IZI-Forschung
 
Forschungsschwerpunkt Berichterstattung für Kinder

>> Übersicht Forschungsschwerpunkt Berichterstattung für Kinder

 

Wie Kinder die Natur- und Technikkatastrophen in Fukushima wahrnahmen (2011)

Im März 2011 beherrschten die Katastrophen in Japan – ein Erdbeben, ein Tsunami und ein schwerer Unfall in einem Atomkraftwerk – die Nachrichten weltweit. Das IZI untersuchte, wie Kinder (fünf bis 13 Jahre) die Katastrophen wahrnahmen, wie das Kinderfernsehen weltweit mit dem Thema umging und wie sich Kinder eine Kindersendung zu dieser Thematik wünschen würden.

Dazu wurden in den ersten zehn Tagen nach dem Erdbeben bundesweit 313 Kinder zwischen fünf und 13 Jahren in Einzelinterviews befragt. Die Kinder erzählten von ihrem Wissen, von ihren Emotionen und ihrer Wahrnehmung der Berichterstattung. Neben offenen Fragen enthielt der Fragebogen geschlossene standardisierte Fragen und zwei Kreativteile, bei denen die Kinder Bilder malen konnten zu ihrer Vorstellung der Geschehnisse in Japan und dazu, wie sie sich eine Kindersendung zum Thema wünschen würden. Mit denselben Leitfragen und Kreativaufgaben wurden 183 Kinder in den USA und 166 Kinder in Brasilien befragt.

Hinzu kamen kleinere internationale Vergleichsgruppen aus Ecuador, Kuba und Kanada. Zudem verfassten 222 Kinder aus acht Ländern Bildbriefe an Fernsehverantwortliche, in denen sie malten, wie sie sich die Ereignisse in Japan vorstellen und was sie darüber gerne im Fernsehen gesehen hätten. Zusätzlich erzählten 98 Kinder aus zehn Ländern in Kamerainterviews, wie sie die Fernsehnachrichten für Erwachsene empfanden und welche Art von Kinderberichterstattung sie sich wünschen würden bzw. welche Bilder sie nicht sehen möchten. Ergänzt wurden die Studie durch diverse Medienanalysen der Berichterstattung in Print- und TV-Medien für Kinder und Erwachsene.


Zusammenfassung ausgewählter Ergebnisse
Das Wissen um die Ereignisse im internationalen Vergleich: Auf die Frage, „In Japan ist etwas passiert. Hast du davon schon gehört?“, antworteten in allen Ländern über 90 % der Kinder mit „Ja“. Die Kinder in Deutschland lagen mit 98 % an der Spitze. Die Hauptinformationsquelle war dabei mit großem Abstand das Fernsehen.
Auf die Frage, „Was ist passiert?“, wird in allen drei Ländern der Tsunami am häufigsten genannt, knapp gefolgt vom Erdbeben. Ein deutlicher Unterschied findet sich bei der Nennung des AKW-Unfalls: Dieser ist bei den deutschen Kindern genauso präsent wie das Erdbeben und der Tsunami und wird doppelt so häufig genannt wie von US-Kindern. Die brasilianischen Kinder nahmen ihn eher nur in Ausnahmefällen wahr. Bei der Nachfrage, was ein Erdbeben, Tsunami und ein Atomkraftwerk seien, waren die Kinder in Deutschland deutlich besser informiert. Beispielsweise zeigte nur ein knappes Drittel der Befragten in den USA detailliertes Wissen über ein Erdbeben, in Brasilien sogar nur ein Fünftel, in Deutschland hingegen gut die Hälfte. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich bei der Frage, „Weißt du was ein Atomkraftwerk ist?“ Während sich bei dieser Frage in den USA und Brasilien nur ein gutes Drittel kompetent fühlt, sind es in Deutschland mehr als doppelt so viele Kinder. Deutsche Kinder besitzen in den ersten zehn bzw. 14 Tagen nach den Ereignissen im Vergleich zu den Kindern in den USA und Brasilien in allen drei Bereichen mehr und detaillierteres Wissen und können die Gefahren, die z. B. von einem AKW ausgehen, realistischer einschätzen. Dies könnte daran liegen, dass deutschen Kindern die Kindernachrichtensendung „logo!“ zur Verfügung stand, die sie zur Information genutzt haben. Hierfür sprechen auch die z. T. deutlichen Medienspuren von „logo!“ in den Zeichnungen der Kinder, die sich so in keinem der anderen Länder (auch nicht in den weiteren 16 Ländern der Gesamtstudie) fanden. In Brasilien und den USA gibt es keine Kindernachrichten.


Was wünschen sich Kinder von der Berichterstattung?
Werden die Kinder gefragt, was sie sich von Kindermedien erhoffen, sind es vor allem drei Dinge: erstens Fakten, zweitens Hintergrundinformationen und drittens Bewältigungsgeschichten – und diese in einer klaren Trennung voneinander. Sie wollen Fakten, die nicht durch emotionalisierte Bilder oder Worte überdramatisiert werden. Sie wollen Hintergrundinformationen, die sie verstehen und die ihre vielen Fragen zu den Zusammenhängen beantworten. Und sie wollen Erfahrungsberichte und persönliche Geschichten, in denen Betroffene erzählen, wie es ihnen ergangen ist, vor allem aber auch, wie sie die Schwierigkeiten überwinden. Denn die Ergebnisse zeigen: Kinder wollen Informationen, aber sie wollen auch Hoffnung und Perspektiven – und keine krisenbetonte Berichterstattung.


Kinder wollen Kindernachrichten
Vier bis acht Wochen nach den Ereignissen wurden 735 repräsentativ ausgewählte deutsche Kinder (sechs bis zwölf Jahre) zu ihrer Wahrnehmung der Ereignisse und ihrer Einschätzung der „logo!“- Berichterstattung befragt. Die Ergebnisse: Kinder wissen über die Ereignisse Bescheid, machen sich Gedanken und haben Fragen zur aktuellen Entwicklung. Als Informationsquelle wurde dabei gezielt die Kindernachrichtensendung „logo!“ gewählt. Einstimmig wird die Japan-Berichterstattung von „logo!“ als gelungen beurteilt. Insofern überrascht das Ergebnis der Repräsentativbefragung nicht: Kinder wollen Kindernachrichten! Nur 10 % der Sechs- bis Zwölfjährigen wollen keine Nachrichtenberichterstattung gezielt für Kinder.
Die Ergebnisse wurden auf der Blitz-KinderMedienKonferenz am 19. Juli 2011 in München und auf der IZI-Jahrestagung am 6. Dezember 2011 in München vorgestellt.

Literatur:
TelevIZIon 24/2011/2 „Kinder und Katastrophenberichterstattung“