Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
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Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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Hoffen auf den Liebesbeweis: Friedrich Merz vor CDU-Parteitag

Der CDU-Vorsitzende stellt sich seiner Partei zum ersten Mal zur Wiederwahl. Das Ergebnis wird Aussagekraft haben – über den von Merz angestrebten inhaltlichen Kurs und seine Chancen, Kanzlerkandidat der Union zu werden.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Von Friedrich Merz weiß man, dass ihm eines besonders wichtig ist: Respekt. Den erwartet Merz ihm gegenüber grundsätzlich im politischen Betrieb. Von Kanzler Olaf Scholz (SPD) fühlt sich Oppositionsführer Merz häufig eher nicht angemessen respektiert. Das Verhältnis zwischen beiden gilt als unterkühlt. Das Verhältnis des Polit-Rückkehrers Friedrich Merz zu seiner Partei, der CDU, galt lange als nicht spannungsfrei. Wenn sich nun in einem Hotel im Berliner Süden drei Tage lang die CDU zum Bundesparteitag trifft und sich Merz als Vorsitzender erstmals zur Wiederwahl stellt, hofft der 68-Jährige auf ein sehr gutes Ergebnis.

Es wäre ein für ihn deutliches Zeichen des Respekts vor seiner Arbeit an der Parteispitze in den vergangenen etwas mehr als zwei Jahren. Ins Amt gewählt wurde Merz im Januar 2022 mit 94,6 Prozent der Delegiertenstimmen. Ob er dieses Resultat nun verbessern können wird, ist nicht sicher. Alles andere als eine sehr deutliche Bestätigung im Amt wäre aber eine Riesenüberraschung, denn an einer Schwächung ihres Vorsitzenden kann die CDU knapp eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl kein Interesse haben.

Merz braucht gutes Ergebnis

Friedrich Merz sei auf ein starkes Wahlergebnis angewiesen, sagt Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin an der Bundeswehr-Universität München. Das wäre ein "positives Signal" der Partei an ihren Vorsitzenden, dass es ihm gelungen sei, die CDU zu einem auf Kurs zu bringen und als Oppositionspartei stark zu machen, erklärt Riedl im Gespräch mit BR24. Dass Merz über ein gutes Wahlergebnis einen Nachweis für seine bisherige Leistung bekomme, sei "total wichtig", glaubt die Politologin. Ein deutlicher Vertrauensbeweis durch den Parteitag – für Friedrich Merz wäre er auch Rückenwind für eine mögliche Kanzlerkandidatur, vor allem aber Bestätigung für seinen inhaltlichen Kurs.

Konservativer oder wieder mittiger

Friedrich Merz steht programmatisch für einen Bruch mit der Politik der Mitte in den Merkel-Jahren. Aus Sicht von Merz muss seine Partei eine Heimat für wertkonservative Menschen sein. Diese Orientierung soll auch im neuen Grundsatzprogramm der CDU deutlich werden, dem ersten seit 2007. Von einer "Abkehr von der Merkel-Ära und einer Schärfung der CDU-Positionen insgesamt, gerade wieder in Richtung mehr Konservatismus", spricht Politologin Riedl. Der 70 Seiten lange Entwurf des Programms, über den der Parteitag morgen beraten wird und zu dem es zahllose Änderungsanträge gibt, setzt sich zum Beispiel mit dem Begriff der Leitkultur, der Migrationspolitik, dem Islambild, aber auch mit der Schuldenbremse auseinander. Dass um die Inhalte intensiv gerungen werden könnte, zeichnete sich vor dem Parteitag ab.

Indirekte Kritik am Merz-Kurs

Die vom Vorsitzenden Merz und auch von Generalsekretär Carsten Linnemann vorangetriebene inhaltliche Ausrichtung hin zu konservativeren Positionen ist in der Partei nicht unumstritten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther wünscht sich in einem Zeitungsinterview vor Parteitagsbeginn eine stärkere Orientierung zur CDU-Politik der Ära Merkel. Deren Kurs der Mitte ist für Günther ein "Erfolgsrezept" und er stellt fest, Merkel fehle in der Politik insgesamt. Diese Sichtweise teilt der einst von Merkel verstoßene Friedrich Merz vermutlich nicht. Daniel Günther legt in dem Interview auch den Finger in eine offene Wunde der Parteiführung – die Umfragewerte.

