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Ben Bachmair
Noch immer ist Fernsehen das Leitmedium der Kinder, das seine Sozialisationsfunktion in der Spannung vielfältiger redaktioneller Programmabsichten und der Fülle von Programmangeboten einerseits und unterschiedlicher sowie sich ändernder Nutzungsvorlieben der Kinder andererseits entfaltet. Das Forschungsprojekt (1996-2003) untersuchte die Schnitt- bzw. Verbindungslinie der Massenkommunikation zwischen den Angeboten der Sender und der Nutzung der Rezipienten am Beispiel des Fernsehens. Dazu wurde jährlich eine Stichprobe im Umfang von je drei Tagen Programm einer Kalenderwoche der für Kinder relevanten, in Deutschland lizenzierten Fernsehsender erhoben und mit den standardisierten Fernsehnutzungsdaten in einer Datenbank verbunden. Die quantitative und qualitative Analyse von Programmangebot und kindlicher Fernsehnutzung hat die Aufgabe, die mögliche Verbindung von Fernsehangebot und Lebenswelt der Kinder aufzudecken, um die Sozialisationsfunktion des Fernsehangebots zu erörtern. Diese Sozialisation ist in die Dynamik der Aneignungsprozesse des Alltagslebens der Rezipienten und den dafür typischen Formen der Medienkommunikation und Bedeutungskonstitution eingebettet. Davon lässt sich mithilfe der standardisierten Fernsehnutzungsdaten und der Variablen Alter und Geschlecht nur eine Außensicht erschließen. Deshalb arbeitet die qualitative Analyse Relationen heraus, wie Kinder sich die in den Programmangeboten angelegten offensichtlichen bis verborgenen Themen und Interpretationsmöglichkeiten aneignen und in ihre Lebenswelt einfügen können. Anlass der systematischen Bestandsaufnahme von Programmangeboten für Kinder im Kontext der Präferenzen und Nutzungsgewohnheiten von Kindern war die Qualitätsdebatte, die der runde Tisch "Qualitätsfernsehen für Kinder" angeregt hat. Hierbei stand insbesondere die Überlegung im Mittelpunkt, dass Qualität unter anderem an der Verbindung von Programmangebot und Nutzung festzumachen sei. Das komplexe Unterfangen, Programmangebote zu bewerten, wird insbesondere durch das umfangreiche Angebot für Kinder sowie die zunehmende Ausdifferenzierung der Genres im Kinderfernsehen erschwert. Die öffentliche Diskussion umgeht eine komplexe Bewertungsaufgabe
und greift zumeist auf einfache Bewertungsmaßstäbe zurück,
die eine Problembeziehung von Kindern und Fernsehen unterstellt. Entsprechend
stehen neben der regelmäßig wiederkehrenden Gewaltdiskussion
Themen wie Sprachprobleme durch die Teletubbies oder Jugendschutz bei
Talkshows auf der Agenda der medienpolitischen Diskussion. Eine Erörterung
und Bewertung von Fernsehen als Teil von Kinderkultur und kindlicher Lebenswelt
ist aus dieser vereinfachten Perspektive kaum möglich. Dies gelingt
nur, wenn das vielfältige Programmangebot zusammen mit den Präferenzen
der Kinder untersucht wird. Erst hierdurch entstehen Forschungsverfahren,
die der bekannten Formel von Prof. Gert K. Müntefering gerecht werden,
Kinderfernsehen sei, wenn Kinder fernsehen. |
Das
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