Zwei Personen in Arbeitskleidung stehen auf einem Getreidefeld und reichen sich die Hand (Symbolbild)
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Handschlag auf dem Feld: Pächter und Verpächter von Moorböden müssen sich einigen

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Klimaschutz im Moor - Die Macht der Grundeigentümer

Ein Bauer möchte Klimaschutz betreiben, indem er etwa seine Moorböden wiedervernässt. Hat er die Flächen aber nur gepachtet, braucht er dafür die Zustimmung des Eigentümers. Wie Grundbesitzer unsere Zukunft gestalten.

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Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen gehört gar nicht den Bauern, die sie bewirtschaften, sondern Verpächtern. Das gilt deutschland- und bayernweit. Die Verpächter müssen gefragt werden, wenn Moorflächen wiedervernässt werden sollen oder in anderen Fällen die Landwirte zum Beispiel Hecken oder Bäume auf das Feld pflanzen wollen.

Moorschutz als Staatsziel

Noch 16 Jahre bis 2040. Dann soll ein Viertel der bayerischen Moorflächen (externer Link), also 55.000 Hektar, wiedervernässt sein, die Fläche entspricht ungefähr der Größe des Bodensees. Das ist das Ziel der bayerischen Staatsregierung. Die Moore machen in Bayern rund vier Prozent der bayerischen Landwirtschaftsfläche aus und verursachen ungefähr ein Viertel der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft.

Die Zeit drängt

Damit die Moore, die bisher große Mengen CO2 freisetzen, künftig viel davon fixieren, muss die Entwässerung gestoppt werden und der Wasserstand bis auf eine Handbreit unter der Bodenoberfläche ansteigen. Ein Eingriff mit gravierenden Folgen gerade für die Bauern, die die Flächen bewirtschaften. Damit das überhaupt funktioniert, müssen auch die Verpächter mitziehen. Nach Aussagen von Moorforschern kann man nirgends in der Landbewirtschaftung so billig Klimaschutz betreiben wie mit der Wiedervernässung von Mooren.

Wiedervernässen funktioniert oft nur im Verbund

Die Macht der Verpächter ist besonders groß im Hinblick auf die geplante Wiedervernässung der Moore. Eine gewaltige Herausforderung für die Moorschützer. Denn die Flurstücke im Moor sind oft besonders kleinparzelliert. Dazu kommt, dass man ein einzelnes Feld in der Regel nicht wiedervernässen kann. "Man muss größere Stücke haben, weil Wasser lässt sich ja nicht so leicht regulieren", erklärt Anja Schumann. Die Agraringenieurin von der Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos sucht Moorbauern, die umstellen wollen. Wenn man wiedervernässen will, müsse man große Einheiten bilden.

Zum Verständnis: Zum Wiedervernässen braucht man immer sogenannte hydrologische Einheiten. Nach Auskunft der Landesanstalt für Landwirtschaft ist die Hälfte davon in Bayern bis zu zwei Hektar groß. Die andere Hälfte ist größer als zwei Hektar. Ohne das Einverständnis der Verpächter wird es also kaum Wiedervernässungen geben.

Ein halbes Prozent Rendite: Verpachten ist eigentlich ein schlechtes Geschäft

Die Verpächter entscheiden mit, wie sich die Landwirtschaft entwickelt. Die Frage ist allerdings: in welche Richtung? Welche Motive haben sie? Sehen sie ihr Grundeigentum vor allem als Kapitalanlage, die eine möglichst hohe Rendite abwerfen soll?

Grundeigentümer Thomas Gerstmayer aus Riedhausen bei Günzburg hat Äcker in einem entwässerten Moor. Er sagt, von einer hohen Rendite könne nicht die Rede sein. Er geht von einem Pachtzins aus, der ungefähr ein Prozent des Verkehrswertes des Bodens beträgt. "Das ist eine ganz schlechte Rendite. Wenn sie das Geld anlegen, selbst heute, bei drei oder vier Prozent, dann haben sie es drei- oder vierfach."

Der Boden: Ein knappes Gut

Im bayernweiten Durchschnitt hat 2022 ein Hektar landwirtschaftliche Fläche 77.000 Euro gekostet. Der durchschnittliche Pachtpreis lag im selben Jahr bei 370 Euro pro Hektar und Jahr - das ist gerade mal ein knappes halbes Prozent vom Verkaufspreis. Verpachten ist also ein schlechtes Geschäft. Aber warum verkaufen die Verpächter den Acker oder die Wiese dann nicht ganz schnell und legen das Geld woanders an, wo die Rendite höher ist?