Die CDU wird in den Erhebungen der Meinungsforscher bei der Sonntagsfrage zwar stabil stärkste Kraft, bleibt angesichts der aktuellen Umfrageschwäche der Regierungskoalition mit Werten um die 30 Prozent nach Ansicht einiger in der Partei, darunter auch Günther, hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die CDU erreiche momentan viele nicht, die sie unter Merkel noch gewählt hätten, bilanziert Schleswig-Holsteins Ministerpräsident. Die christdemokratische Wählerschaft war in der Merkel-Zeit den Meinungsforschern zufolge unter anderem jünger und weiblicher, also in zwei Zielgruppen stärker, bei denen Friedrich Merz in Umfragen regelmäßig nicht gut abschneidet. Auf die Aussagen Daniel Günthers angesprochen, gibt sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vor Parteitagsbeginn demonstrativ gelassen. Dass Günther sich "hier und da einen anderen Kurs vorstellen könnte", nennt Linnemann "völlig legitim" und einen normalen Beitrag zur Debatte, über den man beim Parteitag reden könne.

Diskussion um Umgang mit politischen Gegnern

Ein Thema beim Parteitag könnte auch die Positionierung der CDU gegenüber anderen Parteien sein. Die von der Parteiführung vertretene klare Abgrenzung zur AfD wird voraussichtlich von den Delegierten mehrheitlich getragen werden. Diskussionen könnte es um eine mögliche Zusammenarbeit mit der Linken oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geben. CDU-Bündnisse mit der Linken und der AfD sind durch einen Parteitagsbeschluss bislang ausgeschlossen. Zum BSW gibt es eine vergleichbare Positionierung bisher nicht. Auf das BSW angesprochen, sagte CDU-Generalsekretär Linnemann, er wisse nicht, wie die Partei ticke. Deswegen werde man das offen halten.

In der Union umstritten ist der Kurs im Umgang mit den Grünen. Wenn die CDU nach der nächsten Bundestagswahl stärkste Kraft wird, braucht sie aller Voraussicht nach mindestens einen, vielleicht zwei Koalitionspartner. Friedrich Merz kritisiert die Grünen immer wieder deutlich und machte sie in der Vergangenheit auch schon als politischen "Hauptgegner" innerhalb der Ampel-Koalition aus. Auch Generalsekretär Linnemann distanziert sich vor Parteitagsbeginn erneut von den Grünen. Eine Koalition definitiv ausgeschlossen haben aber bisher weder Merz noch Linnemann und Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, warnt kurz vor dem Parteitreffen in Berlin davor, sich bei Koalitionsoptionen zu verengen.

Die CDU öffne sich ein bisschen gegenüber den Grünen, sagt Politologin Jasmin Riedl. Die Schwesterpartei CSU und deren Vorsitzender Markus Söder verschlössen sich dagegen ganz klar einer Zusammenarbeit. In dieser Frage könnte aus Sicht der Politikwissenschaftlerin eine Konfliktlinie zwischen CDU und CSU entstehen.

Neues in der "K-Frage"?

CSU-Chef Markus Söder wird am zweiten Tag des CDU-Parteitreffens zu den 1.001 Delegierten sprechen. Erwartet wird, dass Söder in seinem Grußwort die Zusammenarbeit mit Friedrich Merz loben und diesem den Rücken stärken wird. Gleichzeitig werde der CSU-Vorsitzende aber auch eigene Positionen betonen, glaubt Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl. Sie rechnet mit einer Söder-Rede, die "eine Abgrenzung zu den Grünen beinhaltet". Eher nicht erwartet wird von Beobachtern eine klare Positionierung Söders in der Frage, wer der nächste Kanzlerkandidat der Union wird. Friedrich Merz ist hier als CDU-Vorsitzender klar in der Favoritenrolle. Markus Söder hält sich eigene Ambitionen weiter offen. Der CDU-Parteitag in Berlin wird in dieser Frage eher keine Entscheidung bringen. Die soll erst nach den drei Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern im Herbst fallen.

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