girls" gleichen sich auffallend und stimmen weitestgehend mit den vielen namenlosen Frauenfiguren überein, die die Schwimmbecken und Harems schmücken. Die erste Abweichung dieses sehr engen Schönheitsideals bietet die Figur May Day (Grace Jones 1985), die jedoch auch die einzige bleibt.

Fazit:
In der Besetzung der Figuren zeigt sich ein deutlicher geschlechterspezifischer Unterschied. Männer können deutlich älter sein und zumindest in komischen oder negativ besetzten Rollen ungewöhnliche Körpermaße aufweisen. Frauenfiguren sind deutlich jünger und an einer uniformen Schönheit nach den Kategorien von Schönheitswettbewerben und Modefotografie orientiert. Diese Tendenz bleibt über 36 Jahre erhalten.

Kleidung

In den Bond-Filmen tragen die meisten Männer hochgeschlossene Anzüge in gedämpften Farben. Ausnahme bilden Männer in der Rolle verdeckter Ermittler, die in der jeweils angebrachten Straßenkleidung erscheinen. Die Kleidung der Männer ist immer dem Anlass angemessen, maßgeschneidert, Körperformen jedoch höchstens andeutend. Ausnahme hierzu ist die Phase vor oder nach dem Geschlechtsakt, in dem der Oberkörper des jeweiligen James-Bond-Darstellers in Szene gesetzt wird.
Bei den Frauen zeigt nicht nur die bunte Abendkleidung viel Haut, ausgesprochen häufig sind sie auch in Bademoden zu sehen. Die Kleidung ist eng anliegend und betont die Körperformen, bzw. "umschmeichelt" sie.8

Fazit:
Bei Männern ist die Kleidung angemessen und unauffällig, vor allem aber nicht betont körperorientiert, im Gegensatz zu der Kleidung der Frauen, die viel Haut und Körperformen zeigen. Frauen werden erotisiert inszeniert, Männer nahezu körperlos. Erst in den letzten 2 James-Bond-Filmen ändert sich dies ansatzweise und 007 trägt in wenigen Momenten körperorientierte Kleidung.

Mimik

Auch der Gesichtsausdruck ist wie ein Zeichen lesbar und dient zur Inszenierung der Figuren. James Bond selber zeigt kleine, gezielt eingesetzte Formen der Mimik. Die Augenbrauen werden ein wenig hochgezogen, er zeigt ein geheimnisvolles Lächeln oder ein kurzes Öffnen des Mundes, wenn er quer durch das Zimmer an die Wand geschleudert wird oder einen heftigen Faustschlag einsteckt. Selbst wenn ein Schurke seine Bettgefährtin neben ihm ermordet, ist nur eine beherrschte Regung seines Gesichtes zu erkennen. Bond zeigt nur wenige und hierbei vor allem positive und überlegene Gesichtsausdrücke. Dies gilt auch für die "Killer", die im Auftrag der Bösen handeln. Lange Zeit zeigen sie gar keine Regung. Erst in Erwartung oder nach Beendigung ihres Auftrages zeigen sie eine deutliche Mimik (z.B. Beißer). Ausdrücke von Hilflosigkeit finden sich bei den Männerfiguren so gut wie nie.
Im Vergleich dazu wird den Frauen eine ausgesprochen reichhaltige Palette der Darstellung von Emotionen zugestanden. Mit allen Gesichtspartien werden Angst, Erregung, Freude oder Erschrecken etc. gezeigt. Die Gefühle der Frauenfiguren sind direkt auf ihrem Gesicht abzulesen.9

Fazit:
Während bei den Männern die Körpersprache männliche Stärke signifiziert, zeigt sie bei Frauen Schwäche, Hilflosigkeit und sexuelle Verfügbarkeit an. Dies bleibt über die 36 Jahre erhalten.

Gestik

Die Körperhaltung der Figuren bei James Bond ist geschlechterspezifisch ebenfalls deutlich unterschiedlich. Während die Männer stets fest "mit beiden Füßen auf dem Boden stehen", nehmen die Frauenfiguren oftmals eine in sich verdrehte Haltung an, bei der sie ihren unbedeckten Körper präsentieren. Bei fast allen Frauenfiguren gehören laszive Bewegungen zur Inszenierung der Figur. Erst in den letzten Filmen ändert sich dies und es kommen auch Frauenfiguren vor, deren Gestik Stärke symbolisiert.
Frauen lehnen sich an Männer an, niemals umgekehrt. In fast allen Fällen "himmeln" nur die Frauenfiguren die Männerfiguren an, während umgekehrt Männer Frauen abschätzig betrachten.

Fazit:
Männerfiguren zeigen expressive Gesten und Körperhaltungen, die ihre Standhaftigkeit und Dominanz demonstrieren. Frauenfiguren werden vor allem in verdrehten, hilflosen und lasziven Gesten gezeigt. Während bei den Männern die Körpersprache Stärke signifiziert, zeigt sie bei Frauen Schwäche, Hilflosigkeit und sexuelle Verfügbarkeit an.