Ein wichtiger Grund, den Boden zu behalten: Landwirtschaftliche Nutzflächen sind ein knappes Gut, sie werden immer weniger, ihr Wert wird langfristig wahrscheinlich steigen. Für Grundeigentümer Thomas Gerstmayer heißt das: "Der Wert steckt in den Flächen selber. Und wenn man diese Flächen kaputtmacht, dann haben die halt irgendwann keinen Wert mehr." Inzwischen überlegt er, seine Mooräcker wiederzuvernässen - einfach, um den Wert der Fläche zu erhalten.

Was sagt die Bank?

Eine Befürchtung von vielen Grundeigentümern: Die Banken werten meine Flächen ab, wenn ich zulasse, dass sie wiedervernässt werden. Das geht an der Wirklichkeit vorbei, sagt Christian Bock von der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt, der Förderbank der deutschen Agrarwirtschaft. Denn die Banken stellen keine eigenen Bewertungen an. Sie orientieren sich an den Preisen, die auf dem Markt für bestimmte Flächen bezahlt werden. Denn für die Bank sei die Kernfrage: "Ändert sich der Verkehrswert dieser Fläche, ändert sich die Zahlungsbereitschaft von potenziellen Käufern, wenn die Fläche wieder vernässt wird?"

Nehmen wir den Ernstfall: Ein Grundeigentümer hat einen Kredit aufgenommen und der Bank als Sicherheit eine entwässerte Moorfläche gegeben. Diese Fläche will er jetzt wiedervernässen lassen. Was sagt die Bank? Christian Bock: "Da will ich nicht ausschließen, dass es dort natürlich dann Konflikte geben kann, dass eine Bank sagt, die Wiedervernässung dort geht nicht."

Moorböden: Banken denken bereits um

Man weiß inzwischen jedoch: Nicht der wiedervernässte Boden verliert an Wert, sondern der entwässerte. Denn der trockene Moorboden verliert beständig an Substanz. Matthias Drösler ist der Leiter des Peatland Science Centres, also des Moorforschungszentrums in Weihenstephan. Er sagt, wenn man einen Moorboden entwässere, komme es zu einem Höhenverlust, der Boden sacke um 0,5 bis vier Zentmeter im Jahr.

Er "mineralisiere" vor sich hin. Dabei gehen große Mengen Kohlendioxid in die Luft, bis zu 35 Tonnen pro Hektar und Jahr. Zurück bleibt ein bröseliger Rest, der aussieht wie aufgegossenes Kaffeepulver: degenerierter Moorboden. Diese Zersetzung geht solange, bis man ans Grundwasser oder die nächste Schicht kommt, "dann geht es irgendwann halt überhaupt nicht mehr", so Drösler.

Neue Perspektive: Landwirtschaft auf nassem Moor

Die Landwirte können auf einem wiedervernässten Boden Paludikulturen anbauen, also Sumpfgräser, aus denen man Bauplatten, Verpackungsmaterial oder zum Beispiel Möbel machen kann - das hat auch die Rentenbank auf dem Schirm. Dafür gibt es im Rahmen des Moorbauernprogramms derzeit große Förderbeträge vom Freistaat Bayern. Einerseits.

Andererseits ist die sogenannte Paludikultur Neuland. Die Bauern müssen erst rausfinden, wie sie die Sumpfgräser anbauen und ernten können, welche Maschinen sich eignen und so weiter. Die Arbeitsgemeinschaft Donaumoos plant eine Produktionsanlage in Betrieb zu nehmen, die aus den Sumpfgräsern Bauplatten für den Innenausbau produzieren kann. Bauplatten mit einer einzigartigen Klimabilanz. Anja Schumann von der Arge Donaumoos sagt: "Im Grunde genommen sind jetzt Klimaschutz und Naturschutz beziehungsweise auch der Anbau von Paludikulturen auch etwas Ertragreiches." Da müsse sich die Einstellung der Banken ändern.

Die Wiedervernässung der Moore wird die Banken in den nächsten Jahren tatsächlich beschäftigen. Die die CO2-Bilanzierung wird auch in der Landwirtschaft ein großes Thema, so die Prognose von Christian Bock von der Landwirtschaftlichen Rentenbank.

Pachtverträge müssen neu verhandelt werden

Wie könnte man ein Pachtverhältnis für Flächen organisieren, die wiedervernässt werden sollen? Für landwirtschaftliche Pachtverträge ist der Bauernverband eine wichtige Anlaufstelle. Hier können sich alle Mitglieder, Verpächter und Landwirte beraten lassen. Andreas Puchner, Umweltreferent beim Bayerischen Bauernverband, sagt, momentan seien wiedervernässte Pachtflächen noch kein Thema. "Wir haben keinen Einzelvertrag rein für die Verpachtung von Moorflächen oder gewisse Klauseln, die sich rein auf die Moorflächen beziehen."

