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Untersuchung des Fernsehens an der Grenzlinie von Programmangebot und Programmnutzung Das Modell zur Operationalisierung der Beziehung von Kindern und Fernsehen in Arbeitsbereichen basiert erstens auf der Frage nach der Funktion von Fernsehen in der kindlichen Lebenswelt. Dabei geht es um eine Art von Doppelfunktion, nämlich sowohl um die Funktion des Fernsehprogramms als Teil der kindlichen Lebenswelt als auch von Fernsehen als Repräsentation von „Welt“. Zweitens ist Fernsehen in diesem Operationalisierungsmodell ein Moment in der Beziehung eines Kindes zu sich, zu seiner sozialen, dinglichen und kulturellen Umwelt. Von diesen beiden Überlegungen zur Repräsentation und zur Funktion von Fernsehen lassen sich vier Arbeitsbereiche der Untersuchung festlegen. Die Untersuchung der Sozialisationsfunktion will die Beziehung des Programmangebots des Fernsehens zur Persönlichkeitsentwicklung (Arbeitsbereich 1) und die Rolle des Fernsehprogrammangebots von Fernsehen in der Lebenswelt von Kindern (Arbeitsbereich 2) bestimmen. Zum zweiten Arbeitsbereich gehören vorrangig sowohl Fragen, wie Fernsehen die Alltagswelt von Kindern repräsentiert, als auch, welche Orientierungsfunktion Fernsehen Kindern bietet. Da sich mit der Massenkommunikation und ihren vorrangigen Textangeboten auch die Erlebnisweisen ändern, unter anderem ob und wie sich eine von den Subjekten als unabhängige und vorgegebene erlebte Welt konstituiert, richten sich zwei Arbeitsbereiche auf die Repräsentation von Sachverhalten und kulturellen Phänomenen. Zwei weitere Arbeitsbereiche 5 und 6 analysieren Programm und Nutzung in den beiden grundlegenden Perspektiven der Massenkommunikation, nämlich die der Sender und die der Nutzer.
Die Untersuchung der Sozialisationsfunktion richtet sich auf den Beitrag des Programmangebots des Fernsehens zur kindlichen Persönlichkeitsentwicklung. Traditionell steht die Frage nach Gewaltdarstellungen im Vordergrund, die hier jedoch eingebunden wird in eine breitere Sichtweise, bei der es um die Entwicklung von Subjektivität in einer medienvermittelten Lebenswelt geht. Dazu gehört die Frage nach den thematischen Handlungsperspektiven von Kindern bei der Entwicklung von Ichstärke, die für geschlechtsspezifische und soziale Differenzierung wichtig ist und zu der Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten wichtig sind.
Ausgangspunkt ist die Diskussion, ob Fernsehen, insbesondere Kinderfernsehen, auch einen für Kinder erkennbaren Beitrag zur Orientierung in ihrer jeweiligen Lebenswelt leistet. In dieser Diskussion herrscht die Hoffnung vor, eine realitätsnahe Darstellung der kindlichen Lebenswelt, insbesondere mit heutigen und hiesigen Kindern als Protagonisten, unterstütze Kinder, sich auch in ihrer Lebenswelt zu orientieren und zurechtzufinden. Deswegen geht es um die realitätsbezogene Nähe der Repräsentation der Alltagswelt von Kindern, wobei die aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Ausdifferenzierung nach Regionen, Ethnien und Geschlecht eine Rolle für die mögliche Sozialisationsfunktion entsprechender Repräsentationsformen spielt.
Mit der so genannten Erlebnisorientierung kommt eine kulturell wichtige und auch neue Dynamik in die Beziehung der Menschen zur "Welt", die nicht mehr als außen und vorgegeben, sondern in der eigenen Aneignungsperspektive gegeben erscheint. Da die Konsumorientierung des Fernsehangebots und seine Alltagsausrichtung, so zumindest die vorrangige öffentliche Diskussion, diese Abkehr von sachbezogener Information und Auseinandersetzung zu unterstützen scheint, ist es wichtig festzustellen, welche Repräsentationsmöglichkeiten Fernsehen Kindern für bzw. als Realitätserklärung bietet. Dabei geht es auch um die für Kinder wichtige Form des Lernens.
Neben den kulturellen Feldern, die Fernsehen repräsentiert, bietet Fernsehen als etabliertes Medium Möglichkeiten der Orientierung in einer sich ausdifferenzierenden "Medienwelt". Fernsehen, insbesondere auch Kinderfernsehen, trägt zudem dazu bei, was und wie Kindheit sichtbar wird und welche Art von Fernsehen diesen Kindheitsvorstellungen entspricht.
Die Definition von "explizitem Kinderfernsehprogramm" orientiert sich innerhalb des Forschungsprojekts anhand der Intentionen der Sender (Kennzeichnung von Programmflächen) sowie der Richtlinien des Rundfunkstaatsvertrags (Unterbrechungsverbot von Kindersendungen § 14[1] RStV). Hierbei werden Trailer und Werbeblöcke zwischen den einzelnen Kindersendungen als textueller Bestandteil des expliziten Kinderfernsehprogramms diskutiert und sind in Zeitangaben zum expliziten Kinderprogramm mit inbegriffen. Anfang und Ende der jeweiligen Programmflächen werden im Zweifelsfall anhand der "getrailerten" Sendung bzw. der umworbenen Produkte bestimmt.
Neben der Programmanalyse beinhaltet die Datenbank der Bestandsaufnahme zum Kinderfernsehen auch Nutzungsdaten der GfK-Fernsehforschung. Im Folgenden werden zentrale Nutzungsschwerpunkte von Kindern anhand von Hitlisten und einer Analyse zur Verteilung kindlicher Fernsehnutzung dargestellt. Die Hitlisten beziehen sich dabei zum einen auf die Hits im expliziten Kinderprogramm und zum anderen auf das gesamte Programmangebot innerhalb der Stichprobe. Bei der Verteilung der Fernsehnutzung geht es um
den Anteil der Nutzung, der auf explizites Kinderprogramm entfällt,
sowie um eine Verteilung der Nutzung von Kinderprogramm innerhalb des
dualen Fernsehsystems. Abschließend werden Unterschiede in der zeitlichen
Struktur vom Angebot an explizitem Kinderprogramm und der Fernsehnutzung
von Kindern herausgearbeitet.
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