Frauen- und Männerfiguren im Handlungskontext

In der Analyse der Handlungseinbindung zeigt sich stets wiederkehrende Handlungseinbindung von Männer- und Frauenfiguren. So bedrohen und retten Männer die Welt, wobei andere Männer ihnen helfen. Die vorkommenden Frauen sind durch ihre Beziehung zu Männern definiert und arbeiten weisungsgebunden. Meist sind sie vor allem Schmuck und Zeichen eines angenehmen Lebens, bevölkern die Swimmingpools und Harems der wohlhabenden Figuren und stehen selbstverständlich (sexuell) zu Diensten. Es gibt eine klare Einteilung in positiv und negativ besetzte Figuren, die von der jeweiligen Position zu 007 abhängig ist. Während Männer in ihren Handlungen eindeutig zur einen oder anderen Seite gehören, gilt für Frauen unabhängig von ihrer Seitenzugehörigkeit: Gute Frauen unterstützen ihn, böse Frauen verraten ihn.
In der Hälfte aller Filme überzeugt 007 die Geliebte des Bösewichts zum sexuellen Kontakt. Die Frauenfiguren wechseln daraufhin die Seite oder werden, wenn sie dies nicht tun, innerhalb der nächsten 20 Min. getötet. Auch andere Frauenfiguren sterben, wobei in den 16 ersten Filmen ein subtiles Muster eingehalten wurde: Übernimmt die Frauenfigur den "ersten Schritt" der intimen Begegnung oder wirft sich James Bond sogar an den Hals, so stirbt sie im Laufe des Filmes! Muss 007 die Frau jedoch mit brachialer Gewalt ("Goldfinger") oder geschickten Tricks ("Leben und sterben lassen") erobern, hat sie eine gute Chance, das Filmende lebend zu erreichen. Frauen sollten eben erotisch attraktiv sein, aber nicht zu selbstbestimmt oder gar sexuell aktiv begehrend handeln.
Die Frauenfiguren der James-Bond-Filme lassen sich leicht zum Verrat überzeugen und wechseln, je nachdem, wo sie sich mehr Profit versprechen, die Seiten. Dabei werden sie häufig mit Tieren verglichen oder wie Tiere inszeniert. Sie sind wild, aber für Männer nicht ernsthaft gefährlich. Sie sind vor allem (sexuell verfügbarer) Körper, was im Vorspannen besonders deutlich symbolisiert ist: Frauenkörper sind Luxusobjekte wie Schmuck und Perserkatzen; Körper ohne definiertes Gesicht.
Nach "Lizenz zum Töten" (1989) gab es eine Pause in dem bis dahin angestrebten zweijährigen Rhythmus. Streitigkeiten um die Rechte und rechtliche Verwicklungen der Produzenten waren hierfür verantwortlich. 1995 kommt "Goldeneye" in die Kinos. Nur noch der Name und die Standard-Figuren sind von Ian Flemming. M., die Leitungsposition des Secret Service, ist nun eine Frau, im Stereotyp der nicht erotisierten Mutterfigur. Moneypenny kann inzwischen mehr sagen als nur "Oh James", sie hat einen, wenn auch in der deutschen Synchronisation etwas platten Witz. In "Der Morgen stirbt nie" (1997) scheint vor allem mit der Figur der Wai Lin ein vollkommener Wandel eingetreten. Sie ist eine intelligente und kompetente asiatische Geheimagentin, die in einigen Momenten sogar James Bond überlegen ist. In Konsequenz ist sie es jedoch, die von den Überwachungskameras entdeckt wird. Als sie schließlich hilflos unter Wasser in den Ketten hängt, muss Bond sie retten.

Die Kameraperspektive

Die Kameraperspektive verfolgt nicht nur die Handlung von James Bond, sondern vor allem auch seinen Blick auf die Frauenfiguren. Laura Mulvey spricht vom dreifachen "männlichen Blick" (1975). Der Regisseur, der die Figuren inszeniert10, der Kameramann, der die Szene auf der Leinwand organisiert und der Protagonist, der die Frauenfiguren zum Objekt seiner Begierde macht. In den James-Bond-Filmen wird der Blick von einem Kameramann11 geführt, er folgt der Perspektive des Helden (James Bond), der von einem Mann erfunden (Ian Flemming + Drehbuchautor12) und vor allem für ein Männerpublikum in Szene gesetzt wird. Insofern kann bei dieser Filmreihe von einem mehrfachen Männerblick gesprochen werden. Diese Grundtendenz bleibt über die ganze Filmreihe erhalten, allerdings wird die sexistische Inszenierung von Frauenfiguren ab Mitte der 80er Jahre weniger plump, es bleiben aber Männerblicke auf Frauenkörper (Kaufmann 1996).