Doch ein paar Ideen, wie man die Pachtverträge für wiedervernässte Moorflächen gestalten könnte, hätte er schon: "Eine Möglichkeit wäre es, den Pachtpreis flexibel zu gestalten, eben auch aufgrund der Tatsache, dass man jetzt noch nicht weiß, wie viel Wertschöpfung man später damit auch wirklich verdienen kann mit der Pflege auch dieser Moorfläche." Oder, so ein Vorschlag des Bauernverbandes, der Verpächter verzichte zu Beginn der Wiedervernässung ganz auf den Pachtzins.

Beim Moorbauernprogramm gibt's viel Geld

Das Bayerische Moorbauernprogramm, das es seit heuer gibt, fördert Landwirte, die auf wiedervernässten Böden Paludikulturen anbauen, mit 2.200 Euro pro Hektar und Jahr für die Dauer von zwölf Jahren. Das wüssten die Verpächter auch, so Anja Schumann von der Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos in Riedheim im Landkreis Günzburg. Es sei naheliegend, dass der Verpächter dann sagt: "Ich will jetzt die Hälfte von deinem Fördergeld haben. Und dann sagt der Landwirt: Ja, dann lohnt es sich für mich auch nicht mehr."

Idee: Verpächter steigt in CO2-Handel ein

Anja Schumann und ihre Kollegen von der Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos haben überlegt: Wie können sowohl Pächter wie auch die Verpächter von den Klimaschutzleistungen der wiedervernässten Moorböden profitieren? Ihr Vorschlag: Der Pächter, also der Landwirt, kriegt die Förderung vom Moorbauernprogramm. Wenn die Paludikultur etabliert ist und der Absatzmarkt vorhanden, verdient er sein Geld mit dem Verkauf der Sumpfgräser. Der Flächeneigentümer bekommt im Gegenzug das Geld, das über Moorzertifikate reinkommt.

Moorzertifikate - so die Idee - gibt es für die Mengen CO2, die eingespart werden, wenn man ein entwässertes Moor wiedervernässt. Sie können dann an Unternehmen verkauft werden, die damit ihren CO2-Ausstoß kompensieren können. Momentan sei allerdings noch nicht klar, ob Moorzertifikate überhaupt eingeführt werden und wie sie konkret funktionieren, räumt Anja Schumann ein. "Aber wenn, dann wäre das für mich die Lösung, dass eben der Bodeneigentümer das bekommt, was mit seinem Boden eingelagert wird, und der Landwirt das, was er erwirtschaftet, wie bisher ja auch."

Sicherheit für Verpächter: Kann man Wiedervernässung rückgängig machen?

In vielen Pachtverträgen steht, dass die Fläche nach Ablauf der Vertragslaufzeit im gleichen Zustand sein muss wie am Anfang. Kann das funktionieren, wenn der Pächter im Lauf des Vertragszeitraums die Fläche wiedervernässen lassen will? Matthias Drösler, Leiter des Moorforschungszentrums in Weihenstephan, ist optimistisch: "Wenn ein Verpächter partout will, dass es nach dem Pachtzeitraum wieder in seinen Ursprungszustand zurückgeht, dass das nicht klappt, die Sorge hätte ich jetzt nicht."

Denn Wiedervernässung heiße ja nicht zwangsläufig, dass der Bagger kommt und alle unterirdischen Entwässerungsrohre rausbaggert. So geht man höchstens auf Naturschutzflächen vor, nicht auf landwirtschaftlich genutzten Böden, die wiedervernässt werden. "Deswegen ist mein großes Plädoyer, dass man einfach bei der Wiedervernässung Einrichtungen macht, die regelbar sind.“ (externer Link) Mit regelbaren Stauwehren und gefassten, steuerbaren Drainagen könne man das Wasser bei Bedarf auch wieder aus der Fläche rausbekommen.

Trotzdem wird es unter Umständen nötig sein, dass man eine Wiedervernässung im Grundbuch einträgt, so Anja Schumann. "Wenn mir jetzt einer die Zusage gibt und dann stirbt er und dann kommen die Erben und sagen nö. Davon will ich nichts wissen. Das geht natürlich nicht, weil wir dann hier alles organisiert haben." Deswegen würde eine Wiedervernässung in sogenannten Grunddienstbarkeiten hinterlegt. Ein Detail von vielen. Um den Moorschutz in die Fläche zu bringen, müssen noch viele kleine und große Hürden genommen werden.

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