Archivbild: Fahrzeuge stehen beim Autobahndreieck Inntal wegen der Blockabfertigung für Lkw
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Brenner-Zoff: EU rüffelt Österreich – Bayern erfreut

Im Dauerstreit über die Lkw-Blockabfertigung in Tirol stellt sich die EU-Kommission gegen Österreich: Es verstoße mit einigen Verkehrsbeschränkungen gegen EU-Verträge. Bayern sieht sich bestätigt und verlangt ein Einlenken Österreichs.

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Die EU-Kommission äußert im Streit über Verkehrseinschränkungen auf der Brennerroute klare Kritik an Österreich. Mit bestimmten Regelungen verstoße das Land gegen EU-Verträge, teilte die EU-Kommission mit: Mit einem Nachtfahrverbot, einem sektoralen Fahrverbot für bestimmte Güter und einem Winterfahrverbot an Samstagen schränke Österreich den freien Warenverkehr ein.

Die EU-Kommission erkennt in ihrer Stellungnahme zwar Argumente Österreichs an - speziell den Verweis auf Umweltaspekte. Insgesamt aber könnten die Beschränkungen nicht mit den angestrebten Zielen gerechtfertigt werden. Darüber hinaus würden durch einige Maßnahmen ausländische Unternehmen stärker beeinträchtigt als österreichische.

Italien könne deshalb vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Die EU-Kommission sei aber weiterhin bereit, Bemühungen um eine einvernehmliche Beilegung des Streits zu unterstützen.

Söder erfreut über Stellungnahme aus Brüssel

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich auf X erfreut über die "neue Entwicklung". Durch die Feststellung der EU-Kommission sei der Weg frei für eine Klage Italiens. "Bayern unterstützt diese Haltung", betonte Söder. "Die Blockabfertigung schadet unserer Wirtschaft und blockiert eine unserer Hauptverkehrsadern in Europa." Das sei nicht länger hinnehmbar.

Gleichzeitig werbe der Freistaat für ein digitales Slotsystem, mit dem Speditionen bestimmte Zeitfenster für ihre Fahrten buchen könnten. "Es braucht allerdings die Unterstützung der nationalen Bundesregierungen - allen voran in Berlin."

Bernreiter: "Nicht einfach auf Bayern abwälzen"

Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) appellierte an Deutschland, Österreich und Italien, schnell eine gemeinsame Lösung umzusetzen. In Gesprächen mit Politikern in Tirol und Südtirol weise er stets darauf hin, "dass Verkehrsprobleme nicht einfach auf Bayern abgewälzt werden können".

Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof werde erfahrungsgemäß dauern, erläuterte Bernreiter, wenngleich er gute Chancen für einen Erfolg der Klage Italiens sieht. Die einseitigen Verkehrsbeschränkungen für den Güterverkehr, die Blockabfertigung, das Nachtfahrverbot – all das habe in der Europäischen Union keinen Platz und müsse ein Ende haben. "Österreich wäre nun gut beraten, endlich einzulenken."

"Große Zufriedenheit" bei Salvini

Der Lkw-Verkehr über die Brennerroute nahm in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu. Entsprechend gibt es mehr Belastungen auf und entlang der Route. Auf der wichtigen Strecke über die Alpen kommt es immer wieder zu langen Staus, was auch Auswirkungen auf Deutschland hat. Österreich schränkt den Verkehr mit mehreren Maßnahmen ein. Dies hatte in den vergangenen Jahren für viel Streit zwischen Österreich und den Nachbarstaaten gesorgt.

Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini von der Rechtspartei Lega nahm die von der EU-Kommission verabschiedete Stellungnahme zum Brennerpass mit "großer Zufriedenheit" zur Kenntnis. Italien werde nun den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Österreich "sehr gelassen"

Österreich sieht einem möglichen Verfahren "sehr gelassen entgegen", wie Europaministerin Karoline Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg mitteilten. "Aus österreichischer Sicht ist völlig klar, dass die Schutzmaßnahmen für die massiv unter dem Verkehrsaufkommen leidende Bevölkerung in Tirol notwendig, verhältnismäßig und EU-rechtskonform sind." Das Argument des freien Warenverkehrs könne nicht mehr Gewicht haben als die Belastung für die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt in Tirol. Gemeinsames Bestreben müsse sein, mehr Fracht auf die Schiene zu bringen, statt immer mehr Lastwagen über den Brenner rollen zu lassen.

Eine langfristige und vernünftige Lösung für die "leidgeplagte Bevölkerung" in Tirol könne nur durch Gespräche gefunden werden. Österreich werde auch weiterhin im Dialog mit Italien und Brüssel bleiben, kündigten die beiden Minister an. Nötig sei Kooperation statt Konfrontation: "Eine Klage vor dem EuGH wird weder den Brenner breiter machen noch auch nur einen LKW auf die Schiene bringen."

Mittelstandsverband: "Kosten gehen in die Hunderttausende"

Der Mittelstandsverband BVMW Bayern bezeichnete die Kritik der EU-Kommission an Österreich als gerechtfertigt. Allein am Grenzübergang Kufstein-Nord seien für das erste Halbjahr 24 Blockabfertigungstage vorgesehen, sagte der BVMW-Politikbeauftragte Achim von Michel. Weitere Tage könnten kurzfristig wegen Baustellen, Unfällen oder dem Wetter dazukommen. "Die Kosten gehen für jeden dieser Tage in die Hunderttausende."

Auch der BVMW plädiert daher für die zügige Einführung eines digitalen Slotsystems. Damit lasse sich der Lkw-Verkehr "weiträumig koordinieren und zeitlich entzerren, so dass lange Rückstaus an der Grenze vermieden werden können".

Mit Informationen von dpa.

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