Die Entwicklung der Männer- und Frauenfiguren im Handlungskontext

Anfang der 60er kamen Frauen nur in Ausnahmefällen und als "Bond-Girl" vor. Ab Mitte der 60er bis weit in die 70er lässt sich eine steigende Tendenz der sexistischen Sprüche und der Inszenierung der Frau als Tier ausmachen. Sie ist sexuell verfügbar und erotische Attraktivität ist ihre einzige Waffe. In den 80ern sind die Witze nicht mehr so extrem abwertend und sexuell aggressiv. Bond schlägt inzwischen keine Frauen mehr und zunehmend gibt es auch selbstständig handelnde Frauenfiguren. Die grundlegende Handlungskonstellation ändert sich jedoch nicht.
In den 90ern wird das Spiel mit Geschlechterklischees zu einem der humoresken Momente im Film, wie früher die Witze von James Bond über die Frauen. Auch die Figurenkonstellation hat sich verändert. Zwar bleibt Bonds Gegenspieler ein Mann, der von mehreren Helfern unterstützt wird, doch gibt es eine "richtig" böse Frauenfigur, die nicht einmal durch den sexuellen Kontakt mit Bond überzeugt werden kann, die Seiten zu wechseln.
Über die 36 Jahre James-Bond-Filme lässt sich exemplarisch aufzeigen, was sich verändert hat und was nicht. Viele geschlechterspezifischen Tendenzen in Casting, Kleidung, Gestik und Mimik und nicht zuletzt der mehrfache Männerblick bleiben gleich.
Obwohl sich die Handlungseinbindung teilweise verändert hat, ist das Grundmuster in Konsequenz gleichgeblieben: Nach wie vor bedrohen und retten selbstverständlich Männer die Welt. In der Dramaturgie folgen wir Bond und erleben seine grundlegende Überlegenheit. Bond ist der Held. Frauen dienen zur Inszenierung des "anderen Geschlechtes".13 Durch die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten kommen in den 90ern jedoch Frauenfiguren hinzu, die neue Varianten zeigen. Diese starken und kampfbereiten Frauen sind handlungstragend, bleiben aber auf zwei Klischees beschränkt, denen der unerotisierten Mutter und der "begehrenswerten starken Frau". Die Veränderung der Frauenrolle ist dabei keine Auflösung der Geschlechterklischees, sondern eine Erweiterung zu dem nach wie vor dominierenden Stereotyp. Die Eindeutigkeit des mehrfachen Männerblicks ist weniger auffallend, zumal die inszenierenden Männer an einigen wenigen Stellen James Bond (Pierce Brosnan) selber als erotisches Objekt inszenieren.

Verschärfung des Mythos Schönheit

Ich möchte Ihren Blick aber noch auf einen besonderen Punkt lenken. Sehen Sie sich doch einmal die "guten Bond-Girls" der 60er und 70er Jahre an, sie haben nahezu normalgewichtige Körper.
Im heutigen Medienmarkt würden diese Frauen vermutlich nicht mehr im Bikini gezeigt. Nacktszenen im Spielfilm zeigen heute nur ausgesprochen schlanke Frauenkörper, meist werden diese mit sog. Bodydoubles gedreht, da selbst die Schauspielerinnen den Vorstellungen der Produzierenden nicht genügen (oder das Gefühl haben, diesen nicht zu genügen). Während die Männerfiguren mit einer Körperlichkeit inszeniert werden, die oftmals noch im normalen Alltag zu erreichen ist, werden Frauenfiguren immer dünner. Diese Körperlichkeit zu erreichen, bedeutet für die meisten Frauen eine sehr strenge Diät, die mit dem Alltag von Lohnerwerbsarbeit, Erziehungs- und Hausarbeit kaum zu vereinbaren ist. Für sie wächst das Schönheitsideal ins Unerreichbare. Hier einen direkten Zusammenhang zu den nach wie vor steigenden Zahlen von Magersuchterkrankungen bei adoleszenten Mädchen und Essstörungen bei Frauen zu sehen, ist sicherlich eine Vereinfachung. Dennoch ist die zeitliche Parallelität von verändertem Körperbild in den Medien und steigender Zahl von Magersucht-Fällen vermutlich nicht zufällig. In einen etwas größeren Zusammenhang stellt Naomi Wolf das Phänomen des unerreichbar gewordenen Schönheitsideals in ihrem Buch "Der Mythos Schönheit". In den westlichen Industriegesellschaften, in denen Frauen sich zunehmend als eigenständige und gleichberechtigte Persönlichkeiten beweisen, wird der ständige Verweis auf ein unerreichbares Schönheitsideal zum "Rückschlag":

"Der Schönheitsmythos bekämpft die neue Freiheit der Frauen, indem er die ihr Leben einengenden sozialen Beschränkungen unmittelbar auf ihr Gesicht und ihren Körper verlagert." (Wolf 1991, 384)


Ein kurzer Blick ins Fernsehen

Die Figur der asiatischen Agentin in "Der Morgen stirbt nie" entspricht schon sehr viel eher unserer Wahrnehmung von den modernen Frauenfiguren, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen. Insofern scheint James Bond ein sehr extremes Beispiel, und der Hinweis, dass bei 007 auf eine Frauenfigur sieben Männerfiguren kommen, spezifisch für diese Filmreihe. Von daher ein Blick ins aktuelle Fernsehprogramm mit der Frage, wie denn dort das quantitative Verhältnis der Hauptfiguren unter geschlechterspezifischer Perspektive aussieht. In einer jährlichen Stichprobe werden seit 1997 jeweils rund 430 Programmstunden an 3 Tagen (Sa., So., Di.) in der Zeit von 6.00 Uhr bis abends 23.00 Uhr aufgezeichnet und quantitativ sowie qualitativ analysiert.
Nur mal eine Vermutung: Wie sieht denn so das Verhältnis im Bereich Fiktion im Fernsehen aus? Wie viele Helden, wie viele Heldinnen haben wir so?

Bestandsaufnahme 1998:
Protagonisten im Gesamtprogramm und im Kinderprogramm
Geschlecht Anzahl [in %] Geschlecht Anzahl [in %]
weiblich 36 12,0% weiblich 18 10,0%
gemischt 111 36,9% gemischt 53 29,4%
männlich 154 51,2% männlich 109 60,6%
Gesamt 301 100,0% Gesamt 180 100,0%

Bestandsaufnahme 1999:
Protagonisten im Gesamtprogramm und im Kinderprogramm
Geschlecht Anzahl [in %] Geschlecht Anzahl [in %]
weiblich 30 10,2% weiblich 22 12,0%
gemischt 96 32,7 gemischt 43 23,4%
männlich 168 57,1% männlich 119 64,7%
Gesamt 294 100,0% Gesamt 184 100,0%

Im deutschen Fernsehen spielen Männer die Hauptrollen. In über der Hälfte aller Fiction-Programme sind sie die Helden, während Frauen höchstens Nebenrollen spielen. In rund einem Drittel der Angebote teilen sich Männerfiguren die Hauptrolle mit Frauen. Nur in etwas mehr als einem Zehntel der Sendungen stehen Frauenfiguren im Mittelpunkt. Im Vergleich 1998 zu 1999 hat sich die Dominanz der Männerfiguren sogar noch leicht erhöht. Im Kinderprogramm, in dem eigentlich anzunehmen ist, dass die Geschlechterverteilung etwas näher an der Realität sei, verschärft sich das Verhältnis sogar noch.
Männer sind die Helden des Kinderprogramms! Die handlungstragenden Figuren sind zunächst selbstverständlich Männerfiguren. Es sei denn, es braucht Frauenfiguren, um die ‘nicht-männlichen’ Eigenschaften darzustellen oder einen Grund für die emotionale Zerrissenheit der Männerfigur. Ähnlich wie bei James Bond sind die Extreme in den letzten Jahren abgeschwächt und einige wenige neue Figuren hinzugekommen. Dennoch sind wir von einer Gleichstellung noch weit entfernt.

Die neuen Mädchen- und Frauenfiguren: Besonders stark und besonders schön

Doch es gibt auch die starken Frauenfiguren, die selbstständig und kompetent handeln. Im Kinderprogramm sind dies nicht nur die Mädchenfiguren, die in Gruppen agieren, sondern sie kommen auch als namengebende Figuren wie "Sailor Moon" oder "Ocean Girl" vor. Diese Serien sind Beispiele für Mädchenfiguren in positiv inszenierten Rollen, die auch durchaus ehemalige Bastionen männlicher Protagonisten wie Zorro oder Sherlock Holmes besetzen. Auch wenn zahlenmäßig weit unterlegen, sind sie aus dem Programm nicht mehr wegzudenken und können oftmals einen enormen Erfolg in Sehbeteiligung und Marktanteil aufweisen. Selbst wenn die Rollen bei weitem noch nicht die Varriationsbreite abdecken, die sich bei männlichen Protagonisten findet, zeigen sich hier Richtungen, in denen sich erfolgreiches Kinderprogramm entwickelt, in denen Mädchenfiguren auch leistungsorientierte, fürsorgliche und kämpferische Facetten präsentieren und sich in einer Welt durchsetzen, in der auch Frauen selbstverständlich tragende Rollen spielen. Einige Beispiele:

In der Krimiserie "Shirley Holmes" (Kinderkanal) löst ein Mädchen mit außergewöhnlichem wissenschaftlichen Geschick und kriminalistischem Können komplizierte Fälle. Ein Freund steht ihr zur Seite, erfüllt aber eher reproduktive Aufgaben.

In der Serie "Sailor Moon" (RTL 2) gehört die 14jährige Bunny Sukino zu den auserwählten Kriegerinnen des Mondsteins. Gemeinsam mit ihren Freundinnen können sie sich von den braven Schülerinnen zu Kriegerinnen für 'Liebe und Gerechtigkeit' verwandeln.

"Lady Oscar" (RTL 2) ist eine Heldin, die im historischen Frankreich des 19 Jh. für Freiheit und Gerechtigkeit kämpft. Sie greift in das politische Geschehen ein und verkleidet sich für ihre Aktionen mit einem schwarzen Mantel, Maske und Säbel.

Das "Ocean Girl" (ZDF/Kinderkanal) Neary kommt aus einer anderen Welt. Sie kann unter Wasser atmen und sich mit den Walen unterhalten. Gemeinsam mit ihren Freunden erlebt sie Abenteuer und beschützt die Erde.

So erfreulich und neu die Mädchenfiguren auf den ersten Blick scheinen, so altbekannt bleiben bestimmte Momente. Denn ob es Sailor Moon, Ocean Girl oder Marie ist, alle positiv besetzten Mädchenfiguren im Fernsehen sind makellos schön, ausgesprochen schlank und tragen meist lange blonde Haare. Körperproportionen, die nicht dem Idealgewicht (bzw. einem Wert darunter) entsprechen, oder Gesichtsmerkmale, die von dem uniformen Schönheitsideal abweichen, sind nicht zu sehen - es sei denn als Problem oder Thema der Handlung. Die meisten weiblichen Figuren im Zeichentrick folgen zudem dem "Kindchenschema" und der abgerundete Kopf wird durch ein kleines Näschen und große, weit auseinanderstehende Kulleraugen gekennzeichnet. (vgl. auch Mühlen-Achs 1995, 31) Die sexualisierte Körperdarstellung mit der Betonung langer schlanker Beine und übertrieben schmaler Taille sind weitere Kennzeichen vieler weiblicher Figuren im Kinderprogramm. In der sehr erfolgreichen Serie "Sailor Moon" (RTL 2) wird dies bis ins Extrem getrieben. Sailor Moons blonde Pferdeschwänze reichen bis in die Kniekehlen der schlanken Beine, die gut zwei Drittel des Körpers ausmachen. Ihr Gesicht mit der kaum sichtbaren Nase besteht zu einem Viertel aus blauen Kulleraugen, was angesichts des Produktionslandes Japan nochmals besondere Verschärfung bedeutet. Wie im Stil der Mangas üblich, ist Sailor Moon extrem sexualisiert und übertrumpft "Barbie" an unerreichbaren Körperproportionen bei weitem. (siehe Götz 1999)
Eine Tendenz der Frauenfiguren ist es, dass derzeit positiv besetzte, kämpferische Mädchen nur in einer Verbindung der Extreme denkbar sind. Sie haben besondere Fähigkeiten und sind besonders schön. Die erotisierte Körperlichkeit bekommt unerreichbare Dimensionen.

Die starken ‘anderen’ Frauenfiguren

In den 90ern setzten sich aber auch Filme mit Erfolg durch, die eine harte kämpferische Frauenfigur in zentralen Rollen einsetzen. (vgl. Hollstein 1997) Ein Beispiel hierfür ist "Terminator II" mit der Figur der Sarah O’Connor, die als "andere Frauenfigur" gefeiert wurde. Sie hat eine expressive Körpersprache, eine energische Mimik und innerhalb der Handlung nimmt sie eine zentrale Position ein.

Die Maschinen (Skynet) haben die Herrschaft über die Welt übernommen und die Menschen weitestgehend vernichtet. Eine letzte Widerstandszelle kämpft hartnäckig. Im ersten Teil schicken die Maschinen eine Killer-Maschine, den Terminator (Arnold Schwarzenegger) auf die Erde, um die Kellnerin Sarah O’Conner (Linda Hamilton), die in der Zukunft den Anführer des Widerstandes John O’Connor gebären wird, zu töten. Dies gelingt ihnen nicht. Im zweiten Teil schicken sie abermals einen Terminator in die Vergangenheit, um den Widerstandskämpfer im Jungenalter zu eliminieren. Diesmal ist der Terminator jedoch eine verbesserte Variante, der T-1000 (Robert Patrick). John O’Connor schickt einen Terminator der alten Klasse (Arnold Schwarzenegger) hinterher, um sich selber und seine Mutter zu beschützen.

Die Figur der Sarah O’Connor weicht vom Stereotyp des Weibchens ab. Sie ist schlank, signifiziert aber gerade in Terminator II Stärke durch ihre austrainierte Körperlichkeit, Körpersprache und ihre Handlungseinbindung. Sie handelt zielbewusst und kämpferisch, wird aber auch durch die Beleuchtung durchaus mit Gesichtsfalten inszeniert, etwas, was bei den Bond-Girls oder Sailor Moon undenkbar wäre. Zum einen weicht die Figur vom Ideal der Schönheitswettbewerbe ab. Gleichzeitig begegnen uns gerade in der Werbefotografie in den 90ern mehrfach Frauen, die mit Attributen wie "stark" und "herb" beschrieben werden können. Insofern handelt es sich bei der Figur der Sarah O’Connor nicht um eine Aufweichung des Schönheitsideals, sondern es kommt ein weiterer Typus hinzu: Die herbe, starke Frau.
In der Handlungseinbindung ist die Sarah O’Connor gerade im zweiten Film sicherlich eine sehr interessante Figur. Eine Schlüsselszene ist der Traum in der Wüste und die darauffolgenden Handlungen:

Der gute Terminator hilft Sarah und ihrem Sohn bei der Flucht vor dem T-1000. Sie ziehen sich in die Wüste zurück. Dort hat Sarah einen (Alb-)Traum:
Im Traum sieht sie sich, wie sie auf dem Spielplatz mit ihrem Sohn spielt. Sarah war im ersten Teil in einer für eine Frauenfigur typischen Handlungseinbindung. Sie ist als Kellnerin tätig und auf die Hilfe von Männern angewiesen.
Jetzt, im zweiten Film, steht sie in der durch jahrelanges Training veränderten Körperlichkeit mit ärmellosem Shirt, Militärhose und -stiefel, am Zaun und sieht sich, wie sie früher war. Mittlerweile ist sie nicht mehr naiv, sondern weiß, was passieren wird. Eine Atombombe wird gleich die Idylle von Müttern und Kindern zerreissen. Sie versucht die anderen zu warnen und schreit tonlos "wake up", doch niemand hört sie. Die Bombe vernichtet das Leben.
Sarah sieht in ihrem Traum, wie sie früher war und nicht wusste, wie sie jetzt ist, zwar um die Zukunft weiß, aber hilflos zuschauen muss. Sie erwacht aus dem Albtraum und sieht den Schriftzug, den sie in den Tisch eingeritzt hat: "NO FATE" (Kein Schicksal). Sarah beschließt zu handeln. Ihre Körpersprache wird extrem zielbewusst. Sie holt sich Waffen aus dem Schuppen und steigt in ihr Auto. John und der gute Terminator folgen ihr.
Ihr Plan ist es, den Erfinder von Skynet zu töten, bevor er seine schrecklichen Computer baut. Am Haus angekommen, verfehlt sie ihn jedoch. Bewaffnet mit einer Handfeuerwaffe, dringt sie in das Haus ein und bedroht den Erfinder. Doch sie bringt es nicht fertig, ihn zu töten, bricht zusammen und muss von ihrem Sohn getröstet werden: "Alles wird gut werden. Alles wird wieder gut. Wir werden eine Lösung finden. Versprochen!"
Der Terminator erklärt die Situation und der Erfinder ist ob seiner zukünftigen Bedeutung geschockt. Verzweifelt fragt er: "Aber wie hätten wir das wissen sollen?" Sarah antwortet in einem dramatischen Monolog: "Ja, richtig, woher hättest du das wissen sollen. Es waren Männer wie du, die die Wasserstoffbombe gebaut haben. Männer wie du haben sie erfunden. Ihr haltet euch für so kreativ. Ihr wisst ja nicht wie es ist, wirklich etwas zu erschaffen. Ein Leben zu erschaffen. Zu spüren, wie es in einem wächst. Alles, wovon ihr etwas versteht, ist Tod und Zerstörung zu verbreiten." Ihr Sohn unterbricht sie: "Mum (lauter) Mum. Wir müssen hier ein bisschen konstruktiver sein. O.k.? Wir sollten immer noch dafür sorgen, dass es nicht passiert, stimmt’s?"

In diesem Teil des Filmes treibt Sarah die Handlung voran. Sie träumt, erkennt und verändert mit ihrem Handeln die Situation. James Cameron inszeniert hier eine Frauenfigur, die sich verändert. Mit der Änderung von Kleidung, Gestik und Mimik geht sie jeweils in ein anderes Persönlichkeitsstadium über, in dem sie stückweise mehr versteht. Die Figur Sarah spielt eine ganze Reihe von Facetten durch, von traditioneller Frauenrolle zur kämpferischen Mutter, die für den Retter der Zukunft sorgt, schließlich selber die Initiative ergreift, sogar zum Terminator wird, bis sie erkennt, dass sie kein Leben zerstören kann. Sie ist die initiierende und aktiv handelnde Figur, die erkennt und weiß, was zu tun ist. In Konsequenz gelingt es ihr jedoch nicht. In dem Monolog klagt sie nicht nur die weltzerstörenden Männer an, sie erklärt auch, warum sie nicht töten kann: Sie weiß, wie es ist, Leben zu erschaffen. Diese Szene stellt Sarah als etwas Besonderes dar; anders als ihr Sohn oder der gute bzw. böse Terminator hat sie die "Macht der Gebärfähigkeit". Dies erhöht sie zum einen über die Männer, grenzt sie aber gleichzeitig aus. Sie als Frau kann in einem Akt sich verändern und durch ihre intuitiven und emotionalen Taten Fakten schaffen. Zum konstruktiven, problemlösenden Umgang mit der Situation braucht es jedoch die weniger emotionalen Männer.
Auf eine ganz subtile Art werden Frauen hier also wieder von Männern inszeniert, wobei ihre Körperlichkeit zum zentralen Punkt wird. In der feministischen Diskussion wird dies als "Körperpolitik" bezeichnet (vgl. Bohnacker u.a. 1998). Wo den machthabenden Männern die Argumente fehlen, Mitglieder einer untergeordneten Gruppe teilhaben zu lassen, da wird der Körper zum zentralen Argument gegen eine Gleichstellung. "No Fate" gilt für Sarah selber nicht, denn ihre Körperlichkeit ist gewissermaßen ihr Schicksal, an dem sie scheitert.
Es kann nicht darum gehen, die Figur Sarah O’Connor zu diskreditieren. Sie ist eine positiv besetzte Figur und auf jeden Fall eine Erweiterung. Sie führt uns Veränderung vor. Während die Männerfiguren relativ gleich bleiben, versucht sie sich und die Situation zu ändern.14

Konsequenz: Der Spielfilm braucht "andere" Figuren

Es geht ebenfalls nicht darum, Naoko Takeuchi (die Autorin von "Sailor Moon") oder James Cameron (Regisseur von "Terminator II") zu entblößen, sie hätten doch wieder nur die alten Stereotypen manifestiert. Darum ging es ihnen vermutlich auch gar nicht, sie wollten ihre Phantasie, ihre Idee und ihre Geschichte inszenieren. Dafür setzen sie gezielt Männer- und Frauenfiguren in Szene. Und nur so gelingt im Spielfilmbereich auch eine gute Geschichte, in der ein Mensch etwas erzählen will. In Film und Fernsehen sind es derzeit vor allem Männer, die in den entscheidungstragenden Positionen erzählen und inszenieren. Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist wichtig, dass (auch) Männer ihre Themen umsetzen - aber eben nicht nur. Insofern lassen sich Konsequenzen nicht unabhängig von der Forderung auf Gleichstellung sehen. (vgl. auch Fröhlich & Holtz-Bacha 1995, Huhnke 1996, Klaus 1998) Neben dieser politisch notwendigen Veränderung ist es aber auch ökonomisch sinnvoll und notwendig, auf ‘andere’ Figuren von ‘anderen’ Produzierenden zu setzen.
Der Fiction-Bereich ist mittlerweile ein ausdifferenzierter Markt, in dem Spielfilme nur noch eine Nische bilden, wenn auch eine große. Er ist nach wie vor in eine Rezeptionssituation eingebunden, bei der die Zuschauenden ins Kino gehen oder den Fernseher einschalten, um einer Geschichte zu folgen. Zumindest einige Figuren müssen eigenartig und faszinierend sein. Wo die Charaktere beispielsweise der Soap Opera nur schöne Oberflächlichkeit präsentieren dürfen, muss der Spielfilm mehrdimensional sein.15 Je enger der Markt, desto mehr geht es auch um die Profilgewinnung, die nicht mit zu hoher Konsumorientierung und Beliebigkeit erreicht werden kann. Der Spielfilm braucht pfiffige Ideen, neue komplexe Figuren und mehrschichtige Inszenierungen.
Insofern bedarf es engagierter Drehbuchschreibender und Regieführender, die "ihre" Geschichte erzählen können. Das größte ungenutzte Potenzial der Figuren liegt derzeit bei den Frauenfiguren. Jahrzehnte tauchten sie so gut wie nicht auf oder nur in sehr eingegrenzten Stereotypen. Dass es sich kommerziell durchaus lohnt, facettenreichere Frauenfiguren, anstatt immer wieder die gleichen Männer in immer wieder den gleichen Geschichten zu inszenieren, zeigen nicht zuletzt auch die Produkte von Naoko Takeuchi und James Cameron.
Das größte ungenutzte kreative Potenzial liegt derzeit bei den Frauen. Nicht, weil sie aufgrund ihrer Körperlichkeit oder etwa der "Macht der Gebärfähigkeit" von Natur aus prädestiniert sind, Geschichten zu schreiben und zu inszenieren, sondern weil sie in einer Gesellschaft als Frauen aufwachsen und Erfahrungen machen, die bisher so gut wie nicht symbolisiert und umgesetzt wurden.



Anhang

Aufstellung der James Bond 007 Filme 1962 bis 1999:

1962 James Bond 007 jagt Dr. No Sean Connery
1963 Liebesgrüße aus Moskau Sean Connery
1964 Goldfinger Sean Connery
1965 Feuerball Sean Connery
1967 Man lebt nur zweimal Sean Connery
1969 Im Geheimdienst Ihrer Majestät George Lazenby
1971 Diamantenfieber Sean Connery
1973 Leben und sterben lassen Roger Moore
1974 Der Mann mit dem goldenen Colt Roger Moore
1977 Der Spion, der mich liebte Roger Moore
1979 Moonraker - Streng geheim Roger Moore
1981 In tödlicher Mission Roger Moore
1983 Octopussy Roger Moore
1985 Im Angesichts des Todes Roger Moore
1987 Der Hauch des Todes Timothy Dalton
1989 Lizenz zum Töten Timothy Dalton
1995 Goldeneye Pierce Brosnan
1997 Der Morgen stirbt nie Pierce Brosnan
1999 Die Welt ist nicht genug Pierce Brosnan

 

Anmerkungen 1 Alice Schwarzer über Kommissar Schimanski nach Ganz-Blättler 1996, 153
2 "Darstellung der Frau und die Behandlung der Frauenfrage im Fernsehen", sechs Wochen Programm von ARD und ZDF wurden quantitativ ausgewertet.
3 Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen - Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTLplus. 320 Programmstunden einer fiktiven Programmwoche wurden quantitativ ausgewertet.
4 YLE (Finnland), ZDF (Germany), SVT (Schweden), NOS (Niederlande), DR (Dänemark) und NRK (Norwegen). Nähere Informationen unter http://www.yle.fi/gender/dijck.html
5Ausnahme hierzu bilden die Rechte für "Casino Royal" und "Feuerball", der im Remake unter dem Titel: "Sag niemals nie" (1982/83), mit Sean Connery und Kim Basinger von der Thalia Filmproduction umgesetzt wurde.
6 Im Feuerball Remake "Sag niemals nie" 52 Jahre.
7Ausnahme hierbei sind Moneypenny sowie andere Sekretärinnen und Telefonistinnen sowie die Figuren der Rosa Klebb (1963) und der Irma Bund (1969), beides im Typ nicht erotisierte rothaarige militärische Gouvernanten über 40 Jahre. Sie sind die einzigen nicht sexualisierten Frauenfiguren.
8 Verstehen Sie mich nicht falsch, das ist keine Kampagne gegen lustvolles Fernsehen. Das Entscheidende ist, dass hier ein geschlechterspezifischer Unterschied besteht. Wir haben sehr genaue Vorstellungen von der Körperlichkeit der Frauen, denn sie wird durch die Kleidung erotisch inszeniert. Von James Bond sehen wir nicht mal die Wade oder den Oberschenkel, denn sie bleiben stets verhüllt. Das Einzige, was wir von seinem 007 Körper wissen, ist, dass Sean Connery eine behaarte Brust hat.
9 vgl. hierzu auch Mühlen Achs 1998, 81
10 Regisseur in Bond-Film 1,2 und 4 war Terence Young; in Bond-Film 3 und 7 bis 9 Guy Hamilton oder auch Nummer 12 bis 15 John Glen. (vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
11 Beispielsweise Ted Moore, der Kameramann bei Bond-Film 1 bis 4 sowie 7 und 8. (vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
12 Drehbuchautor für die Filme 1 bis 7 sowie 9 bis 16 war Richard Maibaum. (vgl. Kocian 1998, 393 ff.)
13 Ein Grundprinzip, auf den bereits Simone de Beauvoir in ihrem vielgelesenen Buch "Das andere Geschlecht" aufmerksam machte: "Die Menschheit ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht als solche, sondern im Vergleich zu sich selbst, sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen." (1949 /1996, 12)
14 Dies ist ein Grundmotiv vieler Filme. Frauenfiguren - und hier spannt sich der große Bogen zu den Bond-Filmen - verändern sich, wechseln die Seiten und gehen die Wege, von denen sie sich am meisten versprechen. Mittlerweile sind ihre Motive hierbei durchaus "ehrenwert", das Grundmotiv bleibt jedoch: Frauen versuchen sich zu verändern, die Konsequenzen durchschauen sie jedoch nicht.
15 Die Soap Opera funktioniert, gerade weil ihre Schauspielenden "flach" spielen und die Dramaturgie Offenstellen lässt. Soap-Figuren sind quasi Spiegelflächen, in denen die Zuschauenden sich sehen. Alle individuellen Ecken und Kanten würden der Aneignung schaden. So müssen die Figuren der Soap Opera extrem konsumorientiert sein, d.h. für möglichst viele auf möglichst unterschiedliche Weise nutzbar. Es entstehen zwangsläufig "frisierte Pudel". Auf die Oberfläche von schönen und leicht verdaulichen Figuren werden hier Accessoires von Berufstätigkeit, Selbstständigkeit und Beziehungsproblemen geklebt. Das braucht die Soap, zu viel Tiefgang ist in dem Genre nicht angelegt, Plätschern statt Rauschen gefragt. In der Aneignung ist die Soap Opera Zeitvertreib und dient vor allem zur Entspannung oder als Gesprächsthema. (vgl. Mikos 1994)


Literatur:
  • Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht - Sitte und Sexus der Frau, Reinbek: Rohwohlt, 1949/1996.
  • Bohnacker, Anke; Eckart, Christel; Jansen, Mechthild; Köhler-Enders, Christiane (Hg.): Körperpolitik mit dem Frauenleib. Espenau: Verlag Jenior & Pressler, 1998, 244 Seiten
  • Fröhlich, Romy; Holtz-Bacha, Christina (Hg.): Frauen und Medien: Eine Synopse der deutschen Forschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995, 319 Seiten
  • Ganz-Blättler, Ursula: Serienhelden auf der Suche nach sich selbst: Ein paar Überlegungen zu deutschen Detektivserien. In: Christiane Hackl; Elizabeth Prommer; Brigitte Scherer (Hg.): Models und Machos? Frauen- und Männerbilder in den Medien. Konstanz: UVK Medien, S. 151-182
  • Götz, Maya: Männer sind die Helden: Geschlchterverhältnisse im Kinderfernsehen. In: TelevIZIon 12/1999/1, Seite 33-35
  • Henschel, Angelika: Jungfrau, Nymphe, Femme fatale. Zum Wandel des Frauenbildes in Männerfilmen. In: Schaulust. Frauen betrachten Frauenbilder im Film. Segeberg: Wäser Verlag, 1989
  • Hollstein, Miriam: Emanzipation in Cinemascope: Starke Frauen im Kino. In: Medien Praktisch, 21/1997/3, S.45-48
  • Hunke, Brigitte: Macht, Medien und Geschlecht: Eine Fallstudie zur Berichterstattungspraxis der DPA, der TAZ sowie der Wochenzeitung die Zeit und der Spiegel von 1980-1999. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1996, 292 S.
  • Kaufmann, Jean-Claude: Frauenkörper Männerblicke. Konstanz: UVK, 1996. 333 S.
  • Klaus, Elisabeth: Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frau in den Massenmedien und im Journalismus. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, 469 S.
  • Kocian, Erich: Die James Bond Filme. München: Wilhelm Heyne Verlag, 1998, 428 Seiten.
  • Küchenhoff, Erich: Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen. Schriften des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit Bd. 34, Stuttgart, 1975
  • Mikos, Lothar: Es wird dein Leben! Familienserien im Fernsehen und im Alltag der Zuschauer. Münster: MAkS Publikationen 1994
  • Mühlen-Achs, Gitta: Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts. In: Gitta Mühlen Achs; Bernd Schorb (Hg.): Geschlecht und Medien, München: KoPäd 1995, S. 13-38
  • Mühlen-Achs, Gitta: Geschlecht bewußt gemacht: Körpersprachliche Inszenierungen. München: Frauenoffensive 1998
  • Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Screen 16/1975/3, S. 6-18
  • Rye, Graham: Die James Bond Girls: Von Dr. No bis Goldeneye. Königswinter: Heel Verlag 1995, 70 Seiten
  • van Dijck, Bernadette: Successful International Co-operation in the Promoting Good Practice in Gender Portrayal Project. http://www.yle.fi/gender/dijck.html; (Auch als Broschüre: Project: Promoting Good Practice in Gender Portrayal in Television. Who speaks in television - An international comparative study on female participation in television programmes. NRK Research Department (Hg.). Oslo: NRK 1999
  • Weiderer, Monika: Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen - Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTLplus. Regensburg: S. Roeder Verlag1993.
  • Wolf, Naomi: Der Mythos Schönheit. Reinbek: Rohwohlt1991.